1 day ago

Messenger-Wechsel: Matrix



Der Matrix-Client Element ist das dritte Testobjekt in dieser Serie. Am Ende druckse ich nicht herum, sondern gebe eine klare Empfehlung ab.

Serienverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Threema
  3. Signal
  4. Matrix (das ist dieser Artikel)

Bei Threema und Signal handelt es sich um zentralisierte Dienste, die unter der Fuchtel einer Schweizer Firma, bzw. einer US-Stiftung stehen. Anders ist es bei Matrix, wobei das nicht der Name eines Messengers, sondern eines Protokolls ist. Die Entwicklung von Matrix wird von Matrix.org angeleitet, einer gemeinnützigen Stiftung aus Großbritannien. Sie will aus Matrix einen offenen Standard für dezentralisierte, persistente und interoperable Kommunikation über das Internet machen.

Wer noch nie etwas von Matrix gehört hat, kann es sich ähnlich wie E-Mail vorstellen:

  • es gibt gemeinsame Protokolle (POP3, SMTP, IMAP)
  • es gibt viele Anbieter (Posteo, Mailbox.org, Proton-Mail, ...)
  • es gibt viele Client-Anwendungen (Thunderbird, Evolution, Geary, ...)

Dieser Ansatz entspricht der Idee eines freien und verteilten Internets, die leider seit 20 Jahren durch die Big-Tech Akteure (GAMAM) systematisch und nachhaltig zerstört wird. Ich stelle hier mal eine rethorische Frage:

Glaubt ihr, dass unter 20-Jährige in der Lage sind, für sich ein E-Mail-Konto einzurichten?"

Wer mehr als "Wischen" kann, sollte weiterlesen.

Konto

Wie bei E-Mail brauchst du für Matrix ein Konto bei einem beliebigen Anbieter. Die erste Anlaufstelle ist Try Matrix. Dort erwartet dich die grosse Verwirrung:

Es beginnt damit, dass die Seite nur in englischer Sprache zur Verfügung steht. Dann ist die Reihenfolge seltsam. Zuerst möchte man ein Konto anlegen und danach einen Client installieren. Auf dieser Seite werden zuerst die Client-Anwendungen angeboten. Danach wird es noch schlimmer, weil es bei "Choose a server" nicht um ein Konto geht, sondern um den Selbstbetrieb eines Matrix-Servers. Das interessiert One in a Million. Vielleicht macht es der letzte Punkt "Register an start chatting - Create an account" wieder wett?

Ja, macht er. Zur Ehrenrettung von Matrix.org muss ich sagen, dass die Stiftung es euch so einfach wie möglich machen möchte. Klickt man auf Create an account, gelangt ihr auf eine Erklärseite, die diesen Link enthält, worüber man ein Konto bei Matrix.org erstellen kann. Doch dazu später mehr.

Wie die Kapitelüberschrift nahelegt, brauchst du zuerst einmal ein Konto. Dafür musst du wissen, welche Anbieter es gibt. Hier hilft euch zum Beispiel Samuel Philipp weiter, bei dem einige GNU/Linux.ch'ler ihr Matrix-Konto haben, auch ich.

Bei Samuel findet man eine ganze Serie, die über Matrix informiert. Er selbst betreibt die Seite https://sp-codes.de/, die neben anderen föderierten Diensten auch einen Matrix-Server anbietet. Dort werden diese Provider-Listen verlinkt:

Der letzte Link funktioniert leider nur bei Vollmond 🌕 Sucht euch einen Betreiber, dessen Lokation und Intention euch zusagt. Hier ist ein fiktives Beispiel: Ina Schneider wohnt in Freiburg und fühlt sich mit ihrer Stadt verbunden. Da bietet sich der Matrix-Server freiburg.social an. Dort landet man auf einer freundlichen Einführungsseite, an deren Ende man auf Komm mit zu Matrix klicken kann:

So sehen die Anmeldeseiten von fast allen Matrix-Anbietern aus. In der Regel wird Element als Standard-Matrix-Client angeboten, was eine gute Wahl ist. Klickt man auf "Konto erstellen", sieht man das:

Nach der Eingabe von Benutzername und E-Mail-Adresse klickt man auf "Registrieren" und landet im Element-Client. Wer lieber ein Konto bei Samuel anlegen möchte, wird eine fast identische Registrierungsseite sehen:

