FDP und CDU, das war mal die große Liebe der deutschen Parteienlandschaft. Doch längst ist es vorbei mit der Romanze. Eine Zweitstimmen-Kampagne der FDP wird die Union nicht hinnehmen. Daran sind die Liberalen gewissermaßen selbst schuld.
Nach Lehrbuch ist die Fünfprozenthürde ganz einfach: Parteien müssen bei der Bundestagswahl fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen, um in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. So soll der Bundestag schön übersichtlich bleiben und ein Klein-Klein und Durcheinander wie in der Weimarer Republik vermieden werden.
Aus der Perspektive von Mitgliedern und Unterstützern der FDP sieht die Lage anders aus. Dann ist allein der Begriff "Hürde" die Beschönigung des Jahres. Die Fünfprozenthürde türmt sich vor den Augen der Freidemokraten auf, wie eine nackte, turmhohe Mauer ohne Leiter. Und das gerade jetzt, rund 80 Tage vor der Wahl am 23. Februar. Wie sollen sie es schaffen, da herüberzukommen? Vor allem, wenn die Partei im neuen Trendbarometer von RTL und ntv auf drei Prozent zurückgefallen ist?
Und das bei dem Zustand der Partei. Wäre sie ein Auto, ein Reifen wäre platt, eine Tür würde fehlen und die Windschutzscheibe hätte einen dicken Steinschlag. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann traten wegen der "D-Day"-Affäre zurück und vorher ging schon Verkehrsminister Volker Wissing von der Fahne. Statt wie die anderen Minister nach der Entlassung Christian Lindners sein Amt niederzulegen, verließ er die FDP und blieb als Parteiloser in der rot-grünen Minderheitskoalition.
Erststimme CDU, Zweitstimme FDP, das war einmal
Früher gab es für die Liberalen zumindest einen Lichtblick, wenn es nicht lief - Schützenhilfe von CDU und CSU. In der guten alten Bundesrepublik ging das so: Die CDU warb vor allem für die Erststimmen, die FDP für die Zweitstimmen. Auf die sind die Liberalen angewiesen. Wahlkreise, für die die Erststimmen ausschlaggebend sind, gewinnen sie eigentlich nie - zuletzt vor 34 Jahren in Halle an der Saale. Das ist unterscheidet die FDP auch etwa von der Linken, die voll auf Direktmandate setzt.
Das alte Wahlrecht ermöglichte der CDU diese Großzügigkeit. Die Zweitstimme bestimmte zwar, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekam. Aber ein gewonnener Wahlkreis war ein gewonnener Wahlkreis. Heißt: Der Sitz war in jedem Fall sicher - notfalls wuchs der Bundestag um genau diesen Sitz. "Überhangmandate" nannte man das.
Doch die gibt es nicht mehr. 2023 reformierte der Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP das Wahlrecht. Die Überhangmandate hatten überhandgenommen. 734 Abgeordnete tummelten sich auf den Fluren. Der Bundestag sollte kleiner werden, künftig sollen es nur noch 630 sein.
Weiterhin bestimmt der Anteil der Zweitstimmen die Zahl der Sitze im Bundestag. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Ausnahmen gibt es nicht mehr. Wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen, hat sie Pech gehabt. Die Wahlkreissieger mit den niedrigsten Ergebnissen müssen dann draußen bleiben.
Das kann man beklagen und ungerecht finden. Was CSU, CDU und übrigens auch die Linke ausgiebig getan haben. Doch das Bundesverfassungsgericht hat das neue Wahlrecht in diesem Punkt für rechtens erklärt. Damit ist das die Realität, mit der Parteien umgehen müssen.
Der Punkt dabei ist: Die Zweitstimme hat eine alles andere überragende Bedeutung gewonnen. Ein gewonnenes Direktmandat sinkt dagegen auf den Status eines Sahnehäubchens herab, zumindest aus Sicht der Partei
Merz: Keine Hilfe für FDP
In dieser Lage müssen alle Parteien, aber nun eben auch CDU und CSU für ein starkes Zweitstimmenergebnis kämpfen. Die alte Arbeitsteilung: "Erststimme CDU, Zweitstimme FDP" und am Ende regiert Schwarz-Gelb funktioniert nicht mehr. Entsprechend äußerte sich CDU-Chef Friedrich Merz im "Stern": "Es wird keine Zweistimmen-Hilfe von uns für die FDP geben. Insbesondere bei dem gegenwärtigen Wahlrecht haben wir nichts zu verschenken", sagte er. "Die FDP ist unser politischer Wettbewerber, wie alle anderen auch im demokratischen Spektrum der Mitte." Christian Lindner müsse jetzt für eine Stabilisierung der FDP sorgen. "Das ist allein seine Aufgabe."
Dabei war das neue Wahlrecht eines der wenigen Projekte, bei denen die Liberalen voller Überzeugung mitgemacht haben, keineswegs nur mit der Faust in der Tasche. Das Ziel, den Bundestag zu verkleinern, beschäftigte den Bundestag seit Jahren - und immer wieder scheiterten Reformideen. Leidenschaftlich argumentierten FDP-Politiker wie Konstantin Kuhle für die Wahlrechtsänderung und warfen der CSU vor, bisherige Reformversuche blockiert zu haben. Im Frühjahr 2023 war das, da flogen im Bundestag richtig die Fetzen.
"Die CSU hat Norbert Lammert die Wahlrechtsreform versaut, die CSU hat Wolfgang Schäuble die Wahlrechtsreform versaut und sie wird nicht der Wahlrechtsreform der Ampelkoalition versauen", rief er damals in Richtung der bayerischen Abgeordneten der Union. Vielleicht ahnten die Liberalen da noch nicht, wie bald sie die Zweitstimmen von Unionswählern mal wieder gebrauchen könnten.