2 months ago

Migrationstalk bei Maischberger: Spahn: "Wir halten das nicht mehr durch"



Beim EU-Gipfel, der heute beginnt, wird das Thema Migrationspolitik viel Raum einnehmen. Jens Spahn plädiert dafür, die Leistungen für abgelehnte Geflüchtete drastisch herunterzufahren. Das sei am Ende ein Sicherheitsrisiko, warnt die Grüne Katharina Dröge.

Mittwochmittag. Bundeskanzler Olaf Scholz gibt im Bundestag eine Regierungserklärung ab. Dabei geht es um den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, der Donnerstag und Freitag in Brüssel stattfindet. Eines der wichtigsten Themen wird die Asylpolitik in der Europäischen Union sein. Es ist Oppositionsführer Friedrich Merz, dem auffällt, dass Scholz dieses Thema in seiner fast dreißigminütigen Rede nicht ein einziges Mal erwähnt hat. Kein Wunder: Die SPD setzt in ihrem Wahlkampf vor allem auf Wirtschaftsthemen. Was die Flüchtlingspolitik angeht, sind sich die Sozialdemokraten uneins. Am morgigen Freitag steht im Bundestag das Sicherheitspaket der Bundesregierung auf der Tagesordnung, dem die Union nicht zustimmen wird. Grund genug für Sandra Maischberger, in ihrer Talkshow im Ersten darüber mit zwei Politikern zu sprechen: mit Jens Spahn von der CDU, der in seiner Partei als Hardliner gilt, und der Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Beide eint, dass sie aus dem Münsterland kommen. Das war es auch schon.

Die Union werde dem Sicherheitspaket nicht zustimmen, weil es hinter dem zurückbleibe, was das Bundekabinett ursprünglich beschlossen habe, sagt Spahn. Er nennt zwei Beispiele: Beim Sicherheitspaket könne man Gesichtserkennung nutzen, um Islamisten zu bekämpfen und Terroristen zu finden. "Da weigern sich die Grünen", kritisiert der CDU-Politiker. In der Migrationspolitik stört Spahn, dass nach Deutschland geflüchtete Menschen sofort Sozialleistungen in einer Höhe bekämen, wie es sie fast in keinem anderen Land der Welt gebe. Spahn: "Wir halten das nicht mehr durch." Die Ampelkoalition sei nicht einmal in der Lage, für ein paar tausend Menschen Sozialleistungen zu reduzieren. Schuld daran seien die Grünen.

"Ich bin gespannt, ob es am Freitag überhaupt eine wirkliche Mehrheit der Ampel gibt. Es hat ja einen Grund, warum der Kanzler mit der Vertrauensfrage droht", sagt Spahn. Tatsächlich hatte Scholz auf der letzten SPD-Fraktionssitzung verlangt, das Sicherheitsgesetz müsse mit einer Ampel-Mehrheit vom Bundestag verabschiedet werden, "Sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen." Einige Teilnehmer der Sitzung fassten die Bemerkung des Kanzlers als Drohung auf, die Abstimmung am Freitag mit dem Fortbestand der Ampel zu verbinden.

"Was machen die Menschen dann?"

Das Sicherheitspaket ist jedoch inzwischen so abgeschwächt worden, dass ihm zumindest die Grünen zustimmen können. So sollen nur noch solche abgelehnten Asylbewerber von Sozialleistungen ausgeschlossen werden, die von einem anderen Land aufgenommen werden. Alles andere würde gegen das Grundgesetz verstoßen, in dem es heißt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." "Das gilt für jeden Menschen", sagt Katharina Dröge: "Ein Mensch, der hier lebt, muss hier auch leben können. Das heißt: Wenn der hier ist, müssen wir seine Existenz schützen. Wir dürfen ihn nicht verhungern lassen." Wer Deutschland nicht verlassen könne, dürfe nicht "auf Null gebracht" oder gar in die Obdachlosigkeit gelassen werden. Das wäre eine Politik ohne Herz und Verstand. Dröge: "Was machen die Menschen dann? Wo sollen die denn dann hin? Das wird ja am Ende ein Sicherheitsrisiko."

