3 months ago

Meinung: Allianz-Chefin tritt für die Kinder zurück: Das macht wütend und glücklich



Katja de la Viña, Chefin der Allianz Lebensversicherungs-AG, tritt zurück, weil sie mehr Zeit für ihre Kinder will. Unsere Autorin lässt das ratlos zurück.

Es tut ein bisschen weh zu lesen, was diese fremde Frau da auf Linkedin schreibt. Katja de la Viña war über zwei Jahre lang Chefin der Allianz Lebensversicherungs-AG. "Ich liebe meinen Job als CEO", schreibt sie nun. Und etwas später: "Aber ich liebe auch meine Kinder und ich habe als Mutter eine Entscheidung getroffen." Sie möchte mehr da sein für die Kinder, das sei schwer mit Pendelei und Dienstreisen zu vereinbaren. Sie schreibt von einer der schwersten Entscheidungen in ihrem Leben und dann, dass sie zurücktritt.

Und man liest das und fragt sich: Ist das wirklich nötig?

Und dann gleich: Wer könnte es ihr verübeln?

Die meisten Leute werden in ihrem Leben noch nie von Katja de la Viña gehört haben. Sie kennen ihre privaten Lebensumstände nicht, vermutlich können sie nicht einmal einschätzen, ob sie ihren Job gut gemacht hat oder nicht. Aber irgendwie macht es etwas mit uns, wenn wir hören, dass eine Frau in mächtiger Position zurücktritt – ausgerechnet für die Familie. 

Da ist ein bisschen Wut über das, was wir als ihre Schwäche wahrnehmen. Wut aber auch auf die ganzen Väter in Vorstandsetagen, die offenbar kein Problem mit Pendelei und Dienstreisen haben. Da ist Enttäuschung, dass es immer noch so schwer ist, eine Führungs- und eine engagierte Elternrolle miteinander zu vereinbaren. Da ist auch ein bisschen Freude, dass sie nun mehr Zeit für ihre Kinder hat. Wer würde sich nicht gerne mehr Zeit für die wichtigen Menschen im Leben nehmen?

Es sind nicht die Frauen, es sind die Mütter

Das Problem: So nachvollziehbar die Entscheidung von Katja de la Viña individuell ist, so sehr ist sie eine gesellschaftliche Katastrophe. Denn die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ist in Wahrheit oft schon längst keine Diskriminierung von Frauen mehr. Es sind die Mütter, die vom Aufstieg, vom besseren Gehalt, von der Macht ferngehalten werden. Und zwar nicht, weil diese Gesellschaft Mütter hasst, sondern weil es eben Dinge gibt, die nicht mehr so leicht zu machen sind, wenn man sich um ein Baby oder Kleinkind kümmern muss. STERN C Erwerbstätigkeit IV 08.39

Die Weihnachtsfeier, bei der man den Chef nach dem dritten Bier mal wirklich kennenlernt? Schon wieder ein Babysitter. Die spontane Dienstreise, auf der man den Deal endlich abschließt? Kompliziert. Das wirklich wichtige Kundengespräch? Kita hat zu, alle krank.

Man kann es sich einfach machen und sagen: Das gilt doch für Väter alles genauso. Aber die Realität ist eben eine andere, für viele Väter gilt es nicht genauso. Das zeigen alle Studien zum Thema.

Allianz-Chefin lässt Ratlosigkeit zurück

Daraus lassen sich unterschiedliche Dinge ableiten: Wir müssen Jobs, und zwar explizit auch Führungsjobs, familienfreundlicher machen! Aber ist das bei allen Jobs möglich? Wir müssen die Kitas ausbauen und Väter mehr einbinden! Aber möchte man nicht einfach trotzdem gerne ausreichend Zeit mit seinen Kindern? Und manche werden vielleicht auch sagen: Organisiert euch eben besser, liebe Mütter, das ist doch alles nur eine große Jammerei. Aber lässt sich diese Meinung wirklich aufrechterhalten, wenn man echte Mütter in Führungspositionen erlebt?

Und deshalb ist da Wut, Enttäuschung und Freude, wenn man den Post von Katja de la Viña liest. Vor allem ist da aber ein Gefühl: große Ratlosigkeit.

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