Die große Zeit des Südtirolers mit Wohnsitz Los Angeles waren die Jahre, als man zu Clubs noch Diskotheken sagte. Und Hollywood noch Blockbuster herausbrachte. Dann entdeckte ihn die Szene neu.
Sein Name ist Giovanni Giorgio. Aber alle nennen ihn Giorgio. Das wissen seit einigen Jahren auch Leute, die zu jung sind, um Diskotheken (heute: Clubs) noch aus eigener Erfahrung zu kennen. Zu verdanken hat das Giorgio Moroder, einer der größten Hitschreiber des Disco-Pop, der Elektromusik-Band Daft Punk. Die beiden Franzosen veröffentlichten 2013 die neunminütige Synthesizer-Hymne "Giorgio by Moroder", mit der sie das Vorbild aus der Vergessenheit holten.
Dazu ließen sie den Südtiroler mit Wohnsitz Los Angeles im Monolog erzählen, wie alles begann. Wie er 1969/70 über den Brenner fuhr, in Deutschland durch die Diskotheken tingelte und manchmal sogar im Auto übernachtete. Bevor der Song richtig abgeht, stellt sich Moroder in seinem deutsch eingefärbten Englisch ordentlich vor: "My name is Giovanni Giorgio. But everybody calls me Giorgio." Heute wird er 85.
Anfangs auch Schlager für Michael Holm und Mary Roos
Den Geburtstag wird Moroder in Los Angeles verbringen, seit 45 Jahren seine Wahlheimat. Nach Südtirol, in seinen Geburtsort St. Ulrich, ein 5.000-Seelen-Dorf im Grödnertal, kommt er noch regelmäßig zurück, diesen Sommer wieder. Dort wollte er nach der Schule zunächst Skilehrer werden. Die Mutter hätte ihn gern als Vermessungstechniker bei der Gemeinde gesehen. Es wurde die Musik.
Was Moroder in seiner Daft-Punk-Erzählung verschwieg: Dass er 1967 bereits als Giorgio - der Vorname nur - mit einem Song namens "Looky Looky" in Deutschland in der Hitparade landete, einige Zeit in Westberlin lebte und Schlager für Leute wie Mary Roos und Michael Holm schrieb. Die große Karriere nahm aber erst in München mit der Gründung seines "Musicland"-Studios ihren Lauf.
Welterfolge mit "Disco-Queen" Donna Summer
In Bayern lernte der Italiener die US-Amerikanerin Donna Summer kennen, die als Sängerin für das Hippie-Musical "Hair" nach Deutschland gekommen war. Ihr schrieb er in den 1970er Jahren Welthits in Serie wie "I Feel Love" oder "Hot Stuff" - und auch das Dauergestöhne "Love To Love You Baby", das sich in seiner Maximalversion über 17 Minuten hinzog. Viele Radios setzten das Lied auf den Index. So wurde es erst recht ein Welterfolg.
Donna Summer, die bereits 2002 starb, galt als "Disco-Queen". Moroder mit seinem Synthesizer war der große Meister dahinter. Er selbst sagt: "Der Computer ist das einzige Instrument, das ich wirklich beherrsche." Als Summer Ende der 1970er aus Europa zurück in die USA ging, zog auch er dorthin, nach Kalifornien, und begann, Filmmusik zu schreiben. Das brachte ihm neben viel Geld drei Oscars, drei Grammys und vier Golden Globes ein.
Britische Tageszeitung nannte ihn eine "Hitfabrik"
Moroder komponierte die Soundtracks zu "12 Uhr nachts - Midnight Express" von Alan Parker und "Die unendliche Geschichte" von Wolfgang Petersen. Für Irene Cara schrieb er den Titelsong "What A Feeling" aus "Flashdance", für die Gruppe Berlin "Take my Breath Away" aus "Top Gun", für Blondie "Call me" aus "Ein Mann für gewisse Stunden". Zudem zeichnete er für die Hymnen zur Fußball-WM 1990 in Italien ("Un estate italiana") und zu den Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles ("Reach Out") verantwortlich.
Die britische Tageszeitung "Guardian" nannte ihn eine "Hitfabrik", bestehend aus einem einzigen Mann. Gegen Ende der 1980er wurde es jedoch ruhiger um ihn. Neben der Musik entwarf Moroder einen eigenen Sportwagen, womit er nach eigener Aussage "viel Geld verbrannte", und produzierte Kurzfilme. "Ansonsten habe ich viel Golf gespielt und Kreuzworträtsel gelöst", erzählte er später einmal der "taz". "Eigentlich habe ich oft nichts gemacht."
Kürzlich wieder im Studio
Bis Daft Punk auf ihn zukam und den Altmeister der elektronischen Popmusik einfach erzählen ließ. Wie er den Synthesizer für sich entdeckte und dann einen "Klick auf die 24. Spur" setzte. "Ich wusste, dass das ein Sound für die Zukunft sein könnte. Aber ich habe nicht geahnt, wie groß die Wirkung sein würde", erzählt er in seinem Monolog. "Wenn du dich einmal vom Konzept der Harmonie gelöst hast und davon, dass Musik korrekt sein muss: Dann kannst du alles tun, was du willst."
So hält Moroder das auch, seit er wiederentdeckt wurde. Mit mehr als 75 Jahren ging er noch einmal als DJ auf Tour. Auch in Deutschland hatte er einige Auftritte. Bei der Berlinale legte er für eine Party im Promirestaurant "Borchardt" Platten auf. Zwischendurch veröffentlichte er auch einige neue Songs, ohne dass wieder Hits daraus wurden. Jetzt, in den Wochen vor seinem Geburtstag, war er wieder im Studio.