Das Meer ist Sehnsuchtsort und Urlaubsziel, aber auch ein Wirtschaftsraum. Die sogenannte Blue Economy wird zunehmend von Investoren entdeckt. Geldanlage und Meeresschutz - wie passt das zusammen?
Küsten sind wahre Meister im natürlichen Klimaschutz. Seegraswiesen, Mangrovenwälder und Salzmarschen können jedes Jahr weltweit bis zu 216 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. Das zeigt ein Forschungsbericht des Öko-Instituts und des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung im Auftrag des Umweltbundesamtes. Die Wissenschaftler haben die Bedeutung von Küstenökosystemen für den globalen Klimaschutz untersucht.
"Die CO2-Speicherung ist eine wichtige Funktion dieser Öko-Systeme", sagt Wisenschaftlerin Judith Reise vom Öko-Institut in der Sendung Update Wirtschaft auf tagesschau24. Aber Küstenökosysteme können noch viel mehr: "Sie sind insbesondere ein wichtiger Lebensraum für die allermeisten Meerestiere, dort pflanzen sie sich fort, davon sind sie abhängig. Aber sie sind auch enorm wichtig für die Filterung des Wassers, sie sorgen für eine gute Wasserqualität und als Lebensraum eben unersetzlich."
Das Meer als Investitionsfeld
Wie wichtig Meere für die Ernährung und das Leben der Menschen sind - und damit auch für die Wirtschaft -, haben mittlerweile auch Finanzinvestoren erkannt. Unter dem Schlagwort "Blue Economy" tut sich plötzlich ein ganz neues Investitionsfeld auf. Die Vermögensverwaltungstochter der Deutschen Bank, DWS, hat sogar eigens einen Blue-Economy-Fonds aufgelegt. Der investiert hauptsächlich in Unternehmen, die mit der Meereswirtschaft ihr Geld verdienen.
Und dabei steht der Schutz der Meere ganz weit vorne - zumindest in der Beschreibung der Fondsziele. Fondsmanager Paul Buchwitz sagt dazu in der Sendung Update Wirtschaft: "Wir haben einen Fokus an Unternehmen, die Teil der Blue Economy sind, also im Meer wirtschaften und Verbesserungspotenzial haben. Und hier wollen wir selektiv mit Unternehmen in Kontakt treten und sie dazu bewegen, den negativen Einfluss, den sie potentiell haben zu reduzieren."
Fondsverwalter lässt sich vom WWF beraten
Klingt fast so als hätte eine Umweltschutzorganisation an der Idee mitgearbeitet. So ist es im Prinzip auch: der WWF Deutschland berät laut Fondsmanager Buchwitz gemeinsam mit den Finanzprofis, welche Unternehmen mit Blick auf Nachhaltigkeit in den Fonds aufgenommen werden.
Da verwundert es schon etwas, dass mit Royal Caribbean ausgerechnet einer der weltgrößten Kreuzschifffahrts-Konzerne im Fonds enthalten ist. Die Kolosse, die vom Ausmaß und vom Ressourcenverbrauch her schwimmenden Kleinstädten gleichen, sind laut Umweltschutz-Organisationen wie "Friends of the Earth" im Bereich Tourismus die größten Verschmutzer der Meere.
Darum sei es es umso wichtiger, dass man hier engagiert ist, so Buchwitz. "Die Kreuzfahrtindustrie wächst sehr stark. Die hat natürlich einen großen Einfluss auf das Ökosystem Meer, etwa durch die Emissionen, hier wird noch mit Schweröl gefahren."
Passen Umweltsünder Kreuzfahrtschiffe in den Fonds?
Die Unternehmen, in die der Fonds investiert, müssen zuvor einen Fragebogen beantworten. Darin werden beispielsweise Ziele zum Klimaschutz abgefragt, so der Fondsmanager. "Wir fragen etwa, ob es Pläne gibt, die dazu führen, dass die Emissionen reduziert werden? Und wir wollen richtig konkrete Ziele vereinbaren bei solchen Unternehmen."
Die Idee dahinter ist also, Unternehmen durch Dialog zur Veränderung - hin zu mehr Umweltschutz - zu bewegen. Die Frage ist allerdings, ob ein globaler Konzern wie Royal Caribbean mit einer Marktkapitalisierung von gut 40 Milliarden US-Dollar sich von einem Fonds aus Deutschland, der knapp 300 Millionen Euro Kundengelder verwaltet, bewegen lässt.
Die Vorgaben kommen aus der Politik
Klar ist jedenfalls, dass mehr Umweltschutz in den Meeren auch von politischen Einrichtungen - wie der EU - verlangt wird, und darauf müssen die Unternehmen, die im Ozean wirtschaften, eingehen. So ist beispielsweise 2020 eine Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation in Kraft getreten, wonach Seeschiffe den Ausstoß von Schwefeldioxid um 85 Prozent reduzieren müssen.
Es bewegt sich also auf vielen Ebenen etwas im Bereich nachhaltiges Wirtschaften auf den Ozeanen. Das Ziel, die Meere zu schützen, verfolgen neben vielen Organisationen neuerdings eben auch Finanzinvestoren. In der Realität lässt es sich nur leider schwerer umsetzen als auf dem Papier.
Kann Innovation die Meere schützen?
Neben Auflagen zur Verhinderung von schädlichen Emissionen können auch Innovation und technischer Fortschritt beim Schutz der Meere helfen, sagt Blue Economy-Fondsverwalter Buchwitz - beispielsweise im Küstenschutz. "Die Stadt Miami ist regelmäßig von Fluten betroffen, Sturmfluten, Springfluten. Und dort wurden dreistellige Beträge investiert in Pumpsysteme, die dafür sorgen, dass das Wasser sofort wieder abgepumpt wird." Der Investitionsbedarf in dem Bereich nehme weiter zu, so der Fondsmanager. "Und wir investieren unter anderem in Unternehmen, die diese Pumpen herstellen und die davon profitieren."
50 Prozent der Küstenökosysteme bereits verloren
In der Vergangenheit haben technischer Fortschritt und wachsender Konsum der Menschen jedoch maßgeblich zur Zerstörung der Meeresökosysteme beigetragen. "In den letzten hundert Jahren haben wir bereits 50 Prozent der wichtigen Küsten-Ökosysteme verloren", erläutert Wissenschaftlerin Reise vom Öko-Institut. Zu den Hauptgefährdungen gehören laut der Forscherin auch heute noch Infrastrukturmaßnahmen, Hafenbau, aber auch die Entwicklung von Aqua-Kulturen wie etwa in den Tropen für Schrimps-Fischereien.
Ein weiteres Problem sei die Nährstoffzufuhr durch die landwirtschaftlichen Flächen, die über die Flüsse in die Meere gelange, wie beispielsweise in die Ostsee. "Das ist ein Riesenproblem, denn es führt zu vermehrtem Algenwachstum. Auch die Art, wie wir Fischfang betreiben ist ein Problem, wenn wir mit einem Schleppnetz über den Meeresboden schrammen, dann zerstören wir diese Ökosysteme natürlich."
Der beste Meeresschutz: Ruhezonen
Das Beste für den Schutz der Meere, sagt die Expertin für natürliche Klimaschutzlösungen, seien absolute Ruhezonen. Aktuell seien nur zwei Prozent der weltweiten Ozeane vor Fischfang und anderen Eingriffen geschützt. Diese Zonen müssten aus Sicht der Wissenschaftlerin ausgeweitet werden, zur Erholung des Meeresbodens und zur Bewahrung der Ökosysteme. Aber mit solchen Ruhe- und Schutzzonen lässt sich bislang noch kein Geld verdienen.