Als sozial-liberales Gewissen der FDP kämpfte Gerhart Baum für Demokratie und Bürgerrechte – im Innenministerium, vor dem Verfassungsgericht oder in Talkshows.
Gerhart Baum hatte einen klaren ethischen Kompass: die Menschenwürde. Zum 75. Jahrestag der ersten konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages warnte er: Wir dürfen unsere Weltordnung nicht autoritären Kräften überlassen, die sich nicht mehr am Prinzip der Menschenwürde orientieren.
Sein Appell ist hochaktuell. Wir sind alle gefordert, unsere Werte zu verteidigen. Statt gefährlichen Vorbildern nachzueifern und Demut gegenüber Populisten zu predigen, müssen wir zeigen: Unsere Demokratie ist das Beste, was uns passieren konnte. Wir verdanken sie auch Politkern wie Gerhart Baum, die sie stets verteidigt und um Kompromisse gerungen haben.
Gerhart Baum hat verstanden, dass Demokratie von unterschiedlichen Ansichten lebt
Was wäre aus unserem Grundgesetz geworden, wenn sich bei seiner Entstehung radikale Stimmen durchgesetzt hätten? Gerhart Baum erinnerte daran, wie der Parlamentarische Rat über Artikel 1 des Grundgesetzes debattierte: "Einige wollten einen Gottesbezug, andere bezogen sich auf Kant. Am Ende haben beide Seiten festgestellt: In Artikel 1 steckt beides, Gott und Kant."Verkehrsminister Volker Wissing war 26 Jahre in der FDP, nach dem Bruch der Ampel trat er aus. Hier erinnert er sich an Gerhart Baum
© Annette Riedl
Baum hat verstanden, dass Demokratie von unterschiedlichen Ansichten lebt und Kompromisse die Kraft zum Ausgleich haben. Es ist ein Privileg, wenn um Lösungen gestritten wird. Sorgen müssen wir uns machen, wenn niemand mehr streiten darf.
Die Fähigkeit, verschiedene Sichtweisen zu akzeptieren und Kompromisse zu schließen, droht uns abhandenzukommen. Die Sehnsucht nach einfachen, schnellen Lösungen steigt. Gerhart Baum erinnerte uns daran, dass denjenigen, die einfache Lösungen anbieten, meist jede Problemlösungskompetenz fehlt.Interview Günter Wallraff Gerhart Baum 21.10
Wir dürfen die Dringlichkeit seiner Appelle nicht verkennen. Was er sich in einer seiner letzten großen Reden wünschte, sollten sich der Deutsche Bundestag und die nächste Bundesregierung zur Aufgabe machen: Wir müssen wieder eine Verständigungsgemeinschaft aufbauen, die sich auf ihre Grundwerte besinnt, Unterschiede aushält und um die besten Lösungen ringt – für alle Menschen.
Gerhart Baums Stimme wird fehlen.