4 months ago

Masala bei Maischberger: "Das sind keine guten Aussichten für die Ukraine"



Militärexperte Carlo Masala blickt anlässlich der erfolgreichen Operation der russischen Armee im Donbass pessimistisch auf mögliche Friedensverhandlungen. Womöglich müsse die Ukraine mit der Aussicht auf Gebietsverluste an den Verhandlungstisch gehen, sagt er bei "Maischberger".

Das hatte sich der ukrainische Präsident Selenskyj womöglich einfacher vorgestellt: Die ukrainische Armee besetzt ein russisches Gebiet, der Westen erlaubt den Einsatz westlicher Waffen in Russland, und alles wird gut. Doch vielleicht hat er zu hoch gepokert. Wie die aktuelle Situation im Ukrainekrieg aussieht, erläutert am Dienstagabend Militärexperte Carlo Masala bei Sandra Maischberger in der ARD.

Russischer Vormarsch im Donbass

"Der Vorteil liegt momentan im Donbass eindeutig bei der russischen Armee", sagt Masala. Dort komme die russische Armee im Moment schneller voran, allerdings unter großen Verlusten. Die ukrainischen Einheiten dort seien nur noch zu 25 bis 30 Prozent besetzt, vor allem mit Soldaten ab vierzig Jahren, die schon lange an der Front und ausgezehrt seien.

Im Moment versuche Russland, die Stadt Pokrowsk zu erobern, sagt Masala. "Pokrowsk ist ein logistischer Knotenpunkt. Von dort gibt es eine Straße, die zu der nächstgelegenen größeren Ortschaft führt. Und von dort wird die komplette Logistik der Ukrainer im Südost-Donbass abgewickelt." Würde die russische Armee diese Straße besetzen, habe die Ukraine ein unglaubliches logistisches Problem, das die Kampfkraft der Einheiten im Südost-Donbass in Frage stelle. Masala: "Wenn nichts Dramatisches passiert, gehe ich davon aus, dass Pokrowsk fallen wird."

Auch in der von der Ukraine besetzten russischen Region Kursk sieht es offenbar düster aus. Mit der Besetzung habe der ukrainische Präsident Selenskyj das "strategische Narrativ" verändern wollen. Das sei ihm auch gelungen. Masala: "Also man zeigt, man kann Offensivoperationen, und Kursk wird bis heute gehalten. Man erhoffte sich und erhofft sich noch immer, dass es einen Zeitpunkt gibt, in dem die Russen ihre Einheiten aus dem Donbass zurückverlegen müssen." Das sei bis jetzt aber noch nicht passiert. Mittlerweile habe der russische Präsident Putin das Ziel ausgegeben, die Region bis zum 1. Oktober zurückzuerobern. Wenn das nicht klappt, könnte die russische Armee tatsächlich gezwungen sein, Einheiten aus dem Donbass abzuziehen.

Doch die Ukraine habe mit der Besetzung der Region Kursk einen weiteren Schritt verfolgt: Die Erlaubnis der europäischen Staaten, westliche Waffen auch in Russland einzusetzen. Die sei jedoch noch nicht erfolgt, außer von den Niederlanden, stellt Masala fest. Allerdings könnte sich eine Veränderung anbahnen. Angeblich will US-Außenminister Blinken am Mittwoch mit seinem ukrainischen Amtskollegen in Kiew über den Einsatz amerikanischer ATACMS verhandeln. Das sind Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 300 KM. Hintergrund ist die Lieferung ballistischer Raketen aus dem Iran an die russische Armee. Das könnte eine Veränderung bei der Kursk-Operation bringen, die Masala eine "Hochrisiko-Operation" nennt. Doch sollte sich das Gerücht der Waffenlieferungen nicht bestätigen, fürchtet Masala: "Wenn Kursk verloren geht, wenn im Donbass weiter vorgegangen wird, dann muss die Ukraine irgendwann mal sagen, wir gehen an den Verhandlungstisch und akzeptieren, dass die Ukraine die von Russland besetzten Regionen auf Dauer verliert."

Mögliche Friedensverhandlungen

B undeskanzler Scholz hatte am Sonntag in einem Interview Friedensgespräche mit russischer Beteiligung zum Thema gemacht. Masala vermutet, Scholz wolle damit Punkte bei den Landtagwahlen in Brandenburg sammeln. Hinzu komme aber auch: Das Ergebnis der Friedenskonferenz in der Schweiz sei eine weitere Konferenz mit russischer Beteiligung gewesen, möglicherweise in Indien. "Das bedeutet aber nicht, wir werden jetzt die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen", sagt Masala. "Scholz verlangt einen Waffenstillstand, das hat er ja noch nachgeschoben am Montag. Und Andrij Melnyk, der jetzt Botschafter in Brasilien ist, fordert die Ausweitung der Militärhilfe unter Einschluss der berühmt-berüchtigten Taurus. Er verfolgt die Logik, die sagt, das Schlachtfeld bestimmt die Politik, nicht umgekehrt."

Was die Friedensgespräche bringen und wann sie stattfinden könnten, weiß Masala natürlich nicht. Aber der Experte ist sich sicher, dass sie erst nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten ins Rollen kommen, möglicherweise sogar erst nach der Inauguration des nächsten Präsidenten oder der nächsten Präsidentin der USA.

Klar scheint für Masala jedenfalls eins zu sein: Ein Sieg, bei dem die Ukraine ihr gesamtes Staatsgebiet wieder zurückbekommt, liegt in weiter Ferne. "Das sind keine guten Aussichten für die Ukraine", sagt der Experte.

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