Damit hat man eine persönliche Matrixadresse, die immer diese Form hat: @name:server, meine heisst: @ralfhersel:matrix.sp-codes.de oder als Link: https://matrix.to/#/@ralfhersel:matrix.sp-codes.de

Nun könnte man auf die Idee kommen (wie oben beschrieben), sich einfach Matrix.org als Server zu wählen. Das kann man machen, es läuft jedoch dem föderalen Gedanken entgegen. Das wäre so, als würden alle Deutschen in Bayern wohnen. Ja aber, was macht man denn, wenn der Server-Betreiber keine Lust mehr hat? Dann zieht man auf einen anderen Server um. Wie das geht, lest ihr in diesem Artikel. Stellt euch bitte die gleiche Frage für Threema und Signal. Wohin zieht ihr um, wenn die Threema GmbH Konkurs anmeldet, oder wenn Elon Musk bei der Signal-Foundation einreitet?

Client

Sobald ihr euch eine Matrixadresse auf dem Lieblingsserver geklickt habt, landet ihr fast immer in der Web-Version des Element-Clients. Es spielt jedoch keine Rolle, ob ihr Matrix im Webbrowser, auf dem Desktop oder dem Smartphone betreibt. Auf dieser Matrix-Unterseite findet ihr eine veritable Auswahl an Clients. Ich empfehle für den Desktop den Client Element und für Android den Element-Fork SchildiChat. Falls ihr lieber überall nur einen Client verwenden möchtet, dann nehmt Element.

Wem die Sache noch suspekt ist, kann sich die Liste der Organisationen anschauen, die auf Element vertrauen. Dort findet ihr: die Republik Frankreich, die deutsche Bundeswehr, die NATO und viele Weitere.

Zur Installation muss ich nichts schreiben. Die erwähnten Clients gibt es nativ oder als Flatpak oder bei F-Droid.

Sowohl bei der Struktur als auch hinsichtlich des Funktionsumfangs bietet insbesondere der Element-Client viel mehr als die Clients von Threema oder Signal. Als Beispiel dient hier der Element-Client als Flatpak auf dem Gnome-Desktop:

Struktur

Im Screenshot seht ihr drei Bereiche:

  • ganz links die Spaces
  • in der Mitte die Räume
  • rechts ist der Chat-Bereich
  • ganz rechts gibt es den Thread-Bereich, der im Screenshot ausgeblendet ist

Es gibt einen ausführlichen Artikel zur Bedeutung dieser Bereiche. Deshalb hier nur ganz kurz. Die Räume in der Mitte taugen für Einzelchats, für Gruppen und Kanäle. Die Einzelchats sind mit Personen überschrieben. Unter dem Titel Räume organisieren sich die Gruppen und Kanäle. Ausserdem können Personen-Chats und Räume priorisiert werden. Unter der Überschrift Niedrige Priorität werden ebendiese gelistet.

Wer viele Chats, Räume und Kanäle hat, kann diese in Spaces organisieren. Diese seht ihr im Screenshot ganz links. Eine mögliche Einteilung wäre z. B. Familie, Freunde, Büro, Sportverein. Eine Organisation unterhalb der Chat-Texte (rechter Bereich) sind die Threads (Diskussionsfäden bzw. -themen). Falls vorhanden, werden diese ganz rechts neben dem zugehörigen Chat-Text angezeigt. Diese Threads verhindern, dass eine Unterdiskussion zu einem Chat-Text den gesamten Chat-Verlauf zerfleddert, obwohl sich in diesem Chat nicht alle für das Unterthema interessieren.

Funktionen

Der Funktionsumfang von Element ist gross. Auf die Bedienelemente zu den Strukturen gehe ich nicht näher ein. Ihr könnt euch vorstellen, dass man Spaces, Chats und Threads erstellen, verschieben, bannen, löschen, usw. kann.

