6 months ago

Nach Terrortat in Solingen: Als wäre die Waffe das Problem



Messermorde hier, Gewaltexzesse dort: Die Politik muss raus aus der Ankündigungsschleife und handeln. Denn die Verfassung garantiert jedem Bürger das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, woraus sich eine Schutzpflicht des Staates ableitet.

"Gewalt ist absolut inakzeptabel in unserer Demokratie. Der Täter muss streng bestraft werden", sagte Olaf Scholz und nannte die Tatort-Szenerie "furchtbar". Einige Wochen später beklagte der Kanzler wiederum "ein furchtbares Verbrechen" und erklärte: "Jetzt muss alles getan werden, damit Recht und Gesetz durchgesetzt werden können und der Täter hart bestraft wird."

Die Sätze ähneln sich - die Verbrechen auch. Die erste Reaktion des Sozialdemokraten bezog sich auf das Messerattentat eines islamistischen Terroristen in Mannheim, das zweite Statement auf das Messerattentat eines wahrscheinlich islamistischen Terroristen in Solingen. Die Beileidsbekundungen und die Betonung rechtsstaatlicher Grundsätze sind richtig und wichtig, auch wenn das die Trauer und den Schmerz kaum lindern kann. Doch die Angehörigen der Ermordeten, die Überlebenden, die Bevölkerung müssen wissen, dass sie nicht allein gelassen werden, dass die gesamte Gesellschaft zu ihnen steht.

Trotzdem erscheinen die Worte zunehmend als Ritual, als Phrasen hilfloser Politiker. Bald folgt die x-te Ankündigung, mehr für die innere Sicherheit zu tun und "konsequent" zu handeln, flankiert von Aussagen wie: "Es ist an der Zeit, dass wir noch wachsamer sind." Und: "Wir werden unsere Art zu leben verteidigen." So geht das seit einem Jahrzehnt, so war es auch schon nach der Silvesternacht auf 2016, als Frauen auf dem Kölner Domplatz sexuell bedrängt wurden und die damalige Kanzlerin Angela Merkel eine harte Antwort des Rechtsstaates anmahnte.

Gewaltkriminalität auf Höchststand

Die Bürger erwarten entschlossenes, sichtbares, vorausschauendes, nachhaltiges und wirkungsvolles Handeln statt ein Verharren in der Ankündigungsschleife, dieses oder jenes zu tun. Jeder weiß oder spürt es, der nicht blind durchs Leben geht und Nachrichten liest, dass etwas im Argen liegt. Die vielen Meldungen über Messerattacken, Gewaltexzesse und Sexualdelikte hinterlassen Spuren in den Köpfen. In Deutschland grassieren diffuse und blanke Ängste, die längst nicht nur, aber in hohem Maße mit dem Verlust an öffentlicher Sicherheit zu tun haben. Verstärkt werden sie durch das Empfinden, dass der Staat machtlos ist und mehr und mehr die Kontrolle verliert.

Das Gefühl, in einem sicheren Land zu leben, geht vielen Menschen verloren. In der Vergangenheit konnten subjektive Einschätzungen mit dem Verweis auf Statistiken begegnet werden, die ein anderes Bild zeichnete. Das ist vorbei. Die Zahlen bestätigen inzwischen die Wahrnehmung. Die Hemmschwelle, mit Fäusten und Waffen auf Opfer einzuschlagen, sinkt: Die Gewaltkriminalität erreichte 2023 mit 214.099 registrierten Fällen den Höchststand seit 15 Jahren. Messerangriffe stiegen im Vergleich zu 2022 um rund 800 auf fast 9000. Inzwischen hat fast die Hälfte aller Tatverdächtigen zu allen Straftaten keinen deutschen Pass.

Es stimmt: Die Statistik hat mit dem Ende der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Lage im Land zu tun. Das Virus war aber nicht auf Deutschland beschränkt, Lockdowns gab es auf der ganzen Welt. Und mit der Konjunktur hapert es auch in anderen Staaten. Das wissen die Leute, weshalb es sinnlos ist, das Zahlenwerk der Polizei umzudeuten und der Bevölkerung Hinweise zu geben oder gar vorzuschreiben, wie sie ihren Alltag zu erleben haben. Das jahrelange Kleinreden der Schattenseite der ungebremsten Einwanderung und die Schönfärberei waren von Anfang an falsch. Es weiter zu versuchen, ist töricht.

In einer Regierungserklärung nach dem Mord des Mannheimer Polizisten sagte Scholz im Juni. "Nicht diejenigen sollen sich fürchten müssen in Deutschland, die in Freiheit und Frieden leben wollen. Sondern diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit angreifen und unseren Frieden stören." Und bald darauf erklärte der Kanzler vor dem Bundestag: "Ohne Sicherheit ist alles nichts." Wie so oft findet Scholz die richtigen Worte, ohne dass sie in konkreter Politik münden.

Messerverbote sind reine Symbolik

Die von Innenministerin Nancy Faeser geplanten Messerverbote sind reine Symbolik, sie werden Terroristen wie die in Mannheim und Solingen nicht aufhalten. Die angekündigten Abschiebungen von schwerstkriminellen Asylbewerbern lassen auf sich warten - Außenministerin Annalena Baerbock blockiert das Vorhaben. Faeser will dem Bundeskriminalamt erlauben, zur Terrorismusbekämpfung heimlich in Wohnungen einzudringen, um in Computern Spähprogramme zu installieren. Statt zu überlegen, wie das Gesetz verfassungskonform aussehen und Missbrauch verhindert werden könnte, lehnt Justizminister Marco Buschmann von der FDP das "heimliche Schnüffeln in Wohnungen" umgehend als "absoluten Tabubruch" ab - zur Freude der Dutzender Gefährder in Deutschland.

Wer soll das alles noch nachvollziehen? Nach der Kölner Silvesternacht hatte ein leitender Polizist in Nordrhein-Westfalen n-tv.de anonym gesagt: "Es braucht nicht nur mehr Polizisten, Staatsanwälte und Richter, sondern auch eine Reform der Strafprozessordnung, neue Gefängnisplätze und zugleich mehr Sozialarbeiter, intelligentere Stadtplanung zwecks Ghettovermeidung und besser funktionierende Jugendämter. Es braucht eine transparente und konsequente Einwanderungspolitik mit einer entsprechend klaren und konsequent ausgestalteten Gesetzgebung."

Vielleicht rafft sich die Politik jetzt endlich dazu auf, bei der inneren Sicherheit Tabus zu brechen und an einem Strang zu ziehen, um Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Nur zu warnen, zu trauern, zu verurteilen, großspurig anzukündigen und dann im Wesentlichen alles beim Alten zu lassen, wird nichts nützen. Nicht Messer und ihre Längen sind das Problem, sondern diejenigen, die damit auf Mitmenschen losgehen. Vielleicht führen sich die maßgeblichen Akteure der Ampelkoalition endlich vor Augen: Es gibt nicht nur ein Grundrecht auf Asyl. Die Verfassung garantiert jedem Bundesbürger das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, woraus sich eine Schutzpflicht des Staates für seine Steuerzahler ableitet.

Adblock test (Why?)

Gesamten Artikel lesen





© Varient 2025. All rights are reserved