Völlig überraschend verhängt der südkoreanische Präsident das Kriegsrecht. Doch nur wenige Stunden später überstimmt ihn das Parlament in Seoul. Jetzt hebt der Staatschef die Maßnahme wieder auf.
In Südkorea hat Präsident Yoon Suk Yeol angekündigt, das von ihm ausgerufene Kriegsrecht aufzuheben. "Soeben hat die Nationalversammlung die Aufhebung des Ausnahmezustands gefordert, und wir haben das Militär abgezogen, das für den Einsatz unter Kriegsrecht eingesetzt war", erklärte Yoon in einer Fernsehansprache. "Wir werden der Bitte der Nationalversammlung nachkommen und das Kriegsrecht in einer Kabinettssitzung aufheben", fügte er hinzu.
Sowohl Oppositionsführer Lee Jae Myung von der Partei DP als auch der Chef von Yoons eigener Partei, Han Dong Hoon, hatten die Verhängung des Kriegsrechts für verfassungswidrig erklärt. Dong-hoon bezeichnete die Verhängung laut BBC als "falsch". Teile des insgesamt 300 Sitze fassenden Parlaments kamen am Abend zusammen. Alle der 190 anwesenden Abgeordneten stimmten überparteilich für die Aufhebung des Kriegsrechts.
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol begründete die Ausrufung des Kriegsrechts in einer TV-Ansprache zuvor mit dem aus seiner Sicht notwendigen Schutz der demokratischen Ordnung des Landes. Er erkläre das Kriegsrecht, um Südkorea "vor der Bedrohung durch nordkoreanische kommunistische Kräfte zu schützen und die verabscheuungswürdigen pronordkoreanischen antistaatlichen Kräfte auszurotten", so Yoon in seiner Ansprache. Der Präsident warf der Opposition vor, Gelder für die Kernaufgaben des Staates wie etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammenzustreichen und damit einen "Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit" zu schaffen.
Kriegsrecht seit Jahrzehnten nicht verhängt
Das Kriegsrecht war in Südkorea seit Jahrzehnten nicht mehr ausgerufen worden. Letztmalig wurde es 1979 erklärt. Nach Angaben der südkoranischen Nachrichtenagentur Yonhap kann der Präsident dies im Fall eines Kriegs, eines nationalen Notstands oder wenn es die öffentliche Sicherheit verlangt, tun. Durch das Kriegsrecht werden alle politischen Aktivitäten, Versammlungen und Kundgebungen verboten, wie aus einem vom Militär veröffentlichten Dokument hervorgeht. Auch alle Medien und Publikationen würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterliegen, hieß es.
Zeitweise wurde in der Folge auch das Parlament durch Soldaten abgesperrt. Diese versuchten in das Gebäude einzudringen. Vor dem Parlament versammelten sich protestierende Bürger.
Für die Ausrufung des Kriegsrechts gibt es keine offensichtlich sicherheitspolitischen Gründe, wie ein Angriff Nodkoreas. Vielmehr liegen innenpolitische Gründe vor. Die Opposition verfügt im Parlament über die Mehrheit. Die Möglichkeiten des Präsidenten, in der ihm verbliebenen Amtszeit bis 2027 Gesetze durchzusetzen, sind begrenzt. Für Unruhe sorgte in dieser Woche der Antrag der oppositionellen DP, einige der ranghöchsten Staatsanwälte des Landes ihres Amtes zu entheben. Zudem forderte sie die Ablehnung eines Haushaltsentwurfs der Regierung. Das Budget müsse um mehr als vier Billionen Won (2,65 Milliarden Euro) reduziert werden. Yoon erklärte, dies untergrabe die grundlegende Funktionsfähigkeit der Regierung.
Der Präsident hatte zudem zuletzt Forderungen zurückgewiesen, mutmaßliche Skandale seiner Frau und hochrangiger Regierungsvertreter unabhängig untersuchen zu lassen. Ihr wird unter anderem Aktienkurs-Manipulation vorgeworfen.