3 months ago

Meloni zwischen den Stühlen: Darum wackelt Italiens Ukraine-Kurs



Italiens Ministerpräsidentin hatte der Ukraine eine Art Nibelungentreue versprochen. Die scheint im Moment aber nicht mehr auf wirklich festem Boden zu stehen. Meloni taktiert sowohl mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl, als auch mit Blick auf die koalitionsinterne Konkurrenz namens Salvini.

Bis vor Kurzem hätte man sagen können: Zwischen Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj passt kein Blatt. Mittlerweile ist das aber nicht mehr ganz so eindeutig. Darauf zumindes deuten die letzten Auftritte und Entscheidungen von Meloni hin, sowohl auf internationalem Parkett und als auch daheim in Italien.

Da sind zum Beispiel die Windungen und Wandlungen im Rahmen der G7-Präsidentschaft, die dieses Jahr Italien innehat. In der Abschlusserklärung der G7-Staaten, die vergangenen Mittwoch am Rande der UN-Versammlung von allen unterschrieben wurde, stand im dritten Absatz: "(...) Ein Teil dieses Fonds soll der militärischen Unterstützung von Kiew dienen. Wir bleiben bei unserer solidarischen Verpflichtung, der Ukraine diese Unterstützung zu liefern."

Der zitierte Fonds ist circa 50 Milliarden Dollar schwer. Die Summe bildet sich aus den Zinsen der in Europa eingefrorenen russischen Staatsvermögen. Den Fonds einzurichten, wurde im apulischen Luxusressort Borgo Egnazia beschlossen, wohin Premierministerin Meloni die Staatspräsidenten und Regierungschefs zum G7-Gipfel Mitte Juni eingeladen hatte.

Es fehlt die "militärische Unterstützung"

Im Sommer trübte also noch keine Wolke die Solidarität Italiens der Ukraine gegenüber, Waffenlieferungen inbegriffen. Jetzt kommen aber Zweifel auf. Am Rande der UN-Generalversammlung hatte US-Präsident Joe Biden ein Treffen zu diesem Thema organisiert. Selenskyj war anwesend, genauso wie die Vertreter der G7-Staaten.

Und hier beginnen die Seltsamkeiten. Obwohl Italien die G7-Präsidentschaft innehat und Meloni vorige Woche in New York war, nahm sie an dem Treffen nicht teil. Sie reiste vorher schon ab und schaltete sich per Video aus Rom dazu.

Noch fragwürdiger erscheint aber in diesem Kontext die Zusammenfassung des New Yorker G7-Beschlusses, den Melonis Regierung veröffentlichte. Im italienischen Text fehlte jeglicher Hinweis auf die "militärische Unterstützung". Unterstrichen wurden stattdessen die finanziellen Hilfeleistungen generell, sowie gezielt die Hilfe bei der Instandsetzung der von Russland zerstörten Energieinfrastruktur und dem späteren Wiederaufbau des angegriffenen Landes.

Was will Meloni von Musk?

Auf die Frage nach den Gründen dieser Diskrepanz, gibt es keine offizielle Antwort. Bleibt also nur, die Fakten aufzulisten. Auf internationaler Ebene sind das Folgende: Meloni war vorige Woche nicht nur wegen der UN-Generalversammlung in New York, sondern auch wegen der alljährlichen Verleihung des Citizen Award durch die Denkfabrik Atlantic Council. Zu den diesjährigen Preisträgern zählte auch Meloni, als erste Frau an der Regierungsspitze Italiens.

Die Auszeichnung erweckte kein besonderes Interesse in Italien, dafür aber Melonis Wunsch, diese vom Unternehmer und Multimilliardär Elon Musk überreicht zu bekommen. Italiens Medien begannen daraufhin, in alle Richtungen zu spekulieren. So hieß es zum Beispiel, der Donald-Trump-Unterstützer Musk sei für Meloni eine Art Brücke zum ehemaligen und vielleicht auch zukünftigen US-Präsidenten. Andere wiederum meinten, Meloni hoffe, Musk werde in Zukunft für seine Unternehmen Tesla X, SpaceX und Starlink auch Italien als Standort in Erwägung ziehen.

Dass Melonis politische Gesinnung zu Ansichten und Gebaren Trumps passt, ist selbstredend. Während ihrer bisherigen Regierung musste sie sich aber mit dem Demokraten Biden arrangieren. Was eigentlich ganz gut geklappt hat. Bei einem Besuch im Weißen Haus drückte ihr der Präsident gar einen väterlichen Kuss auf die Stirne. Sie kann also eigentlich mit beiden Lagern. Und da die Zukunft ungewiss ist, pflegt sie in beiden Richtungen gute, aber distanzierte Beziehungen.

Salvini macht Druck

Bei sich zu Hause muss sich Meloni nicht selten um koalitionsinterne Spannungen kümmern. Es ist vor allem Vizepremier und Infrastrukturminister Matteo Salvini, Vorsitzender der rechtsnationalen Lega, der sie fast täglich provoziert und herausfordert. So lässt Salvini keine Gelegenheit aus, sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auszusprechen. Diese tragen nach Salvinis Meinung nur zur Eskalation bei. Meloni musste ihn mehrmals daran erinnern, dass die Bewilligung von Waffenlieferungen auch im gemeinsamen Koalitionsvertrag stehe.

Noch vehementer spricht sich der Lega-Chef dagegen aus, den ukrainischen Streitkräften zu erlauben, vom Westen gelieferte Waffen gegen Militärziele in Russland einzusetzen. Eine Position, die die meisten italienischen Parteien teilen. Doch Salvini ist eben Teil der Regierung und mit seiner Lega direkter Konkurrent der Meloni-Partei Fratelli d'Italia. Der lange Zeit bekennende Putin-Fan Salvini wittert bei Melonis bisheriger Ukraine-Solidarität eine offene Flanke.

Eigentlich wollte sich Meloni als konservative und verlässliche Politikerin in Europa und in den transatlantischen Beziehungen etablieren, jeglichen Verdacht von Rechtsradikalismus von sich weisen. Im Moment sitzt sie aber zwischen den Stühlen. Und so könnte die US-Präsidentschaftswahl im November zum Befreiungsschlag und Wegweiser werden.

Meloni könnte sich - je nachdem, ob die Demokratin Kamala Harris oder der Republikaner Trump gewinnt - entscheiden, ob sie sich weiter konservativ-gemäßigt geriert oder doch lieber radikal. So könnte der Ukraine im Ringen mit Russland nicht die US-Unterstützung abhandenkommen - sondern auch die mindestens symbolisch wichtige Solidarität Italiens.

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