2 months ago

Hisbollah-Szenario für Russland?: Israel macht, wovor Putin Angst hat



Israel geht seit Wochen massiv gegen die Terroristen von Hamas und Hisbollah vor. Etliche Kämpfer, wichtige Kommandeure, Hamas- und Hisbollah-Anführer wurden getötet, die Terrorgruppen anscheinend innerhalb weniger Wochen handlungsunfähig. Diese Entwicklung bereitet russischen Nationalisten Sorgen.

Auf den ersten Blick haben die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nichts miteinander zu tun. Doch russische Nationalisten sehen das anders. Mit Sorge betrachten sie, wie Israel erst die Hamas im Gazastreifen und nun die Hisbollah im Libanon bekämpft. Die Nationalisten befürchten, dass auch Russland anfällig sein könnte für die Art von Angriffen, mit denen Israel die Terrorgruppen zermürbt. Moskau schaut derzeit sehr genau auf das, was im Libanon passiert, schreibt das Zentrum für europäische Politik-Analyse CEPA in einer neuen Analyse.

Einige russische Propagandaseiten sehen Parallelen zwischen der mittlerweile deutlich geschwächten Hisbollah und Russland. Sie warnen den Kreml davor, nicht nachlässig zu werden. Russland müsse Lehren daraus ziehen, was gerade im Libanon passiert. Ansonsten könne die Führungsstruktur des russischen Staates auf ähnliche Weise zerstört werden wie die Führung der Hisbollah.

Mit besonders radikalen Worten hat zuletzt einer der führenden russischen Nationalisten auf den Tod von Hassan Nasrallah reagiert. Der israelische Militärschlag gegen den langjährigen Hisbollah-Führer sei der "Anfang vom Ende der Welt" und ein "kolossaler Schlag gegen die gesamte Struktur des nahöstlichen Widerstands", schrieb Aleksandr Dugin, ein selbst ernannter Philosoph und dem Kreml nahestehender Nationalist.

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Dugin und andere Radikale sehen in erfolgreichen Militäroperationen gegen Terroristen wie Nasrallah inzwischen offenbar eine bedrohliche Blaupause für das eigene Regime. Deshalb fordern sie Präventivschläge gegen Russlands Gegner. Auch kremlnahe Militäranalysten halten ein solches Vorgehen für richtig, wie aus Texten auf der Plattform Military Review hervorgeht. "Israels Terrorakte im Libanon wirft Fragen zur Sicherheit der Russen auf", schreibt etwa Jewgeni Fjodorow, ein rechtsextremer Abgeordneter der Putin-Partei "Einiges Russland" in der Staatsduma.

Israel: Russland liefert Waffen an die Hisbollah

Russland steht formell nicht aufseiten der Terroristen im Nahen Osten, eine Allianz gibt es aber schon zwischen Moskau und diversen radikalen israelfeindlichen Kräften der Region. Frei nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beschuldigt Russland sogar, die Hisbollah mit den neuesten Waffen zu unterstützen. Seine Armee habe bei Einsätzen im Libanon "hochmoderne russische Waffen" gefunden, sagte Netanjahu vorige Woche der französischen Zeitung "Le Figaro".

Russland habe "seine Solidarität mit den Ausgestoßenen der Welt zum Ausdruck gebracht", fasst CEPA-Analystin Kseniya Kirillova zusammen. Zu der Erkenntnis passt auch das informelle Bündnis zwischen Russland und dem Iran. Das Regime in Teheran ist der größte Förderer der Hisbollah. Wie Russland werde auch der Iran vom Westen absichtlich "in das schlimmste Szenario" gesteuert, behaupten die kremlnahen Militäranalysten von Military Review. Russland werde demnach zum Atomwaffen-Einsatz und der Iran zum "Eintritt in umfassende Feindseligkeiten mit Israel" gedrängt.

Beide Länder sollten deshalb eine "unerwartete und nicht triviale Lösung" entwickeln, lautet die Forderung der Nationalisten. Konkrete Vorschläge werden direkt mitgeliefert: Ein massiver Raketenangriff auf Regierungsgebäude in Kiew oder Angriffe auf NATO-Länder unter falscher Flagge. Drohnen könnten etwa amerikanische Radaranlagen oder Öl- und Gasförderstationen in Norwegen attackieren. Oder eine Satellitenfirma in Finnland. Oder Raketenstationen in Rumänien. Oder Munitionsdepots und Treibstofflager im Baltikum. Oder britische Schiffe versenken. Alles unter dem Vorwand, "dass Russland damit nichts zu tun hat."

Wachsender Antisemitismus in Russland

In diese absurden Überlegungen mischt sich eine Menge Antisemitismus. Unter radikalen russischen Nationalisten hat sich die Verschwörungserzählung ausgebreitet, dass der Krieg in der Ukraine von Juden ausgelöst worden sei, um das Land von Slawen zu säubern und sich selbst dort niederzulassen. Solche absurden Erzählungen könnten einen Anteil an den antisemitischen Pogromen in Dagestan vor einem Jahr haben.

Es gab eine Zeit, da hatten besonders Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ein gutes Verhältnis miteinander. Beide Länder näherten sich nach Putins Amtsübernahme mehr und mehr an. 2012 eröffnete Putin in Moskau ein jüdisches Museum. 2016 rief er europäische Juden auf, nach Russland auszuwandern, vor dem Hintergrund des Antisemitismus in Europa.

Auch der Einmarsch der Kreml-Truppen in die Ukraine hat zunächst nicht viel geändert am verbesserten Verhältnis der beiden Länder. Israel lehnte Sanktionen gegen Russland ab und lieferte der Ukraine auch keine Waffen.

Mittlerweile hat sich die Lage aber geändert und das Verhältnis von Russland und Israel deutlich abgekühlt. Die israelkritische Haltung von Russland wurde besonders nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober des vergangenen Jahres deutlich. Kremlchef Wladimir Putin kondolierte Israels Premier erst zehn Tage später und sprach dabei explizit nicht von einem Terrorangriff. In den Monaten danach setzte er sich immer stärker von Israel ab und wandte sich den Gegnern des jüdischen Staates zu. Putin gab dem Westen und nicht den Terroristen die Schuld am Krieg in Gaza.

Möglicherweise liefert Israel Putins Gegnern jetzt eine Blaupause dafür, wie man den Kremlchef besiegen kann.

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