2023 feierte die Baywa ihren hundertsten Geburtstag, ein Jahr später folgte die große Krise. Nun macht der Aufsichtsrat deutlich, dass er in jeder Hinsicht einen Neuanfang will.
Der Aufsichtsrat des unter Milliardenschulden leidenden Münchner Mischkonzerns Baywa zieht personelle Konsequenzen in der Chefetage: Vorstandschef Marcus Pöllinger wird seinen Posten zum Monatsende räumen, wie das Unternehmen mitteilte. Finanzvorstand Andreas Helber wird zum 31. März nächsten Jahres ebenfalls ausscheiden. In beiden Fällen verläuft der Abschied laut Aufsichtsrat einvernehmlich. Nachfolger gibt es noch nicht, das Verfahren für die Neubesetzung dieser beiden Spitzenposten ist laut Mitteilung eingeleitet. Nun auch formell in den Vorstand einziehen wird der Unternehmensberater Michael Baur, der - bislang als Generalbevollmächtigter - seit einigen Wochen an maßgeblicher Stelle sitzt.
Aufsichtsrat will Neuanfang
Die Baywa ist der größte deutsche Agrarhändler und spielt als solcher eine wichtige Rolle für Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung, insbesondere in Süd- und Ostdeutschland. Damit machen die Baywa-Kontrolleure unter Führung des erfahrenen Genossenschaftsbankers Gregor Scheller deutlich, dass sie auch personell einen Neuanfang sehen wollen. Pöllinger gehört dem Baywa-Vorstand seit 2019 an. Vorstandschef ist er aber erst seit eineinhalb Jahren, gefördert von seinem langjährigen Amtsvorgänger Klaus Josef Lutz. Der Manager hatte einerseits das neue Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien aufgebaut und andererseits das Baywa-Agrargeschäft rund um den Globus vergrößert.
Das Unternehmen leidet nun unter einem Schuldenberg von mehr als fünf Milliarden Euro lang- und kurzfristiger Finanzverbindlichkeiten, zurückzuführen einem erheblichen Teil auf die kreditfinanzierte Expansion in der Ära Lutz. Finanzvorstand Helber ist seit 2010 im Amt. Das Abschiedsdatum im März 2025 lässt darauf schließen, dass die Aufstellung der Konzernbilanz 2024 noch unter Helbers Regie laufen soll.
Konsortialkredit belastet
2023 und auch in der ersten Jahreshälfte 2024 schrieb die Baywa Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Eine bevorstehende große Herausforderung ist das Auslaufen eines sogenannten Konsortialkredits mit einem Rahmen von bis zu zwei Milliarden Euro im September 2025. Etwa die Hälfte der hohen Finanzschulden sind kurzfristige Verbindlichkeiten, wie in den Finanzberichten des Konzerns nachzulesen ist. Insofern braucht das Unternehmen flüssige Mittel für die Banken.
Hauptaktionäre der Baywa sind die Beteiligungsgesellschaften der Genossenschaftsbanken in Bayern und Österreich. Diese haben sich mit Baywa-Vorstand und Gläubigerbanken auf eine Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe geeinigt, die Sanierung des Unternehmens wird jedoch voraussichtlich Jahre dauern - so hatte das Unternehmen selbst vor einigen Wochen mitgeteilt. Allgemein erwartet wird, dass die Baywa nach der Expansion in der Ära Lutz nun Unternehmensteile verkaufen und damit wieder kleiner werden wird.
Früherer Vorstandschef Lutz in der Kritik
Viele Aktionäre sehen Lutz - als Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags einer der prominentesten Verbandsfunktionäre der bayerischen Wirtschaft - als Hauptverantwortlichen. Dementsprechend machten etliche Anteilseigner ihrem Ärger über Pöllingers Vorgänger bei der Hauptversammlung im Juni Luft. Lutz war im Frühjahr 2023 unmittelbar aus dem Baywa-Vorstand an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt, wenige Monate aber später im Streit gleich wieder ausgeschieden. Insofern ist der Manager bei der Baywa nun außen vor. Lutz hatte der Kritik in der "Süddeutschen Zeitung" widersprochen.