Donald Trump hätte hinter Gittern sterben können. Stattdessen kehrt er zurück ins Weiße Haus. Ist der Maga-Lord unantastbar?
"Ich könnte mich mitten auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren, ok?" Nachdem Donald Trump dies im Wahlkampf 2016 öffentlich behauptete, war das Internet voll. Kommentarspalten quollen über, eine Meme-Flut schwappte über die Sozialen Medien hinweg. Damals gab es sie noch, die Fassungslosigkeit über das vermeintlich Unsagbare.
Lang ist’s her. Heute würde die Empörung nach einer solchen Aussage weniger daher rühren, dass Trump solchen Unsinn von sich gibt, sondern dass es womöglich gar keiner ist. Denn eine Amtszeit, 30.573 Lügen (die "Washington Post" hat mitgezählt), einen Kapitolsturm und dutzende Gerichtstermine später stellt sich die Frage: Ist Donald Trump, der in zwei Wochen zum 47. Präsidenten der USA vereidigt wird, überhaupt noch haft- oder schon unantastbar? 6.11.: FS Trumps juristische Probleme 9:44
Der Kapitolsturm – ein "Tag der Liebe"
Als am 6. Januar 2021 Tausende moderne Fackelträger gewaltsam das Herz der westlichen Demokratie stürmten, tat der Mann, in dessen Namen sie dieses Verbrechen begingen, der sie angestachelt hatte "wie der Teufel" zu kämpfen, stundenlang genau: nichts. Fünf Menschen verloren ihr Leben, das Symbol der amerikanischen Demokratie seine Würde. Statt als Verräter, mindestens am eigenen Amt, vielleicht am eigenen Land gebrandmarkt zu werden, suhlte sich Trump in der selbsterdachten Opferrolle.
Exakt vier Jahre später feiert er mit der offiziellen Bestätigung seines Wahlsiegs das laut CNN "erstaunlichste politische Comeback in der Geschichte der USA" und schwelgt in Erinnerungen. An einen "Tag der Liebe", wie er den Kapitolsturm nennt. Er verspricht am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit den Posterboys und -girls des Angriffs Absolution (der stern berichtete). Sich selbst eingenommen. Weil die Anklage (unter anderem wegen Verschwörung) gegen ihn auf Bundesebene läuft, kann und wird Trumps designierte Justizministerin Pam Bondi sie einfach einstellen. "Ist das Gesetz jetzt für Idioten?", fragte sich das US-Magazin "Slate" Anfang Dezember. Kapitol Sturm FS-Jubiläumsausgabe 12.37
Donald Trump 2.0 – eine absolute Präsidentschaft?
Trump wollte nicht bloß wiedergewählt werden, um Rache an seinen Feinden zu nehmen, sondern um nicht hinter Gittern zu sterben. Der 78-Jährige muss sich in derart vielen Prozessen verantworten, da schien es zwischenzeitlich durchaus realistisch, dass er seinen Lebensabend im orangenen Overall verbringen würde. Seine Rückkehr ins Weiße Haus ist am Ende eine "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte.
Doch nicht nur sein neuer Job schützt ihn vor amerikanischen Gardinen. Im Sommer hatte das von Trump mehrheitlich mit Ultrakonservativen bestückte Oberste Gericht dem US-Präsidenten rückwirkend quasi einen Blankoscheck ausgestellt. Die Angst vor den Konsequenzen seines Handelns könnte das Staatsoberhaupt schließlich sonst einengen, so die krude Begründung.
Selbst vom Ausgang des New Yorker Schweigegeldprozesses, in dem Trump bereits in 34 Punkten schuldig gesprochen wurde und aus dem er sich nicht mit dem Supreme-Court-Urteil rauswinden konnte, hat er im Grunde nichts mehr zu befürchten. Am Freitag will Richter Juan Merchan das Strafmaß nach zweimaligem Verschieben endlich verkünden. Allerdings hat er bereits erklärt, den designierten Präsidenten davonkommen lassen zu wollen. Das sei nunmal "die gangbarste Option".
Jetzt, da seine Freiheit gesichert ist – was stellt er damit an? Kommentar Elon Musk regiert Donald Trump 18:18
Eine Partei, ein Patriarch
Trump ist faul geworden. Nicht, dass er sich je groß Mühe gemacht hätte, zwischen Gedachtem und Gesagtem einen Filter zu installieren. Doch schon vor seiner großen Einweihungsparty am 20. Januar gibt er nicht einmal mehr vor, Recht und Gesetz zu achten. So liebäugelt er bereits vor Beginn seiner zweiten mit einer illegalen dritten Amtszeit und stellt das verfassungsmäßige Geburtsrecht auf US-Staatsbürgerschaft in Frage. Was seine Allianz mit Trollkönig Elon Musk hervorbringt, daran dürften Verfassungsrechtler bereits vorab verzweifeln.
Bei seinem ersten Durchgang war Trump noch der Elefant im Porzellanladen. Auf Rollschuhen. Völlig unvorbereitet, überrascht vom eigenen Triumph. Jetzt, beim zweiten Versuch, weiß er ganz genau, was er zertrümmern und wen er brechen kann. Trump wird auch deshalb der vermutlich mächtigste Präsident der US-Geschichte, weil ihm nicht einmal mehr eine Gegenbrise aus den eigenen Reihen droht. Die in beiden Parlamentskammern überlegenen Republikaner, die einst stolze Grand Old Party, ist zu einem Haufen höriger Höflinge verkommen. Der seltene und wenn doch halbherzige Widerstand gegen Trumps teils absurde Kabinettsnominierungen ließ tief blicken. Genauso die Tatsache, dass Trump, ein Nicht-Vereidigter, und dessen Ziehsohn Musk, ein Nicht-Gewählter, das Land per Tweet fast in die Haushaltskrise gestürzt hätten – weil die Abgeordneten in ihrer Beflissenheit, dem Patriarchen zu gefallen, über ihre eigene Haltung stolperten.
Immerhin, das renommierte Magazin "Atlantic" hat Hoffnung. "Sicher, das Gesetz ist kein Zauberstab, der Amerika retten kann – aber es ist auch nicht völlig nutzlos", schreibt Autorin Quinta Jurecic. Bleibt abzuwarten, ob das gegen Du-weißt-schon-wen reicht.