Fast drei Jahre dauert der Krieg in der Ukraine nun schon an. Täglich regnen Raketen auf ukrainische Städte nieder. Russische Gräueltaten sind Alltag. Mittlerweile bekommen aber auch die Menschen in Russland den Krieg zu spüren. Gestiegene Preise sorgen für Unmut in der Bevölkerung.
"Alles ist teuer!" - In Dedowsk, einer Kleinstadt rund 40 Kilometer nordwestlich von Moskau, verzweifelt manch einer angesichts der stark gestiegenen Preise. Die Inflation in Russland ist anhaltend hoch, trotz massiver Zinssteigerungen der Zentralbank. Viele machen den Krieg in der Ukraine dafür verantwortlich - und wünschen sich ein Ende der Kämpfe. "Ich kaufe kein Rindfleisch mehr, es ist zu teuer", sagt Zinaida Kudrjawzewa. Sie ist 60 Jahre alt und lebt von einer Rente von 16.000 Rubel im Monat (etwas mehr als 140 Euro). "Ich kann mir noch Hühnchen, Milch, Brot und ab und zu Quark leisten, der ist auch teuer geworden." Auch Medikamente hätten sich stark verteuert, ihre Miete könne sie kaum noch zahlen. "Zum Glück geben mir meine Töchter Kleidung ab. Schauen Sie sich meine Schuhe an, die sind für junge Leute", seufzt Kudrjawzewa verlegen - bevor sie auf den Ukraine-Konflikt zu sprechen kommt: Sie wünsche sich, "dass es keinen Krieg mehr gibt".
Russland hatte im Februar 2022 seine Offensive in der Ukraine gestartet. Westliche Sanktionen und massive Investitionen ins Militär führten in dem Jahr in Russland zu einer Teuerungsrate von zwölf Prozent. Auch in Deutschland und in der EU explodierten damals die Preise vor allem wegen ausbleibender Energielieferungen. Die Lage hat sich aber wieder beruhigt, die Inflationsrate nähert sich wieder dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank. Nicht so in Russland: 2023 stiegen die Preise erneut um 7,5 Prozent, im laufenden Jahr zog die Inflation sogar wieder an. Im November lag sie bei 8,9 Prozent. Der massive Wertverfall der Landeswährung Rubel verteuert Importgüter. Hinzu kommt der Arbeitskräftemangel, weil hunderttausende Männer im Militär sind oder sich ins Ausland abgesetzt haben.
Die Unternehmen müssen deshalb attraktive Gehälter anbieten, um Personal zu finden, was die Inflation anheizt. Viktor Markow, ein 75-jähriger Rentner, zeigt auf dem Rückweg vom Supermarkt seine bescheidenen Einkäufe: Brot, Kartoffeln, Hühnchen. "Die Preise steigen jeden Tag", sagte er. "Äpfel kosten 150 Rubel (1,33 Euro) und mehr. Der Kaffee 400 Rubel (3,55 Euro). Zu diesem Preis kaufe ich ihn nicht, ich warte auf ein Sonderangebot." Seine Rente beläuft sich auf 22.000 Rubel. Auch Markow sieht den Konflikt in der Ukraine als Ursache für den Preisanstieg, da die Staatsausgaben erheblich gestiegen sind, um die Rüstungsproduktion anzukurbeln und den Sold der Soldaten zu bezahlen. "Der Krieg wird weitergehen", prognostiziert er verbittert. "Und für den Krieg braucht man Ressourcen." In diesem Jahr können sich er und seine Frau Nina den traditionellen "roten Kaviar" zum Neujahrsfest nicht leisten.
Analysten: Zinserhöhungen möglicherweise nicht wirksam
Harte Zeiten gab es in Russland immer wieder. In den 2010er Jahren waren Kredite häufig das Mittel der Wahl und frisches Geld auf Pump trug maßgeblich zum Wirtschaftswachstum bei. Doch auch Kredite sind mittlerweile für viele unerschwinglich. Die russische Zentralbank erhöhte ihre Leitzinsen im Oktober ein weiteres Mal auf nun 21 Prozent. Zentralbankchefin Elvira Nabjullina schloss angesichts der anhaltend hohen Inflation weitere Zinsschritte nicht aus. Doch Zinserhöhungen sind angesichts des hohen Niveaus der Staatsausgaben nach Ansicht von Analysten möglicherweise kein wirksames Mittel. Denn die Idee einer restriktiven Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung ist, dass sich die Wirtschaft abkühlt und die Nachfrage sinkt. Der Staat reagiert aber deutlich weniger stark auf höhere Kreditkosten als die Privatwirtschaft.
In Dedowsk sind vereinzelt Graffiti zu sehen: "Nein zum Krieg!" ist da etwa zu lesen. Wer so etwas sagt, kann nach den strengen Zensurgesetzen verfolgt werden. "Natürlich will ich, dass Frieden einkehrt", sagt Viktoria dennoch. Die 30-jährige Mutter eines zweijährigen Mädchens wohnt in einem kleinen Holzhaus und arbeitet als Dolmetscherin und Fremdsprachenlehrerin. "Alles, was gerade im Land passiert, verstärkt die Angst der Menschen", sagt sie. Die Preise für Windeln und Babynahrung setzen ihr finanziell zu. Die Probleme der Russen stehen aber in keinem Verhältnis zu dem Leid, das die russische Armee täglich in der Ukraine anrichtet.