Im Streit um das Sondervermögen hat sich Friedrich Merz mit den Grünen auf einen Kompromiss verständigt. Zu einem hohen Preis. Es sollte ihm eine Lehre sein.
Ein lustiger Postkarten-Spruch lautet: "War der heutige Tag wirklich nötig?" Ein in Schrift gegossener Seufzer, der vielen Menschen nach einem Tag voller Widrigkeiten vertraut erscheint.
Für die Politik könnte man ab heute Plakate drucken: "War diese Woche wirklich nötig?" Dabei scheint die Sache ja gut ausgegangen zu sein. Nach Tagen des zähen Ringens zwischen Grünen, SPD und Union um das von Schwarz-Rot geplante Sondervermögen und einer Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse, konnten die Verhandlungspartner am frühen Freitagnachmittag eine Einigung verkünden.
Das ist gut fürs Land und gut für Friedrich Merz – nicht nur, weil seine Chancen auf die Kanzlerschaft gestiegen sind, sondern weil er wieder etwas dazugelernt hat. Für die Möglichkeit, in Deutschlands Zukunft und Sicherheit zu investieren, bezahlt Merz noch einmal eine ordentliche Summe politisches Lehrgeld.
Friedrich Merz fehlte die richtige Strategie
Noch am Donnerstag hatten sie sich im Plenum des Bundestags beschimpft. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf in einer scharfen Rede Friedrich Merz vor, nicht an das Land, sondern nur an sich selbst zu denken. Merz hatte gekontert und die Grünen als undankbare Gesellen (und Gesellinnen) dargestellt, die den Hals nicht voll bekommen.
Stellten sich quer: Grünen-Fraktionschefinnen Katharina Dröge (mi.) und Britta Hasselmann (re.)
Danach wurde weiterverhandelt, bis tief in die Nacht – und Merz musste draufzahlen. Das Ergebnis sieht nach einem weitgehenden Sieg für die Grünen aus. Statt 50 Milliarden Euro sollen nun 100 Milliarden Euro des Sondervermögens in den Klimatransformationsfonds fließen, das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 soll im Grundgesetz verankert werden.
Auch die von den Grünen geforderte "Zusätzlichkeit", die besagt, dass alle Ausgaben aus dem Sondervermögen tatsächlich zusätzliche Investitionen sein müssen, wird im gemeinsamen Änderungsantrag festgeschrieben. Damit wollten die Grünen verhindern, dass Union und SPD mit dem Extrageld Wahlgeschenke finanzieren.
Die Union dürfte damit zufrieden sein, dass die Laufzeit des Sondervermögens von zehn auf zwölf Jahre verlängert wurde, also faktisch weniger Geld pro Jahr zur Verfügung steht. Die Festlegung, dass die Verteidigungsausgaben ab einem Prozent von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen und nicht, wie ursprünglich von den Grünen gefordert ab 1,5 Prozent, bleibt.
Nach der Einigung ist vor der Abstimmung
Für die SPD dürfte es der wichtigste Sieg sein, dass das Sondervermögen überhaupt kommt und sie nicht gezwungen sein wird, aufgrund von Haushaltssparzwängen in den kommenden vier Jahren permanent sozialen Grausamkeiten zuzustimmen.
Es ist kein spektakulärer Kompromiss, sondern einer, der schon früher und mit deutlich weniger öffentlichen Anfeindungen zwischen Grün und Schwarz hätte gefunden werden können. So durfte die Öffentlichkeit eine Woche lang mitzittern, ob "die da oben" es am Ende vielleicht doch nicht hinbekommen. War das nötig?
Ein Anderer als Merz fand den richtigen Ton
Für Friedrich Merz sollte das die große Lehre sein, wenn er als Kanzler reüssieren will: Er muss lernen, die Dinge vom Ende her zu bedenken. So, wie es Angela Merkel immer für sich in Anspruch genommen hat. Konkret: Ab dem Moment, als klar war, dass Union und SPD für ihre ambitionierten Pläne die Grünen brauchen, hätte er diskret den Austausch auf Augenhöhe suchen und Zugeständnisse anbieten können. So war es ausgerechnet der sich als Grünen-Hasser gerierende CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der in den festgefahrenen Gesprächen mit den Grünen den richtigen Ton getroffen haben soll, um das Ganze doch noch zu einem guten Ende zu bringen. Er ist eben schon etwas länger im Geschäft als Friedrich Merz.
Grüne trieben die eigenen Leute auf die Palme
Aber auch die Grünen müssen sich Kritik gefallen lassen. So verständlich ihr Furor war, dass sie nun einem Vorschlag zustimmen sollten, der ursprünglich von einem der ihren, Robert Habeck, stammt, aber von Friedrich Merz und der Union stets blockiert wurde, so gefährlich war ihre Strategie, die eigenen Leute mit der demonstrativ-trotzigen Blockade maximal auf die Palme zu treiben.
Denn von dort mussten sie herunterkommen, damit Sondervermögen und Schuldenbremsenausnahme am kommenden Dienstag im Bundestag auch die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen. Würden alle Abgeordneten von Grünen, SPD und Union dafür stimmen, gingen die Vorhaben mit 31 Stimmen mehr als nötig durch. Bedenkt man, dass eine vollständige Anwesenheit wegen Krankheit oder anderer persönlicher Verhinderung nie ganz gegeben ist und dass zusätzlich rund 200 Abgeordnete dieser drei Fraktionen ausscheiden und damit auch nicht mehr per Fraktionsdisziplin "steuerbar" sind, wird die Abstimmung zur hochriskanten Angelegenheit.
Gut möglich, dass Union und SPD am Ende nackt da stehen. Den Schaden hätte dann nicht nur Friedrich Merz, der als schwacher Kanzler starten würde. Sondern alle, denen die von den Rändern bedrohte Demokratie noch am Herzen liegt.