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Der Mannheimer Energieversorger MVV hat angekündigt, bis 2035 aus der Gasversorgung auszusteigen. Zehntausende Haushalte müssen bis dahin ihre Heizung umrüsten. Auch andere Städte wollen weg vom Gas.
Im vergangenen Winter trifft Michael Brand eine Entscheidung, die er heute bitter bereut: Er lässt eine neue Gasheizung in sein Haus einbauen. Die alte war mitten während der Kälteperiode ausgefallen, der Schornsteinfeger drohte mit Stilllegung. Natürlich informiert sich der junge Familienvater über die verschiedenen Möglichkeiten, findet heraus, dass ein Fernwärmeanschluss bis zu neun Monate dauern kann. So viel Zeit hat Michael Brand nicht. Er entscheidet sich für eine neue Gasheizung.
Ein fataler Fehler, wie er heute weiß: "Wer hätte denn damals damit rechnen können, dass die uns jetzt die Gasleitungen kappen?" Denn in dieser Woche hat die MVV Energie, das örtliche Energieunternehmen, angekündigt, ab dem Jahr 2035 die Gasversorgung in Mannheim einzustellen. Man setze in der Zukunft auf alternative Heizformen, auf klimaneutrale Fernwärme und Wärmepumpen.
Überraschend kam der Ausstieg nicht: Ab 2045 verbietet das Gebäudeenergiegesetz fossile Energiequellen. Die Zahlen der Gas-Neuanschlüsse seien deshalb bereits seit Längerem rückläufig. Die MVV will deshalb raus aus dem Gasgeschäft, da auch die Netzentgelte immer höher werden und sich das Gasnetz irgendwann einfach nicht mehr lohnt. Überraschend ist eher der frühe Zeitpunkt: 2035, also schon in zehn Jahren, soll der Ausstieg vollzogen sein.
Auch andere Städte steigen aus Gasnetz aus
Und das sorgt für Ärger bei den Gaskunden, der sich wenige Tage nach der Ankündigung auf einer Informationsveranstaltung entlädt. "Jetzt stehe ich da und kann die Finanzierung meiner Gasheizung, die ich ungefähr auf 20 Jahre gerechnet habe, nach 15 Jahren in die Tonne kloppen", empört sich ein Bürger, und ein anderer ruft: "Das werde ich nicht kampflos geschehen lassen."
Tatsächlich bleibt dem Energieversorger MVV keine Wahl, als langfristig aus den fossilen Energiequellen auszusteigen. "Die im Sommer in Kraft getretene EU-Binnengasrichtlinie verpflichtet die Betreiber von Gasverteilnetzen, Stilllegungspläne zu entwickeln, wenn sie eine sinkende Nachfrage nach Erdgas erwarten", heißt es von der Stadt Mannheim. Das Gas-Aus trifft also nicht nur Mannheim. Auch andere Städte wie etwa Hannover, Stuttgart oder München wollen in den nächsten Jahren weg vom Gas - nur sind in Mannheim die Ansagen jetzt besonders konkret.
Steigender Gaspreis, verunsicherte Kunden
Ein Grund für das schnelle Handeln sind die Prognosen für den Gaspreis. Der soll deutlich ansteigen, spätestens 2027, wenn der CO2-Preis fürs Heizen nicht mehr - wie aktuell - festgelegt ist, sondern über den EU-Emissionshandel auf dem freien Markt gebildet wird. "Da die CO2-Abgaben auf konventionelles Gas weiter stark steigen, werden sich noch mehr Gaskunden aus Kostengründen für andere Heizformen entscheiden", prognostiziert die Stadt Mannheim. Das würde die Netzkosten für den Einzelnen wiederum stark erhöhen.
Diese Entwicklung habe er im vergangenen Jahr nicht absehen können, sagt Michael Brand. Er sei selbst kein Fan von Erdgas, finde Klimaschutz gut, aber, so sagt er: "Das geht mir alles zu schnell."
Was Michael Brand kaum trösten wird: Er ist nicht alleine. Etwa 24.000 Haushalte sind von der Umstellung im Raum Mannheim betroffen - manche von ihnen suchen Hilfe bei Michael Ebling. Der gelernte Heizungsbauer arbeitet inzwischen als Energieberater und bekommt die Unsicherheit seiner Kunden seit der Mannheimer Entscheidung täglich zu spüren. "Die Kunden sind verunsichert, bei jedem Kundentermin werde ich gefragt: Herr Ebling, was mache ich mit meiner Gasheizung?"
Ausstieg aus Klimaschutzgründen
Dass Gasheizungen nicht zukunftsfähig seien, habe sich bereits seit Jahren abgezeichnet, so Ebling. Die Entscheidung, aus der Gasversorgung auszusteigen, hält er deshalb grundsätzlich für richtig, auch aus Klimaschutzgründen. Der Mannheimer Zeitplan sei ambitioniert, aber machbar, meint er. Aber für Hausbesitzer, die ihre Gasheizung gerade erst eingebaut hätten, sei es natürlich "dumm gelaufen". Hausbesitzer also wie Michael Brand.
"Ich fühle mich veräppelt", sagt der ganz klar. In 20 Jahren habe er mit dem Gas-Aus leben können, aber nicht schon 2035. Denn da seien die 12.000 Euro für seine neue Gasheizung gerade mal abgeschrieben. Der Umstieg auf etwa eine neue Wärmepumpe könnte wieder etwa 30.000 Euro kosten - auch wenn er gut 50 Prozent der Kosten durch Förderungen zurückerhalten könnte. Wie es nun für ihn weitergeht? "Gute Frage", sagt Brand. "Die stellen wir uns jeden Tag."