BayWa ist Deutschlands größter Agrarhändler - und steckt gewaltig in der Krise. Ein Finanzierungspaket von gut einer halben Milliarde Euro soll den klammen Konzern stützen. Ist der Riese am Agrarmarkt "Too big to fail"?
Der BayWa-Konzern ist vielen zwar kein Begriff, doch für den deutschen und weltweiten Agrarmarkt ist die Bedeutung des SDAX-Unternehmens nicht zu unterschätzen. Und der steckt aktuell in einer massiven Schuldenkrise. Eine Finanzspritze von gut einer halben Milliarde Euro soll nun Abhilfe schaffen und die BayWa stützen - die Frage ist bloß, für wie lange?
Die Banken - allen voran die DZ Bank, die HypoVereinsbank und die LBBW - stellen einen Überbrückungskredit über 272 Millionen Euro bereit und verzichten darauf, fällige Kredite zurückzufordern, wie die BayWa heute mitteilte. Eine ähnliche Summe kommt von den Großaktionären, der Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG und der österreichischen Raiffeisen Agrar Invest, die zusammen 62 Prozent der BayWa-Anteile halten. Insgesamt bekommt die BayWa damit eine dringend benötigte Finanzspritze von 547 Millionen Euro.
Das Geld der wichtigsten Gläubigerbanken und Hauptaktionären soll kurzfristig sicherstellen, dass der Konzern liquide bleibt. Dabei geht es vor allem um die Bauern und die Lebensmittelversorgung im Süden Deutschlands.
Besorgte Landwirte
Denn die Krise des Münchner Konzerns hat in diesem Sommer spürbare Auswirkungen: Etliche besorgte Landwirte vor allem im Süden Deutschlands weichen auf andere Abnehmer für ihre Getreideernte aus. Bei privaten Agrarhändlern gehen in diesem Sommer zahlreiche Anfragen von Landwirten ein, die einen Käufer oder ein Lagerhaus für ihre Ernte suchen. Ähnliches ist aus dem Umfeld der Agrargenossenschaften zu hören.
Die BayWa kauft insbesondere in ihren bayerischen Kerngebieten und in den neuen Bundesländern einen beträchtlichen Teil der Ernte an. Exakte Zahlen gibt es nicht, doch nach grober Schätzung eines führenden Fachmanns könnte der Marktanteil im heimischen Bayern bei etwa 40 Prozent liegen.
"Die Probleme der BayWa haben Auswirkungen auf die ganze Branche", sagt Michael Osterholzer, Geschäftsführer des gleichnamigen Agrarhandels Osterholzer in der niederbayerischen Gemeinde Massing. Trotz der hohen Finanzschzulden in Höhe von rund 5,6 Milliarden Euro hat die BayWa den Landwirten zugesichert, dass das notwendige Geld für die Bezahlung der Ernte bereitstehe. Es sind auch keine Zahlungsausfälle oder -verzögerungen bekannt geworden.
Was ist passiert?
Seit der Zinswende am Markt als Folge der höheren Inflation hat sich das Blatt für die BayWa gewendet. Dabei gehen die Schulden des Agrarhändlers zum Großteil auf die kreditfinanzierten Expansionspläne des Konzerns während der Niedrigzinsphase zurück.
Unter der Ägide des früheren Chefs Klaus Josef Lutz wandelte sich das einst auf den Agrarhandel beschränkte Unternehmen zu einem weltweit präsenten Mischkonzern. Lutz baute einerseits das neue Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien auf, was immer mehr Kapital verschlang. Gleichzeitig vergrößerte er das Agrargeschäft ganz erheblich.
Das Problem: Die Expansion wurde mit kurzfristigen Krediten finanziert, deren Belastung sich nach dem plötzlichen Anstieg der Zinsen am Markt von 2021 bis 2023 verdreifacht hat.
Ist BayWa "Too big to fail?"
Kurzfristig ist der BayWa nun aus ihren Finanznöten geholfen, doch das bedeutet keine langfristige Lösung. Mitte September soll die Unternehmensberatung Roland Berger ein Sanierungsgutachten vorlegen. Nicht zu erwarten ist angesichts der Milliardenschulden der Vorschlag, dass bei der BayWa alles so weitergehen soll wie bisher. Aller Voraussicht nach werden die Berater dem Unternehmen empfehlen, Anteile zu verkaufen, um wieder auf stabilere Füße zu kommen.
Eine Insolvenz der BayWa gilt in der Agrarbranche eben wegen ihrer großen Bedeutung aber als quasi ausgeschlossen. Da die BayWa mittlerweile in 50 Ländern aktiv ist, würde ein Zusammenbruch rund um den Globus Unruhe am Agrarmarkt auslösen.
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Unternehmensname BayWa kein Begriff ist, kennen mitunter Produkte des Unternehmens: Der Apfelproduzenten Turners & Growers (T&G) aus Neuseeland etwa gehört zum Konzern. Auch in deutschen Supermarktregalen sind die beiden T&G-Apfelsorten "Envy" und "Jazz" häufig zu finden.