Ein Durchbruch bleibt aus, doch Ägypten, Katar und die USA berichten von einer positiven Atmosphäre bei den Gesprächen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Ein weiteres Spitzentreffen ist geplant.
Es ist weder ein Erfolg, noch ein Scheitern: Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sollen kommende Woche fortgesetzt worden. Einen Durchbruch erzielten die Vermittler Ägypten, Katar und USA mit Israel und der Hamas nicht, laut gemeinsamer Mitteilung waren die zweitägigen Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha aber ernsthaft und konstruktiv bei "positiver Atmosphäre". Ein weiteres Spitzentreffen soll es vor Ende kommender Woche in Kairo geben, bis dahin sollen Unterhändler weiterverhandeln, um die noch "verbleibenden Lücken" zu schließen.
An den Gesprächen in Doha waren Spitzenvertreter der USA, Katars und Ägyptens beteiligt sowie der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes, David Barnea. Die Hamas nahm nicht teil. Wie in vorigen Runden verhandelt sie nicht direkt mit Israel oder den USA. In Doha befindet sich aber das politische Büro der Hamas und damit deren wichtigste Vertretung im Ausland, wo ägyptische und katarische Vermittler direkten Zugang haben. Die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht voran.
Neuer Vorschlag soll "Lücken verringern"
Die Erwartungen auf einen Durchbruch waren bereits vor Beginn des Treffens gering, weil die Positionen Israels und der islamistischen Hamas weit auseinander liegen. Jetzt gebe es einen Vorschlag, der die noch bestehende "Lücke verringern" soll, wie es in der Mitteilung der drei Länder heißt. Er entspreche auch den Grundsätzen des Friedensplans, den US-Präsident Joe Biden Ende Mai vorgestellt hatte und dessen Details die Hamas nicht neu verhandeln will. "Technische Teams" sollen in den nächsten Tagen daran arbeiten, wie die aktuellen Vorschläge umgesetzt werden können.
Die islamistische Hamas und andere Gruppen aus dem Gazastreifen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen, mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive in Gaza. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei fast 40.000 Menschen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die Zahl der Toten entspricht knapp zwei Prozent der 2,2 Millionen Menschen, die vor Kriegsbeginn in Gaza lebten.
Hamas-Funktionär reagiert zurückhaltend
Ein ranghoher Hamas-Vertreter bewertete den Abschluss der Gesprächsrunde zurückhaltend. Die Ergebnisse der Verhandlungen, die die Hamas-Führung erhalten habe, basierten nicht auf allen Vorschlägen Bidens, die der Gruppe am 2. Juli übermittelt worden seien. Das sagte der ranghohe Hamas-Funktionär Mahmud Mardaui der Deutschen Presse-Agentur. Die Gespräche müssten unter anderem auf der Beendigung des Kriegs, dem Rückzug der israelischen Armee aus Gaza und dem Ende der israelischen Blockade fußen. Eine offizielle Mitteilung Israels zu der Verhandlungsrunde lag zunächst nicht vor.
Mit den Gesprächen in Doha - und nun in Kairo - ist die Hoffnung verbunden, nicht nur den verheerenden Krieg im Gazastreifen zu beenden, sondern auch eine noch größere Ausweitung des Konflikts in der Region zu verhindern. Nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija sowie eines Hisbollah-Militärkommandeurs vor zwei Wochen haben die Miliz im Libanon wie auch der Iran Rache geschworen. Beide sind mit der Hamas verbündet und könnten im Fall einer Waffenruhe in Gaza von einer größeren, womöglich koordinierten Attacke gegen Israel absehen.
Hisbollah droht Israel in neuem Propagandavideo
Der Hisbollah-nahe TV-Sender Al-Manar verbreitete unterdessen ein Propagandavideo der Miliz, das offenbar einen unterirdischen Tunnelkomplex zeigen soll, durch den Lastwagen fahren, die Raketen transportieren. Die Hisbollah sei heute auch wegen ihrer Waffen stärker als je zuvor, sagt eine Stimme in dem Video, die Beobachter dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zuordnen. Die Stimme droht Israel zudem, das Land werde einer Realität gegenüberstehen, mit der es nicht gerechnet habe, sollte es einen Krieg gegen den Libanon beginnen. Die Hisbollah und Israel beschießen sich seit Monaten, Dutzende Zivilisten wurden dabei auf beiden Seite der Grenze getötet.
US-Präsident Biden hatte im Mai einen Vorschlag zur Beendigung des Gaza-Kriegs in drei Phasen vorgestellt. In einer ersten Phase würde demnach während einer Waffenruhe von sechs Wochen eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In zwei weiteren Phasen sollen die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen werden sowie der Wiederaufbau des in weiten Teilen zerstörten Gazastreifens beginnen.
Erschwernis Al-Sinwar
Dass Jihia al-Sinwar zum Chef der Hamas aufgerückt sei nach der Tötung Hanijas, mache eine Einigung in den Verhandlungen unwahrscheinlicher, hatte Jon Alterman von der US-Denkfabrik CSIS zuvor erklärt. "Hanija war ein bereitwilliger Vermittler, Sinwar ist ein Kämpfer." Mit Sinwar an der Spitze sei jetzt weniger wahrscheinlich, dass die Hamas sich auf ein Ende der Kämpfe im Rahmen einer Waffenruhe einlassen werde.
Es werden noch 115 Menschen in der Gewalt der Hamas vermutet, viele davon dürften bereits tot sein. In Israel protestieren immer wieder Tausende für ein Abkommen, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Viele Demonstranten werfen dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, einen Deal zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner, auf die Netanjahu für sein politisches Überleben angewiesen ist, zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Hamas.