
Die Aufnahme von milliardenschweren Forderungen im Sondierungspapier stößt besonders unter Ökonomen auf Kritik. CDU-Chef Merz versucht derweil in einem Interview zu beschwichtigen. Darin reagiert er auch auf Kritik aus den eigenen Reihen.
Nach der Einigung auf Kernelemente einer Zusammenarbeit haben führende Verhandler von Union und SPD für formale Koalitionsverhandlungen geworben. CDU-Chef Friedrich Merz wies im Deutschlandfunk Kritik am Sondierungsergebnis zurück. "Wir werden nicht in einen Konsumrausch einsteigen", sagte er zu Vorwürfen von Ökonomen am Sondierungspapier. "Wir werden in den Koalitionsverhandlungen auch sehr konkret vereinbaren, wo wir sparen müssen." Es gebe Konsolidierungsbedarf, aber auch die Notwendigkeit für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung.
Er werde am Montag in Partei und Bundestagsfraktion dafür werben, nun in Koalitionsgespräche mit der SPD einzusteigen. Deren Parteivorstand beschloss das bereits am heutigen Sonntag. Über einen Koalitionsvertrag sollen am Ende aber die SPD-Mitglieder in einem Mitgliedervotum online abstimmen.
Union und SPD hatten sich am vergangenen Dienstag auf eine Reform der Schuldenbremse und auf ein schuldenfinanziertes Sonderprogramm von 500 Milliarden Euro für Investitionen verständigt. Die sogenannten Sondierungsgespräche waren am Samstag mit einer Einigung auf ein elfseitiges Papier mit Kernelementen einer Zusammenarbeit zu Ende gegangen. Mit dem Start der Verhandlungen wird am Donnerstag gerechnet.
Merz verweist auf völlig verändert Lage
Besonders die Aufnahme von milliardenschweren Forderungen der CSU wie die Mütterrente, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie oder die Rücknahme der steuerlichen Reform zum Agrardiesel in das Sondierungspapier stieß auf breite Kritik. Merz verwies darauf, dass beide Seiten Kompromisse machen müssten. "Scheitern ist für uns keine Option", betonte er, es gebe nur eine einzige rechnerische Option für die Bildung einer Regierung.
Hintergrund ist auch Kritik aus der Union, dass Merz entgegen den Wahlkampfversprechen nun den Weg für ein 500 Milliarden Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur und für eine Grundgesetzänderung zugunsten unbegrenzter Militärausgaben freimachen will. Der CDU-Vorsitzende verwies auf die völlig veränderte internationale Lage. Über die Grundgesetzänderung soll der bisherige Bundestag in der kommenden Woche beraten. Für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit setzen Union und SPD auf die Grünen.
Der Grünen-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär im Klimaministerium, Michael Kellner, forderte, die neuen finanziellen Spielräume für den Klimaschutz zu nutzen. "Friedrich Merz muss liefern, wenn er unsere Unterstützung haben will", sagte er T-Online. Union und SPD hätten im Sondierungspapier ihre Interessengruppen großzügig bedient. "Union und SPD dafür die finanziellen Spielräume zu geben, ohne substanziell was für den Klimaschutz zu bekommen, hielte ich für politischen Irrsinn", sagte er.
"Wollen europäische Solidarität, soweit es eben möglich ist"
Merz deutete Entgegenkommen an zwei Stellen an, die für die Grünen wichtig sind: So würde zu den Verteidigungsausgaben künftig auch die militärische Unterstützung für die Ukraine mitgerechnet. Und: "Wir werden natürlich auch Maßnahmen für den Klimaschutz in die Liste (der Infrastrukturprojekte) aufnehmen, die dann in einem Gesetz noch abschließend geklärt werden muss."
In der Migrationspolitik betonte Merz, dass die Union hier eine harte Position durchgesetzt habe. Man werde die Kontrollen an den deutschen Grenzen deutlich ausweiten und mehr Menschen zurückweisen. Der CDU-Vorsitzende öffnete sich aber auch stärker gemeinsamen europäischen Lösungen. "Wir wollen europäische Solidarität, soweit es eben möglich ist", betonte er.
"Das Beste wäre, wenn wir unsere Außengrenzen in der Europäischen Union gemeinsam schützen und dafür sorgen, dass Aufnahmezentren an den Grenzen der Europäischen Union entstehen", fügte er mit Blick auf den Vorwurf hinzu, dass er deutsche Alleingänge plane. Er schließe sich einer Initiative Dänemarks, der Niederlande und Italiens an, noch schneller voranzugehen mit der gemeinsamen Europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik.