Die Große Drüsenameisen ist nur wenige Millimeter groß und doch ein wachsendes Problem in Deutschland. Was macht die Art so problematisch?
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Welt enger zusammengewachsen. Das gilt auch für den Handel – was mitunter folgenschwere Konsequenzen für die Natur hat. So gelangten etwa einst chinesische Wollhandkrabben mit Handelsschiffen aus Asien bis in die Gewässer rund um die Nordsee – und wurden dort zur allesfressenden Plage. Aktuell sind es aber deutlich kleinere Tiere, die in Teilen Deutschlands für Ärger sorgen: Drüsenameisen.
Die ursprünglich aus Nordafrika stammenden Insekten mit dem lateinischen Namen Tapinoma magnum kommen inzwischen auch in Griechenland, Italien und Südfrankreich häufig vor. Von dort sollen sie im Jahr 2009 erstmals nach Deutschland gelangt sein – wohl in den Wurzelballen von Olivenbäumchen, die aus Italien verschickt wurden. Seither machten mehrere Kolonien der Krabbeltiere in Deutschland, Österreich und der Schweiz Schlagzeilen. Die Ameisen zogen dabei durch ihr massenhaftes Auftauchen und die Schwierigkeiten bei ihrer Bekämpfung viel Aufmerksamkeit auf sich. Doch geht eine echte Gefahr von ihnen aus? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.Invasive Arten in Deutschland 6:16
So erkennt man die Große Drüsenameise
Der Name ist irreführend: Die Große Drüsenameise ist zumeist kleiner als die in Deutschland heimischen Rasen- oder Wegameisen. Man sollte sie auf keinen Fall mit Waldameisen verwechseln – diese sind oft tatsächlich sehr groß, genießen aber aufgrund ihrer immer geringer werdenden Population in Deutschland besonderen Schutz, mehrere ihrer Unterarten stehen gar auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Ihre inzwischen selten zu sehenden, beachtlichen Ameisenhügel in Wäldern sollten auf keinen Fall angetastet werden.
Die invasiven Drüsenameisen hingegen wirken, einzeln betrachtet, winzig – aber das machen sie durch ihre Anzahl wett. Die Tiere werden in der Regel etwa zwei bis 3,5 Millimeter groß, sind schwarz und verfügen über eine für Experten charakteristische Kerbe vorn an ihrem Kopfschild. Die dürfte für Laien kaum erkennbar sein – laut dem Schweizer Webportal "Naturschutz" gibt es aber noch eine weitere, leider eher martialische Möglichkeit, die Drüsenameise zu identifizieren: Zerdrückt man ein Tier, soll es einen Geruch nach ranziger Butter verströmen. AF_Sauerklee bekämpfen
Lebensweise der Großen Drüsenameise
Eine Drüsenameise kommt selten allein. "Normalerweise sind einzelne Ameisenkolonien miteinander verfeindet, weil sie um dieselben Ressourcen konkurrieren. Das verhindert, dass sie sich zu stark ausbreiten", sagt Pauline Fleischmann, Biologin von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Tapinoma magnum bildet jedoch, wie auch andere invasive Ameisenarten, sogenannte Superkolonien. "Die einzelnen Kolonien bekämpfen sich nicht, sondern arbeiten zusammen", so die Ameisenexpertin.
Gleich hunderte Ameisenköniginnen sorgen dann in direkter Nachbarschaft für Nachwuchs und scharen ihre Hofstaaten um sich. Die Tiere errichten ihre Bauten oft tief unter der Erde, wo sie vor starken Temperaturschwankungen geschützt sind und auch den Winter überstehen können. "Die Große Drüsenameise hält sich gerne in der Nähe von Menschen auf und nutzt deren Gebäude und andere Strukturen", sagt Fleischmann. Ihre Nester finden sich häufig in der Nähe von Mauern, unter Platten und Pflastersteinen – die Eingänge erkennt man durch feines, ausgegrabenes Material wie Kies, Sand und Erde.
Welchen ökologischen Schaden richtet die Große Drüsenameise an?
"In Griechenland gelten bestimmte eingewanderte Ameisenarten als invasiv, beeinflussen also auch andere angestammte Ameisenarten", sagt die Expertin. Inwieweit das auch für Tapinoma magnum hierzulande gelte, sei derzeit noch unklar.
Welchen dramatischen Einfluss eine invasive Ameisenart auf ein Ökosystem haben kann, zeigte sich in Kenia. Eine ursprünglich aus Südamerika stammende Art verdrängte dort eine einheimische Species, die Akazienbäume vor dem Verbiss durch Elefanten schützte. Die Elefanten dezimierten daraufhin viele der Bäume. Immer weniger Akazienbäume bedeutete: immer weniger Verstecke für Löwen, um sich an Zebras anzuschleichen. Die Raubkatzen mussten in Folge auf andere Beutetiere ausweichen. Große Konsequenzen, ausgelöst durch kleine Tiere.Invasive Arten Pflanzen 14.20
Was macht die Drüsenameise so lästig?
