
Die Türkei weist unter den 38 OECD-Ländern die höchste Rate an Kaiserschnittgeburten auf. Mehr als jede zweite Lebendgeburt erfolgt auf diese Art. Nun verhängt die Regierung ein Verbot - und fällt bei einem Fußballspiel mit einer fraglichen Werbeaktion auf.
Die Türkei hat ein Verbot für geplante Kaiserschnittgeburten ohne medizinische Notwendigkeit in privaten medizinischen Zentren verhängt, die nur über ambulante Behandlung verfügen. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte am Wochenende eine entsprechende Verordnung im Amtsblatt. Die Maßnahme stieß bei Menschenrechtsgruppen und der Opposition auf massive Kritik.
Die Türkei weist unter den 38 OECD-Ländern die höchste Rate an Kaiserschnittgeburten auf, wie aus den aktuellsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2021 hervorgeht. Laut der Datensammlung World Population Review wurden 584 von 1000 Lebendgeburten in der Türkei per Kaiserschnitt vorgenommen.
Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ein entschiedener Befürworter sogenannter natürlicher Geburten. Eine Werbeaktion des Gesundheitsministeriums bei einem Spiel in der ersten türkischen Fußballliga heizte die Debatte am Wochenende weiter an. Spieler des Vereins Sivasspor liefen mit einem riesigen Transparent mit der Aufschrift "Natürliche Geburt ist natürlich" auf den Platz.
"Verschwindet aus den Schlafzimmern!"
Die Vize-Chefin der größten Oppositionspartei CHP, Gökce Gökcen, die Genossin des inhaftierten und vorübergehend abgesetzten Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoglu ist, reagierte mit Unverständnis: "Männliche Fußballspieler sagen Frauen, wie sie gebären sollen", schrieb sie im Onlinedienst X. "Lasst die Finger von den Körpern der Frauen." Die CHP-Politikerin Aylin Nazlıaka erklärte: "Anstatt darüber nachzudenken, wie die Kinder auf die Welt kommen, denken Sie lieber an die Zukunft der Neugeborenen. Nehmt eure Hände von der Körpern der Frauen! Verschwindet aus den Schlafzimmern der Leute!"
Es gibt laut Medienberichten jedoch bereits seit Langem auch Missstände bei der Geburtspraxis im Zusammenhang mit Kaiserschnitten in privaten medizinischen Zentren und Kliniken. Schon vor Jahren berichtete der Deutschlandfunk über das Buch einer türkischen Gynäkologin zum Kaiserschnitt-Boom. Neben dem Modernisierungsaspekt ist demzufolge ein Grund für mehr Kaiserschnitte auch die Privatisierung des Gesundheitssystems, durch welche die Planbarkeit in den Vordergrund gedrängt worden sei. So drängten Ärzte zum Kaiserschnitt, wie eine Mutter in dem Bericht erklärt.