Marco Minniti, früherer Innenminister Italiens, lobt im stern-Gespräch Giorgia Melonis guten Draht zu Donald Trump und erklärt, warum Meloni auch für Trump besonders wichtig sei.
Italiens Ministerpräsidentin Meloni war als eine von wenigen Regierungschefs bei der Amtseinführung Donald Trumps zugegen, vor knapp zwei Wochen hatte sie Donald Trump bereits in Florida getroffen. Kurz nach diesem Besuch kam die im Iran inhaftierte italienische Journalistin Cecilia Sala frei. Im Gegenzug musste Italien einen iranischen Geschäftsmann freigeben, der wegen Waffenschmuggels für die Revolutionsgarden von den USA mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Wenige Tage später wurde die Deutschiranerin Mariam Claren aus demselben Teheraner Gefängnis entlassen – offenbar ohne eine Gegenleistung.
Herr Minniti, hat Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni einen schlechteren Deal verhandelt als die Bundesregierung?
Nein. Wenn das Leben eines Menschen in Gefahr ist, muss die Regierung alles tun, um diesen Menschen zu retten und nach Hause zu bringen. Im Fall von Cecilia Sala hat Meloni es richtig gemacht, Kontakt zum iranischen Präsidenten aufzunehmen. Die Rückkehr der Journalistin war Melonis persönlicher Erfolg.
Wie ist ihr das gelungen?
Die Verhandlungen liefen zwischen drei Ländern ab: Italien, dem Iran und den USA. Es war wichtig, die USA dabei nicht vor den Kopf zu stoßen. Und das ist gelungen. Es war schwierig, weil die USA gerade in einer Übergangsphase sind von der Regierung Biden zum neuen Präsidenten Trump. Meloni musste beide mit einbeziehen. Deshalb ist Meloni auch zu Trump nach Florida gereist, um mit ihm über die Freilassung zu sprechen.Meloni Trump Zur Person Minniti
Hat Trump Meloni grünes Licht gegeben, den terrorverdächtigen Iraner in Mailand laufen zu lassen?
Nein. Aber er hat sich nicht dagegengestellt. Das ist ein feiner Unterschied. Trump konnte diese Haltung einnehmen, da er noch nicht im Amt war. Es war ein bisschen so, als hätte Meloni Trump um Rat gefragt oder ihn um seine Meinung gebeten. Dass Trump noch nicht im Amt war, hat es ihm viel leichter gemacht. Deshalb war es für Italien so wichtig, noch vor dem offiziellen Regierungswechsel am 20. Januar zu einer Lösung zu gelangen.
Erstaunlich war, dass die Iraner ihre italienische Geisel ziehen ließen, bevor der in Italien inhaftierte Iraner freikam.
Wenn die Iraner sich nicht darauf eingelassen hätten, wäre es viel schwieriger gewesen. Mohammad Abedini, der terrorverdächtige Iraner, wurde erst vier Tage nach ihr freigelassen. Vonseiten Teherans war das schon ein großer Vertrauensbeweis Italien gegenüber.
Trump gilt als Hardliner gegenüber dem Iran. Hat er Meloni einen Gefallen tun wollen oder ist er jetzt offener gegenüber Teheran?
Das stimmt. Er hat 2020 den Befehl gegeben, Qassem Suleimani, einen der wichtigsten militärischen Kommandeure des iranischen Regimes, von einer US-Drohne in Bagdad töten zu lassen. Und er hat das Atomabkommen mit dem Regime in Teheran aufgekündigt. Aber die Welt von heute ist komplizierter als zu seiner ersten Amtszeit. Trump sieht ein, dass er auch mit seinen Feinden in den Dialog treten muss. Andererseits hat er eine gute Beziehung zu Meloni. Sie ist für ihn auch deshalb eine wichtige Partnerin in Europa, weil die Regierungen der anderen großen Staaten wie Deutschland und Frankreich gerade in politischen Schwierigkeiten sind. Meloni ist Trumps wichtigste Türöffnerin in Europa. Aber sie ist auch noch aus anderen Gründen für ihn wichtig.
Was könnte Meloni Trump bieten?
Da Italien jetzt eine stabile Regierung hat und aufgrund seiner geografischen Lage im südlichen Mittelmeerraum, an der Schnittstelle zwischen dem Westen und dem globalen Süden, könnte Meloni auch künftig eine Rolle als Vermittlerin zukommen. Dass der Iran bei der Freilassung Salas Italien vertraut hat, ist womöglich ein erstes Zeichen dafür, dass Teheran Italien in dieser Rolle sieht, zwischen den Interessen des Iran, des Westens und Amerikas zu vermitteln.
Hat der Iran Interesse an einer solchen Vermittlung?
