Bei den Präsidentschaftswahlen unterliegt Demokratin Harris dem Republikaner Trump klar. Seither versucht die Partei das Scheitern aufzuklären. Eine klare Richtung gibt es nicht. Während besonders die Parteilinke eine falsche Themensetzung beklagt, sehen andere einzig ein externes Problem.
Knapp einen Monat nach ihrer verheerenden Wahlschlappe ist bei den US-Demokraten das Bilanzbild noch verschwommen. "Wie tief stecken wir in der Krise?", fragt sich die Partei und: "Haben wir überhaupt eine?"
Teile der Parteispitze schieben die Verantwortung für die Wahlniederlage auf eine von Preissteigerungen angeheizte Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die den Amtsinhabern traditionell schlechten Karten gebe - und die Wahlen rund um den Globus geprägt habe. Andere hingegen sind überzeugt: Die Demokratische Partei hat eine akute Krise und muss sich dringend neu aufstellen.
Bei der Präsidentschaftswahl am 5. November gewann der Republikaner Donald Trump in allen umkämpften US-Staaten. Damit kann er deutlich mehr Wahlleutestimmen auf sich vereinen als die Demokratin Kamala Harris, auch wenn etwa die Hälfte der Wählerinnen und Wähler gegen ihn stimmte. Das amerikanische Wahlsystem macht einen solchen Erdrutschsieg möglich.
"Das Glas ist halb voll", sagt denn auch der Gouverneur von Colorado, Jared Polis. "Es war knapp." Nur ein paar Prozent mehr Wählerstimmen hätten zu Siegen der Demokraten geführt.
Nur bei zwei Wählergruppen verlieren Demokraten nicht
Ganz anders hört sich Ken Martin aus Minnesota an, Kandidat für den Vorsitz des Demokratischen Nationalkomitees im nächsten Jahr. Er spricht von einer "vernichtenden Anklage" gegen die Partei. "Die Menschen glauben nicht, dass die Demokratische Partei für sie oder ihre Familien kämpft oder sich darum schert, wie es ihnen geht", sagt Martin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. "Wir haben bei fast jeder Gruppe an Boden verloren, außer bei wohlhabenden Haushalten und Wählern mit Hochschulbildung."
Was ist schiefgelaufen? Viele demokratische Gruppen und Führungszirkel sind kräftig am Analysieren, aber nur wenige arbeiten zusammen. Schon jetzt gibt es die Sorge, dass die Nachforschungen zu ganz unterschiedlichen Empfehlungen führen - die sich womöglich gegenseitig Konkurrenz machen oder inmitten einer möglichst schnellen Aufarbeitung untergehen könnten.
Das politische Aktionskomitee Priorities USA, eines der Super-PACs der Demokratischen Partei, hat seine Ergebnisse für diese Woche angekündigt. Zu den Empfehlungen zählt laut einer ersten Vorschau, dass die Demokraten den Wählerinnen und Wählern besser zuhören sollen als den Meinungsforschungsinstituten. Und dass sie eine stärker zukunftsorientierte positive Alternative zu Trumps "Make America Great Again"-Bewegung anbieten sollten.
Ohne wirkliche Veränderungen gebe es keine Garantie dafür, dass sich die Partei bei künftigen Wahlen auf Schlüsselgruppen der demokratischen Basis stützen könne, heißt es. Insbesondere erwähnt werden junge Menschen sowie nicht weiße Wählerinnen und Wähler.
Bernie Sanders: Haben Arbeiter im Stich gelassen
Einige der lautesten Rufe nach drastischen Veränderungen ertönen aus dem ganz linken Flügel der Partei, der vom demokratischen Establishment oft überhört wird, wenn es um Strategie und Botschaften geht. Der selbst erklärte demokratische Sozialist Bernie Sanders, Senator aus Vermont, legte nach dem Wahltag mit deutlicher Kritik vor: "Es sollte keine große Überraschung sein, dass eine Demokratische Partei, die die Arbeiterinnen und Arbeiter im Stich gelassen hat, feststellt, dass die Arbeiterklasse sie im Stich gelassen hat."
Der eng mit Sanders verbundene kalifornische Abgeordnete Ro Khanna fordert einen wirtschaftlichen Kurswechsel. Insbesondere plädiert er für einen "New Economic Deal" zur Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze für die Mittelschicht. "Ich weiß nicht, wie man sich diese Wahl ansehen kann, ohne eine Zäsur zu setzen", sagt seine Stabschefin Marie Baldassarre. "Dies ist die Zeit für Veränderungen."
Eine Weichenstellung dafür könnte die Wahl eines neuen Vorsitzenden des Parteikomitees sein, die für Anfang kommendes Jahr ansteht. Nicht alle aus der potenziellen Kandidatenrunde fordern jedoch weitreichende Einschnitte.
Ben Wikler aus Wisconsin etwa, der am Sonntag seinen Hut in den Ring geworfen hat, will eine neue Kommunikationsstrategie, sieht die Wahlniederlage aber nicht unbedingt als politische Krise seiner Partei. "Was wir gesehen haben, war ein kleiner Rechtsruck, der vor allem von den am stärksten von der Inflation betroffenen Menschen getragen wurde", meint er. "Das deutet nicht auf eine dauerhafte Verschiebung in Richtung Trump hin. Ich denke, dass es für die Demokraten eine sehr reale Chance gibt, Boden zurückzugewinnen."
Dazu könne der neue Präsident selbst einiges beitragen. "Ich denke auch, dass Trump sehr wahrscheinlich die Geschichte mehr als nur wiederholen und eine Katastrophe sein wird", sagt Wikler.