In Deutschland gilt das individuelle Grundrecht auf Asyl. Friedrich Merz fordert trotzdem einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan und würde dieses gerne ohne Grundgesetz-Änderung "faktisch" herbeiführen. SPD und Grüne reagieren ablehnend, die FDP zeigt sich offener für die Vorstöße.
Bundeskanzler Olaf Scholz will am individuellen Recht auf Asyl nicht rütteln. "Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten. Das steht in unserem Grundgesetz. Und das wird niemand mit meiner Unterstützung infrage stellen", sagte der SPD-Politiker im ZDF. Scholz erklärte dies wenige Stunden nach einem Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz.
Kurz vor der Landtagswahl in Thüringen empfängt ntv in Kooperation mit Antenne Thüringen die Spitzenkandidaten der großen Parteien. In der von Nikolaus Blome und Alex Küper moderierten Sendung am 28. August um 17 Uhr beantworten Madeleine Henfling (Grüne), Björn Höcke (AfD), Thomas Kemmerich (FDP), Georg Maier (SPD), Bodo Ramelow (Die Linke), Mario Voigt (CDU) und Katja Wolf (BSW) die vorab eingereichten Fragen der Hörerinnen und Hörer von Antenne Thüringen. Anschließend sendet ntv um 18.30 Uhr eine Analyse zum "Kandidaten-Showdown". Beide Sendungen zeigt auch ntv.de im Livestream. ntv wiederholt die Ausstrahlung der Runde zudem um 22 Uhr.
Vor dem Hintergrund des mutmaßlich islamistischen Anschlags von Solingen vom Freitag mit drei Toten hatte Merz unter anderem einen generellen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan gefordert - am Dienstagabend sprach Merz dann von einem "faktischen Aufnahmestopp". Merz schlug dem Kanzler bei dem Gespräch eine gemeinsame Neuausrichtung der Migrationspolitik vor - notfalls auch ohne die Ampel-Partner Grüne und FDP, was der Forderung nach einem Koalitionsbruch gleichkam.
SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese sagte unterdessen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Dieses Land zeichnet sich in schwierigen Zeiten dadurch aus, dass die Regierung und die Opposition Parteigrenzen überwinden können." Das müsse aber mit voller Ernsthaftigkeit vorgetragen werden. "Die Aufforderung zum Koalitionsbruch ist doch eher den Wahlen am Sonntag geschuldet. Dies bedauere ich sehr. Es wird der aktuellen Aufgabe nicht gerecht." Am Sonntag sind Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen.
FDP offen für Vorschläge
FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich hingegen offen für Merz' Vorschläge. Er sagte der "Bild": "Die FDP steht zu überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von Bund und Ländern konsequent durchzusetzen. Die Vorschläge von Herrn Merz zur Migration decken sich stark mit denen der FDP." Lindner bekräftigte auch: "Wir schlagen zusätzlich vor, Dublin-Flüchtlingen wie dem Täter von Solingen keine Sozialleistungen mehr in Deutschland zu zahlen, damit diese in das zuständige EU-Land ausreisen."
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte: "Alle demokratischen Parteien sind in der Verantwortung, die Gefahren des islamistischen Terrors entschieden zu bekämpfen. Da tragen Bund und Länder gemeinsam Verantwortung." Es brauche zielgerichtete Maßnahmen und echte Lösungen. Darum müsse es gehen, "nicht um die eigene Profilierung", sagte sie, ohne Merz namentlich zu nennen.
Merz: Keine Forderung nach Grundgesetz-Änderung
Merz verteidigte unterdessen seinen Vorschlag für einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan grundsätzlich - spricht nun aber nur noch von einem "faktischen Aufnahmestopp", zu dem seine Vorschläge führen würden. "Eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz fordern wir nicht", heißt es in einem vorliegenden vierseitigen "Fragen und Antworten"-Papier, das Merz an die Mitglieder des Bundesvorstands seiner Partei nach seinem Treffen mit Scholz verschicken ließ.
Der Vorstoß des Parteivorsitzenden hatte auch in der eigenen Reihen für Nachfragen gesorgt, wie ein solcher Aufnahmestopp rechtlich möglich sei. Merz hatte seine Forderung am Wochenende erhoben - kurz nach dem Anschlag von Solingen. Mutmaßlicher Täter ist ein 26-jähriger Syrer, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS. Diese reklamierte den Anschlag für sich. Der mutmaßliche Täter hätte eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber nicht geschah.