Spahn widerspricht und verweist auf den Vorschlag der FDP, man solle Geflüchtete ohne Bleiberecht mit "Bett, Brot und Seife" versorgen. "Das heißt Dach überm Kopf, und der tägliche Bedarf soll ja gesichert bleiben." Zudem gewähre weder das Völkerrecht noch das Grundgesetz ein Recht für geflüchtete Menschen, sich den Ort auszusuchen, wo sie leben wollten, sagt Spahn. "Dieses Recht gibt es nicht, und wir halten das auch nicht durch." Die meisten geflüchteten Menschen zöge es nach Deutschland. Aber das Land sei nicht in der Lage, alle 45 Millionen Menschen allein aus Afghanistan aufzunehmen. "Wie soll das gehen in den Kitas, in den Schulen, die jetzt schon überfordert sind, wo es jetzt schon keine Akzeptanz gibt? Wer das Asylrecht schützen will, wer eine Bereitschaft in der Bevölkerung behalten will, wer unsere Fähigkeit zu helfen erhalten will, muss irreguläre Migration bekämpfen", so Spahn: "Sonst überheben wir uns, und das passiert jetzt schon."

Natürlich weiß Spahn, dass er mit der Zahl der angekündigten geflüchteten Menschen maßlos übertreibt. Darauf weist ihn Katharina Dröge denn auch hin. Spahn wolle in Wahrheit das Recht auf Asyl abschaffen, und mit seiner Argumentation schüre er nur Ängste. "Fakt ist, dass die ersten Länder, die aufnehmen, die Nachbarländer von Afghanistan sind. Die kommen gar nicht alle nach Europa." Wer ein Bild zeichne wie Spahn, der handle verantwortungslos.

"Wir haben mit die größten Sozialleistungen, die es gibt"

Spahn will Dröge aber nicht so schnell vom Haken lassen. "In Ihrer Logik kann jeder aus diesen Ländern nach Deutschland kommen und hier soziale Leistungen und Unterstützung bekommen", beharrt der Politiker. Tatsächlich seien es jedoch eigentlich die Nachbarländer, die sich geflüchteter Menschen annehmen müssten. Wer aus Afghanistan nach Deutschland komme, sei zuvor durch ungefähr acht Länder gekommen, in denen keine Gefahr drohe. Geflüchtete Menschen würden bis zu acht Jahren in der Türkei leben und sich dann auf den Weg nach Deutschland machen, obwohl sie in der Türkei sicher gewesen seien. "Und das geht so nicht", sagt Spahn. "Wir haben mit die größten Sozialleistungen, die es gibt. Das ist auch ein Grund, warum sich Menschen aus anderen Ländern auf den Weg nach Deutschland machen. Das sehen wir auch bei Flüchtlingen aus der Ukraine. Und wir können das noch fünf oder zehn Jahre so machen, aber dann werden wir Wahlergebnisse haben, wie wir sie in anderen Ländern schon haben. Es hat keine Akzeptanz." Allerdings brauche Deutschland Migranten für den Arbeitsmarkt, aber gezielt und gesteuert.

Diese Menschen würden aber nicht nach Deutschland kommen, und zwar wegen der Willkommenskultur, die in diesem Land fehle, wirft Dröge ein. Falsch, sagt Spahn, die kämen nicht wegen der hohen Steuern und Abgaben, die sie hier zu zahlen hätten.

Man hätte Dröge und Spahn gerne weiter zugehört, aber dann ist die Zeit für das Interview schon vorbei. Am Ende bleibt eine Frage: Was passiert, wenn nach den Bundestagswahlen die Christdemokraten und die Grünen koalieren müssten? Dröge hat die Antwort: Man sei Demokrat, und da werde man schon Kompromisse finden.

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