3 months ago

Neuer Anlauf nach Merkel-Debakel: Kirchhof hofft auf radikale Steuervereinfachung



Seit ihrem Amtsantritt verspricht die Ampel einen drastischen Abbau von Bürokratie. Bei der allgemein verhassten Steuererklärung könnte sich eine Revolution anbahnen. Ex-Verfassungsrichter Kirchhof, der mit Merkel 2005 ein Waterloo erlebte, schöpft unter Finanzminister Lindner gerade neue Hoffnung.

Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof hält eine radikale Vereinfachung der Steuererklärungen durch die Arbeit zweier Regierungskommissionen für möglich. Die Vorschläge der von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner eingesetzten Expertenkommissionen kämen bei Regierung und Opposition gut an, sagte Kirchhof der "Augsburger Allgemeinen". "Beide können das System so verbessern, dass für die Arbeitnehmer eine Steuererklärung in 20 Minuten möglich ist", glaubt der 81-Jährige. Fragen wären für jedermann verständlich und man müsse nur noch Änderungen zum Vorjahr angeben. "Es kann im ersten Jahr nach der Wahl kommen", sagte Kirchhof.

Am 12. Juli hatten die beiden Expertenkommissionen "Vereinfachte Unternehmensteuer" und "Bürgernahe Einkommensteuer" ihre Berichte an Lindner übergeben. Die FDP arbeitet unter Federführung von Justizminister Marco Buschmann an einem "Bürokratieentlastungsgesetz". Danach sollen etwa Steuerbescheide künftig digital bereitgestellt werden.

Rückblick auf Merkels Wahlkampfteam

Kirchhof war 2005 als Finanzexperte ins Wahlkampfteam von Kanzlerkandidatin Angela Merkel berufen worden. Mit seinen teils radikalen Steuerkonzepten hat der CDU-Politiker immer wieder medial und politisch große Resonanz gefunden. Kirchhof hatte unter anderem für eine sogenannte Flat Tax mit einem einheitlichen Satz von 25 Prozent geworben. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD bezeichnete ihn abfällig als "der Professor aus Heidelberg".

Zu seiner Zeit im Merkel-Team sagt der 81-jährige Kirchhof, er habe damals die Macht der Worte kennengelernt. Die öffentliche Debatte sei von der unrichtigen Behauptung bestimmt gewesen, Krankenschwestern würden bei seinem Vorschlag höhere Steuern zahlen müssen. "Ich war vollkommen wehrlos, habe viel über Demokratie gelernt. Ich möchte von den fünf Wochen keinen Tag missen, aber auch keinen Tag hinzufügen", betonte Kirchhof.

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