Außer der schon durch andere invasive Tierarten bekannten Sorge vor der Verdrängung heimischer Spezies kommen bei der Großen Drüsenameise noch ganz pragmatische Probleme hinzu. Grund dafür ist auch der große Fleiß der Tiere: Sie graben, sie sammeln, sie vermehren sich – und das alles rasant. Durch ihre großen, unterirdischen Nester können sie etwa Gemäuer, Gehwege oder schlicht Erdreich zum Absacken bringen. Das wurde in der baden-württembergischen Stadt Kehl zu einem Problem, als sich die Insekten auf und unter einem Spielplatz breitmachten.
Die Pfade der emsigen Tiere nehmen auch keine Rücksicht auf menschliche Infrastrukturen. In Rheinland-Pfalz marschierten die Krabbler bereits durch Strom- und Verteilerkästen – die dort von ihnen verlorenen Pflanzenteilchen sorgten schließlich für einen Ausfall von Internet und Elektrizität in manchen Regionen. Ein Problem, das mit der Verbreitung der Ameisen häufiger auftreten dürfte.
Dazu kommt, dass Tapinoma magnum zwar nicht sticht, aber beißt, wenn sie sich gestört fühlt. Ihr Biss ist nicht gesundheitsgefährdend und bisher ist kein Fall von allergischen Reaktionen darauf bekannt, aber er ist unangenehm und schmerzhaft. Und zuletzt dürften sich Menschen in betroffenen Arealen schlicht durch die Anwesenheit von Millionen der kleinen Krabbler gestört fühlen. Klagen gab es bereits über eine von Drüsenameisen befallene Grundschule oder eine Kirche, die die Insekten auf der Suche nach Futter pausenlos und in Massen durchwanderten. Artenschutz 15.11
So bekämpfen Sie die Große Drüsenameise
Noch scheint man in Deutschland nicht optimal auf die Bekämpfung solcher invasiven Arten vorbereitet zu sein. "Wenn ich eine ungewöhnliche Ameise in meinem Pflanzentopf entdecke, sollte ich dies an Fachleute melden können, die sie dann genau bestimmen und eventuell gezielt bekämpfen", sagt Pauline Fleischmann. Städte, in denen sich solche Spezies ausbreiten, sollten außerdem gezielt darüber informieren, was zu tun ist, wenn man eine verdächtige Art bei sich entdeckt.
Auch wenn die Berichterstattung (Stichwort: Horror-Ameisen) manchmal zu drastisch sei, plädiert die Biologin für eine bessere Aufklärung über die Gefahr von invasiven Insektenarten: "Es ist wichtig, die Bevölkerung darüber zu informieren, denn dann wird klar, dass auch eine kleine Ameisenart großen Einfluss haben kann. Nicht nur für den Menschen und seine Einrichtungen, sondern für ein ganzes Ökosystem." Wegen Klimawandel drohen neue Agrarschädlinge 17.13
Bis Aufklärung und konzertierte Bekämpfung besser funktionieren, bleibt Betroffenen nur übrig, sich selbst um das Ameisenproblem zu kümmern. Hat man erst einige wenige Drüsenameisen beobachtet, können handelsübliche Ameisenköder unter Umständen noch helfen – diese sollten aber direkt in größerer Zahl platziert werden. Giftpulver haben sich als wenig effektiv erwiesen. Wurde das Nest oder das ursprüngliche Versteck der Tiere entdeckt, sollte es mit kochendem Wasser übergossen werden. Diese Methode nutzen auch professionelle Schädlingsbekämpfer: Sie stellen einen speziellen Schaum aus kochend heißem Wasser und Maisstärke oder Kokosöl her, der in die Nester der Insekten eingesprüht wird.
Haben sich die Drüsenameisen schon weiter ausgebreitet, ist vor allem eines wichtig: Die Menschen müssen ähnlich gut zusammenarbeiten wie die Insekten. Denn befreit ein Anwohner sein Grundstück von den Tieren, hilft das wenig, wenn nicht alle anderen Betroffenen zeitgleich mitziehen. Den Ameisen sind Grundstücksgrenzen nämlich herzlich egal. Ein von Drüsenameisen besiedeltes Areal sollte möglichst vollständig behandelt werden – und das sollten dann am besten Profis übernehmen.
Quellen: Antwiki, Bundesamt für Naturschutz, Naturschutz.ch, SWR