Schock in Wolfsburg: Bei VW sollen Mitarbeiter entlassen und Werke geschlossen werden, kündigt das Management an. "Autopapst" Ferdinand Dudenhöffer über die Ursachen der Misere.
Die Marke Volkswagen im VW-Konzern soll mindestens vier Milliarden Euro sparen. Konzernchef Oliver Blume will dafür sogar die garantierte Beschäftigungssicherung kippen und Werke schließen. Nachvollziehbar?
Ja. Denn Konzernchef Blume und VW-Markenchef Thomas Schäfer sehen, dass ihre Probleme in den nächsten Jahren wachsen, wachsen und wachsen. Sie müssen jetzt handeln, sonst kommen sie aus der schwierigen Lage niemals heraus. Und diese Lage ist verdammt schwierig, weil VW die Konstitution eines Staatsunternehmens hat und nicht befreit marktwirtschaftlich arbeiten kann.
Die Mitarbeiter sind auf der Zinne. Daniela Cavallo, Chefin des Konzernbetriebsrats, kündigt heftigen Widerstand an und wirft dem Management vor, schwere handwerkliche Fehler gemacht zu haben. Hat sie recht?
Natürlich gibt es auch immer wieder Managementfehler. Aber bei VW liegt das Übel im Wolfsburger System VW. Bei Audi, Porsche, Cupra und vor allem Skoda gibt es diese Probleme nicht. Auch nicht in China, da kämpft sich VW gerade gut voran.
Geht es den VW-Mitarbeitern im Branchenvergleich zu gut? Bei Volkswagen zu arbeiten, galt immer als paradiesisch. Hohe Löhne und Sozialleistungen, über 30 Jahre wurde die Job-Garantie fortgeschrieben.
Auch das ist ein Element. Auf der einen Seite wird gut bezahlt bei VW, auf der anderen Seite haben wir in Deutschland Energiepreise, dass einem die Ohren schlackern. Und wir haben Regulierungen. Es gibt also ein Doppelproblem. Es trifft ja nicht nur VW, sondern auch Continental, Bosch und andere.
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Gibt es zu viele VW-Fabriken in Deutschland?
Ja, VW exportiert viel zu viele Autos. In Zukunft muss viel mehr dort gefertigt werden, wo die Kunden leben. Das gilt für China, aber auch für alle anderen Staaten. Das VW-Management weiß das, kann aber die Beschäftigung hier nicht entsprechend runterfahren, weil das Land Niedersachsen und die IG Metall, die die Mehrheit im Aufsichtsrat stellen, es nicht akzeptieren und sich dagegen sperren können. VW ist in Deutschland festgenagelt, deswegen wiederholen sich die Problemlagen alle Jahre aufs Neue.
Rechnen Sie damit, dass nun wirklich deutsche Werke geschlossen werden? Es wäre das erste Mal in der 90-jährigen VW-Geschichte.
Was sollte denn die Alternative für Blume und Schäfer sein? Alles so lassen, wie es ist? Also ich gehe von Werksschließungen aus.
Welche Werke könnte es treffen?
Schwierige Frage, Probleme gibt es fast überall. Hannover ist eigentlich zu klein skaliert für die Nutzfahrzeugproduktion. Zwickau ist nicht ausgelastet, VW Wolfsburg dafür viel zu groß dimensioniert. Das Komponentenwerk in Kassel? Es wäre nicht fair von mir, einfach eines herauszupicken.
Lange galt VW als Meister der Massenware, schuf den Käfer und den Golf. Bei den E-Autos ist ein ähnlicher Versuch mit dem ID.3 gescheitert. Warum ist den Wolfsburgern das Gespür verloren gegangen?
Ja, Meister, das war einmal. VW ist frühzeitig in die E-Mobilität reingegangen, hat dann Qualitätsprobleme bekommen. Und anschließend brach die Elektromobilität in Deutschland komplett zusammen, weil die Ampelkoalition die Zuschüsse für E-Autos sinnfrei kürzte. Aber das allein erklärt die Lage nicht. Schauen Sie auf Skoda: Da läuft es, obwohl sie die gleiche technische Struktur haben wie VW.
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Auch Skoda, Teil des VW-Konzerns, hat noch keinen E-Kleinwagen im Angebot, der sicher sehr gefragt wäre. Andere sind da weiter.
Ist schon klar. Aber Skoda zeigt, dass man im VW-Konzern durchaus erfolgreich arbeiten kann. Der Unterschied zwischen Skoda und VW ist: Skoda produziert in Tschechien. Und VW produziert in Deutschland, wo man sich nicht bewegen kann wegen des VW-Gesetzes und des 20-prozentigen Landesanteils.
Die Marke VW schaffte 2023 eine Rendite von 2,3 Prozent. Schwestermarken wie Skoda liefern deutlich mehr ab. Was machen die besser?
Wie gesagt: Im Ausland wird das Geld verdient, um die deutschen Arbeitsplätze zu subventionieren. Früher auch in China, wo es inzwischen schwieriger geworden ist.
Was müsste Ihrer Ansicht nach jetzt schnell passieren, damit der wichtige Arbeitgeber Volkswagen in Deutschland wieder die nötige Durchschlagskraft bekommt?
Schnell wird nicht ausreichen. VW muss binnen fünf bis zehn Jahren ganz neu aufgebaut werden. Deshalb haben Blume und Schäfer diesen Konflikt ausgelöst, den Frau Cavallo nicht akzeptieren will. Das VW-Gesetz mit den Sperrminoritäten ist tödlich, es muss dringend weg, auch die 20-Prozent-Beteiligung durch Niedersachsen. VW muss ein normales Unternehmen werden wie BMW. Nur dann bekommt es wieder Luft zum Atmen.