3 months ago

Kreml handelt mit Miliz: Für Russland geht es im Sudan um viel Gold



Milizenführer Hemeti und Armeechef al Burhan stehen sich im Sudan feindlich gegenüber. Obwohl sie grausamste Kriegsverbrechen begehen, sind die meisten Hilfsorganisationen aus dem Land abgezogen. Auch Deutschland ignoriert den Krieg weitgehend - dabei ist er entscheidend für die Sicherheitslage in Europa.

Im Sudan, einem der ärmsten Länder der Welt, tobt seit April 2023 ein grausamer Krieg zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärische Miliz RSF. Mehr als 20.000 Menschen starben bisher. Zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht, mehr als 25 Millionen hungern. Es ist die derzeit größte Flüchtlingskrise der Welt.

Es tut förmlich weh, auf den Sudan zu schauen. Aber wo bleibt der Aufschrei? Wo die Unterstützung für die Zivilbevölkerung? Dabei wäre es durchaus auch in Deutschlands Interesse, die beiden kriegstreibenden Generäle, die aus persönliche Machtgier agieren, mit aller Kraft an den Verhandlungstisch zu bringen. Denn die Kämpfe im Sudan haben direkten Einfluss auf die Sicherheitslage in Europa, speziell auf den Krieg in der Ukraine. Es geht um Gold. Viel Gold. Für Russland.

Bevor sich im April 2023 rasend schnell ein landesweiter Bürgerkrieg im ohnehin wirtschaftlich schwachen Sudan ausbreitete, waren alle großen humanitären Organisationen in Süd-Darfurs Hauptstadt Nyala vertreten. Heute ist nicht einmal für die Vereinten Nationen internationales Personal vor Ort, obwohl die Flüchtlingslager überquellen. Der verzweifelten Zivilbevölkerung im Sudan zu helfen, ist zu gefährlich geworden.

"Junge Mütter sterben in schockierender Zahl"

Die Fronten zwischen den Kriegsparteien sind verhärtet - der Anführer der paramilitärischen Gruppe RSF, General Mohammed Hamdan Daglo, auch "Hemeti" genannt, auf der einen Seite und Armeechef General al Burhan auf der anderen. Konstruktive und effektive Vermittlungsversuche gab es auf internationaler Ebene bisher nicht. Die Armeen der beiden Generäle morden täglich weiter, vergewaltigen, begehen grausamste Kriegsverbrechen an der Bevölkerung. Und niemand hält sie auf. Vor diesem Hintergrund erschreckt es geradezu, dass Ärzte ohne Grenzen, eine der wenigen noch aktiven Hilfsorganisationen im Sudan, von einer "weiteren Eskalation" der Lage spricht. Schlimmer konnte es eigentlich gar nicht mehr werden.

"Neugeborene, Schwangere und junge Mütter sterben in schockierender Zahl. Ihr Tod wäre in vielen Fällen vermeidbar, aber hier ist fast alles zusammengebrochen", sagt Gillian Burkhardt in Nyala. So etwas habe sie in ihrer langjährigen Erfahrung als Expertin für sexuelle und reproduktive Gesundheit von Ärzte ohne Grenzen noch nicht erlebt.

Der Krieg der Generäle folgt dem Machtvakuum, das nach dem Sturz von Langzeitdiktator al-Bashir entstand. Milizenführer Hemeti stand in dessen Gunst, hat sich mit Erträgen aus illegal erlangten Goldminen eine beachtlich gut ausgestattete Armee aufgebaut. Im April 2023 stürzte der Sudan ins Kriegs-Chaos, nachdem der Plan, Hemetis paramilitärische RSF in die staatliche Armee aufzunehmen, platzte. Armeechef General Burhan und Hemeti beanspruchen beide die Macht im Land. Es gab mehrere ausgehandelte Waffenruhen, doch sie wurden von beiden Seiten gebrochen.

Bis zu einer Million Menschen droht der Hungertod

Nach 17 Monaten Krieg sind heute mehr als 25 Millionen Sudanesen akut von einer Hungersnot betroffen. Mangels verlässlicher humanitärer Hilfslieferungen rechnen Nichtregierungsorganisationen mit bis zu einer Million Hungertoten im Sudan, wenn nicht schnellstens Hilfsgüter zu den Menschen gebracht werden. Doch es fehlt an internationaler Hilfe, vor allem an Geld sowie der Bereitschaft der kriegsführenden Parteien, Hilfskonvois durch ihre jeweiligen Gebiete passieren zu lassen.

Die humanitäre Lage ist prekär. Doch im Schatten der eskalierenden Lage im Nahen Osten verblasst offenbar die Dringlichkeit, dem Sudan volle Aufmerksamkeit zu widmen. Deutschlands Friedensbemühungen am Rande der UN-Vollversammlung in New York beschränkten sich zuletzt auf ein Treffen mit Ministern aus den USA und Großbritannien hinter verschlossenen Türen.

Zuvor scheiterten von den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in der Schweiz einberufene Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Vertreter der Regierung Sudans erschienen erst gar nicht. Der Sudan wirft den VAE vor, die RSF Miliz mit Waffen auszustatten. Die Emirate bezeichneten die Vorwürfe als "komplett falsch" und unbegründet. Die Verstrickung der Vereinigten Arabischen Emirate in den Konflikt wurde jedoch in zahlreichen unabhängigen Berichten belegt, nicht zuletzt von den Vereinten Nationen selbst.

"Ukraine-Krieg wird mitfinanziert durch Gold aus dem Sudan"

Die Hintergründe des Krieges im Sudan sind vielschichtig, manchmal unübersichtlich, aber durchaus relevant für Deutschland. Milizenführer Hemeti kontrolliert ertragreiche Goldminen im Sudan. Er pflegt enge Beziehungen zu Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und - besonders relevant - Russland. Alle drei liefern ihm Waffen im Austausch gegen Gold, das illegal aus dem Land geschafft wird. Es ist ein guter Deal für Kremlchef Wladimir Putin, der aufgrund westlicher Sanktionen auf neue Einnahmequellen angewiesen ist.

"Der Ukraine-Krieg wird massiv mitfinanziert durch Gold aus dem Sudan", so Sudan-Expertin Marina Peter. Sie spricht sogar von einem Stellvertreterkrieg. Das teilen nicht alle Experten. Öffentlicher Druck auf die Hinterleute des Sudan-Konflikts sei dringend nötig, so Peter. Darin sind sich Beobachter einig.

Aber diesen Druck gibt es nicht, auch nicht aus Deutschland, dessen mangelnde Friedensbemühungen für den Sudan starker Kritik ausgesetzt sind. Von Doppelmoral ist die Rede. Europa habe Solidarität mit der Ukraine eingefordert, so der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Stefan Mair. Zehntausende Tote im Sudan hingegen interessieren wesentlich weniger. "Deutschland wird die Doppelmoral auch deshalb deutlich vorgehalten, weil die deutsche Politik ihrerseits den Vorwurf unethischen Verhaltens mit großer moralischer Betonung vorgebracht hat", so Mair. Die vor allem von Außenministerin Baerbock vehement vertretenen Prinzipien müssten auch für den Sudan gelten. Der tote Winkel, in dem das Land wahrgenommen wird, verstärkt das Leiden der Zivilbevölkerung im Sudan maßgeblich. Es ist, als sei das Land von der Welt verlassen.

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