Der Chat-Verlauf ist chronologisch sortiert; bei jedem Beitrag wird die Uhrzeit angezeigt. Tage werden voneinander abgetrennt dargestellt. Bei jedem Beitrag sieht man rechts unten, wie viele Personen ihn gesehen haben und wer es ist. Auf einen Beitrag gibt es diese Reaktionsmöglichkeiten:

  • Mit einem Emoji reagieren



  • Auf den Beitrag antworten
  • Einen Thread öffnen, um über diesen Beitrag separat zu diskutieren
  • Den Beitrag anheften (pinnen)
  • Weiterleiten
  • Teilen
  • Melden
  • Rohdaten anzeigen
  • Entfernen

Bei einem neuen Beitrag (den man selbst schreibt) gibt es diese Funktionen:

  • Emojis
  • Dateianhänge
  • Sticker



  • Sprachnachricht
  • Umfragen

Die Kopfzeile eines Raums eröffnet weitere Funktionen:

Ganz rechts sieht man, wie viele Personen der Raum enthält, und man kann sich mit einem Klick die gesamte Liste der Teilnehmenden anzeigen lassen. Das i-Symbol liefert alle Details zum Raum. Mit dem Sprechblase-Icon zeigt man die Threads an (falls vorhanden) und die Kamera startet einen verschlüsselten Audio-/Video-Chat, auch in Gruppen.

Wie ihr seht, sind die Funktionen von Element reichhaltig, obwohl ich längst nicht alle beschrieben habe. Für manche Anwender:innen mag das zu viel sein. Doch auch für diejenigen, die sich einen schlichteren Client wünschen, gibt es eine (bzw. mehrere) Lösungen. Als Linux-User sind wir uns gewöhnt, dass es mehr als eine Lösung gibt, was auch auf die Matrix-Clients zutrifft. Eine einfachere Variante bietet der Client Element X. Diese Neuentwicklung ist schneller als der klassische Element-Client, bietet jedoch nur einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang, der Neueinsteiger ansprechen könnte:

Fazit

Der Titel dieser Serie ist "Messenger-Wechsel". Es geht mir nicht darum, alle denkbaren Messenger zu beschreiben, sondern nur die wirklichen Alternativen in Erwägung zu ziehen. Die Basis für meine Auswahl war Kuketz Messenger-Übersicht. Deshalb fiel meine Auswahl auf Threema, Signal und Matrix.

Wie ich bereits im Fazit zum Signal-Artikel geschrieben habe, halte ich Threema und Signal für gleichwertig. Ob man sich für den einen oder anderen entscheidet, hängt von Details ab: Brauche ich Umfragen? Welcher Organisation vertraue ich mehr? Wo tummeln sich meine Freunde? Wer zwischen den beiden zentralisierten und dem einen föderierten Messenger entscheiden möchte, sollte sich der Vor- und Nachteile bewusst sein.

Viele Fazits in Tech-Blogs enden so, wie ich es hier begonnen habe. Alle Produkte haben ihre Vor- und Nachteile; ihr müsst aufgrund eurer Präferenzen selbst entscheiden ... und so weiter. Das gibt es bei mir nicht, weshalb ich eine klare Empfehlung ausspreche. Wer den Messenger wechseln will oder sein Umfeld (Familie, Freunde, Verein, Büro) dazu bewegen möchte, dem empfehle ich Matrix mit einem passenden Client (Element oder Element X). Hier sind die wesentlichen Gründe für meine Empfehlung:

  • Ich halte das dezentrale und föderierte Modell für nachhaltiger und resilienter als das zentralistische.
  • Die Gefahr der Abhängigkeit von einem Anbieter ist bei Matrix nicht vorhanden.
  • Wer nicht in der Lage ist, sich einen Account für einen Messenger zu klicken, sollte generell die Finger von Software lassen. Die Abwesenheit von minimalen Kenntnissen darf kein Grund für bestimmte Produkte sein. (Über diesen Punkt diskutiere ich gerne mit euch).
  • Die Vielfalt der Matrix-Clients und der Funktionsumfang von Element, schlägt Threema und Signal deutlich.

Und jetzt bin ich auf eure Kommentare gespannt 😊

Titelbild: https://element.io/ (mit Änderungen)

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Matrix_(Kommunikationsprotokoll)

https://matrix.org/

https://matrix.org/ecosystem/clients/

https://www.statista.com/topics/4213/google-apple-facebook-amazon-and-microsoft-gafam/#editorsPicks

https://sp-codes.de/de/services/matrix/setup/part-1/

https://gnulinux.ch/ralfs-matrix-migration

https://flathub.org/apps/search?q=Element

https://search.f-droid.org/?q=Element&lang=de

https://gnulinux.ch/matrix-spaces-rooms-messages-threads

https://element.io/

https://element.io/blog/element-x-experience-the-future-of-element/


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