Ein Milliarden-Deal mit HP hievte den Technologieunternehmer Mike Lynch auf die internationale Bühne. Später wurde er dafür verklagt. Privat hat der Milliardär durchaus spezielle Hobbys
Seit einem Bootsunglück vor Sizilien wird der britische Tech-Milliardär Micheal Mike Lynch vermisst. Seine 56 Meter lange Luxusyacht "Bayesian" war am Montag in den frühen Morgenstunden gekentert. Starker Wind hatte das Segelschiff gegen 5 Uhr in der Nähe des Hafens von Porticello bei Palermo zum Sinken gebracht.
Disclaimer CapitalAn Bord waren insgesamt 22 Menschen, darunter zwölf Passagiere sowie zehn Besatzungsmitglieder. Die meisten der Passagiere gehören laut Medienberichten zur Familie und zum Freundeskreis des Unternehmers. Küstenwache und Feuerwehr konnten 15 Menschen retten und an Land bringen, darunter laut "Financial Times" auch Lynchs Frau, Angela Bacares. Der Küchenchef des Schiffs wurde tot geborgen.
Taucher suchen seither nach den sechs Vermissten, zu denen auch die 18-jährige Tochter von Lynch gehört, genauso wie laut Nachrichtenagentur Reuters der CEO von Morgan Stanley, Jonathan Bloomer. Ebenfalls vermisst wird demnach der Anwalt Chris Morvillo, der Lynch in einem langjährigen Prozess in den USA vertreten hatte. Den Sieg des Verfahrens feierte der Außenseiter-Unternehmer auf seiner Yacht, schreibt die "Financial Times". Erst vor wenigen Wochen wurde Lynch in einem Betrugsprozess in den USA freigesprochen.
Software-Firma Autonomy an HP verkauft
Der vermisste Tech-Tycoon Lynch wird von Boulevardmedien in seiner Heimat als "britischer Bill Gates" bezeichnet. Er galt lange als einer der erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Der 59-Jährige ist Mitgründer der Softwarefirma Autonomy, die 2011 für 11 Mrd. US-Dollar (aktuell 9,94 Mrd. Euro) an den US-Konzern Hewlett Packard (HP) verkauft wurde. Das war damals der größte Deal, den ein europäischer IT-Konzern bis dahin gemacht hatte.
Die "Financial Times" beschreibt Lynch als Unternehmer, der extreme Karrierehöhen und -tiefen durchlebte. Lynch wurde nach dem Autonomy-Verkauf an HP zu einem der wenigen Chefs geadelt, die es von der Insel auf die globale Bühne geschafft haben. Die Selfmade-Software-Erfolgsgeschichte habe Lynch auch zu einem prominenten Investor in der britischen Start-up-Szene und zu einem lautstarken Verfechter dieser Szene gemacht. Lynch war externer Direktor der BBC und Mitglied des Wissenschafts- und Technologierates unter dem früheren Premierministers David Cameron, wo er auch zur Bedeutung von künstlicher Intelligenz beriet. Für seine Verdienste um das Unternehmertum wurde ihm 2006 sogar der Orden "Order of the British Empire" verliehen.
Mitangeklagter von Mike Lynch erst vor zwei Tagen gestorben
Doch schon ein Jahr nach dem Deal mit HP behauptete die US-Firma 2012, Lynch und andere Führungskräfte von Autonomy hätten den Firmenwert vor dem Verkauf um 5 Mrd. Dollar aufgebläht. Zwölf Jahre lang stritten Lynch und weitere Mitangeklagte vor Gericht gegen HP. Lynch wurde an die USA ausgeliefert, stand ein Jahr lang unter Hausarrest in San Francisco. Im Juni sprach ein Geschworenengericht Lynch und seinen Mitangeklagten Stephen Chamberlain in allen Anklagepunkten frei. Chamberlain, früher Vizepräsident der Finanzabteilung von Autonomy, starb vor zwei Tagen in Großbritannien nach einem Unfall beim Joggen, nachdem er von einem Auto erfasst worden war.
Lynch wurde 1965 in Irland geboren und wuchs bodenständig auf. Seine Mutter arbeitete als Krankenschwester, sein Vater als Feuerwehrmann. Mit elf gewann er ein Stipendium der Bancroft’s Privatschule in London, später studierte er an der renommierten Cambridge University die Fächer Physik, Mathematik und Biochemie. Seinen Doktor machte er in mathematischer Datenverarbeitung. Bei seiner Befragung im Prozess sagte er dieses Jahr, dass er als Sohn irischer Eltern so etwas wie ein Außenseiter in Großbritannien gewesen sei. Insbesondere während der politischen Turbulenzen der 1970er Jahren habe es Zeiten gegeben, "in denen man lernen musste, schnell zu laufen", zitierte ihn die "Financial Times".
Erste Firma während Promotion und mit Kredit gegründet
Seine erste Firma gründete Lynch noch während seiner Promotion in den 1980er Jahren. Dafür nutzte er dem "Guardian" zufolge einen Kredit über 2000 Pfund, den ihm der Manager einer Musikband gab. Lynch war schon damals ausgemachter Musikfan. Die Firma Lynett Systems Ltd stellte dann Audioprodukte für die Plattenindustrie her. 1991 gründete er Cambridge Neurodynamics mit, was auf die computergestützte Erkennung von Fingerabdrücken spezialisiert war.
Das Software-Unternehmen Autonomy ging schließlich 1996 an den Start. Es wurde mithilfe der Private-Equity-Gruppe Apax aus Cambridge Neurodynamics ausgegliedert. Lynch und seine Geschäftspartner David Tabizel und Richard Gaunt boten fortan anderen Unternehmen eine Software, mit denen diese, grob gesagt, den damals aufkommenden Wust an digitalen Daten sinnvoll ordnen und verwerten konnten.
Fan von Rindern und Modelleisenbahnen
2022 gewann HP in Großbritannien eine Zivilklage wegen Betrugs gegen Lynch. Beim jüngsten Betrugsprozess in den USA scheiterten die Staatsanwälte allerdings, Lynch als damaligen Vorstandsvorsitzenden von Autonomy des mutmaßlichen Betrugs zu überführen. Der "Sunday Times" sagte Lynch noch kürzlich, dass er Menschen unterstützen wolle, die zu Unrecht für Verbrechen verurteilt wurden. "Das System kann Einzelpersonen hinwegfegen", sagte er der Zeitung. "Es muss eine Gegenmöglichkeit geben, die sagt: ,Gut, die ganze Welt hält dich für schuldig, aber war das wirklich eine faire Verurteilung?'"
Privat ist über Lynch nicht allzu viel bekannt. Mit seiner Frau hat er zwei Töchter. Laut "Guardian" soll er einst gesagt haben, er schaue sich gerne Schäferhundprüfungen an und habe eine Leidenschaft für die Erhaltung seltener Tierrassen. Auf seinem Anwesen im Südosten Englands soll er eine Herde rothaariger Red-Poll-Rinder halten. Außerdem soll er eine Vorliebe für Koi-Karpfen und Modelleisenbahnen haben.