Das alte Regime des geistlichen Führers Ajatollah Khamenei geht seinem Ende entgegen. Es steckt in einer großen Krise. Militärisch hat es an Macht eingebüßt. Irans Stellvertretermilizen wie die Hisbollah im Libanon sind von Israel zurückgedrängt worden. Teherans Anspruch, eine Schlüsselrolle in der Region zu spielen, ist zerbrochen. Und im eigenen Land wächst der Druck gegen die Machthaber. Massoud Pezeshkian, der neue iranische Präsident, wiederum ist zu Reformen bereit, kann aber gegen die noch bestehende theokratische Herrschaft nichts ausrichten. Das könnte sich bald ändern. Das Land steht vor der Wahl, sich abzuschotten oder nach vorn zu gehen und in einen Dialog mit der internationalen Gemeinschaft einzutreten. Deshalb sollten wir die Entwicklungen im Iran mit demselben interessierten und auch skeptischen Blick verfolgen, wie wir das bei den neuen Machthabern in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes tun. Iran Russland Abkommen Analyse 13:26
Der Nahe Osten ist im Umbruch. In Libyen konzentrieren sich nun russische Militäreinheiten, die von Syrien nach dem Sturz Assads abgezogen worden sind. Wird das Land gerade zu Russlands neuem Vorposten am Mittelmeer?
Die Zukunft der russischen Militärstützpunkte in Syrien ist ungewiss. Putin wird sie jedenfalls nicht einfach aufgeben. Aber ich rechne damit, dass Russland versuchen wird, auch im Osten Libyens einen eigenen Flottenstützpunkt aufzubauen.
Russland nutzt bereits mehrere Militärflughäfen in Libyen und ist dabei, einige davon auszubauen. Offenbar hat Moskau in den vergangenen Wochen Truppen, Kampfjets und Material von seinen Basen an Syriens Küste dorthin verlegt. Was bedeutet das für Europa?
Das ist ein Problem für uns. Ich hoffe, dass Europa nicht wegschauen wird. Wir müssen verstehen, dass die Bedrohung, die von Libyen ausgehen kann, genauso groß für uns ist wie die, die vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgeht.
Sie kennen Libyen aus Ihrer Zeit als italienischer Innenminister und Geheimdienstkoordinator. Welche konkreten Gefahren gehen von der verstärkten Präsenz Russlands dort aus?
Erstens ist Libyen für Europa ein wichtiger Energielieferant. Wenn Libyen unter russischen Einfluss kommt, würde es sehr problematisch für uns, von dort weiter Öl und Gas zu beziehen. Wir sind jedoch auf Energie-Importe angewiesen. Zweitens spielt Libyen eine zentrale Rolle bei der Migration. Unter russischem Einfluss könnten die Migrationsströme gezielt gesteuert werden, um auf Europa Druck auszuüben.
Wie akut sind diese Gefahren?
General Khalifa Haftar, der Machthaber im Osten Libyens, wo Russland gerade seine Militärpräsenz ausbaut, war selbst schon einige Male zu Besuch in Moskau. Mit der Verlegung russischer Militärinstallationen aus Syrien nach Libyen wird diese Allianz weiter gestärkt.
Wie kann Europa gegensteuern?
Es muss mit allen Protagonisten vor Ort sprechen.
Auch mit Warlords wie Haftar? Wir haben doch in Syrien gerade erlebt, wie schnell solche Machthaber ins Wanken geraten können.
Die europäische Politik hat den Nahen Osten und Afrika seit Langem vollkommen außer Acht gelassen. Diese Regionen erschienen den Europäern schlicht nicht als wichtige Schauplätze. So konnten die Russen ihren Einfluss im Osten Libyens ausbauen. Und die Türkei im Westen des Landes. Mit dieser De-facto-Teilung des Landes darf Europa sich nicht abfinden. Es liegt in unserem Interesse, dass es in Libyen Stabilität und eine demokratische Entwicklung mit freien Wahlen gibt. Schon 2017 hat die EU zugesagt, sich dafür einzusetzen. Doch die Libyer warten noch immer.
Was auch daran liegt, dass in Libyen verschiedene europäische Staaten gegeneinander gearbeitet haben, statt an einem Strang zu ziehen, allen voran: Frankreich und Italien.
Die EU muss Mehrheitsentscheidungen einführen, um handlungsfähig zu sein, und militärische Schlagkraft entwickeln. Europa täte gut daran, Trumps Druck auf die Nato-Partner, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben, nicht als Zumutung zu betrachten, sondern diese Herausforderung anzunehmen. Wenn Europa nicht zu politischer Einheit findet, werden die Einzelstaaten der EU auf Dauer kaum noch eine Rolle in der Welt spielen können.