Die Drohne HF-Karma unterscheidet sich von anderen Systemen durch die Art ihrer Navigation und den Einsatz von KI. Und durch den Preis: Sie soll spottbillig sein.
Die Ukraine erhält nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius 4.000 Kampfdrohnen aus deutscher Produktion. Das Einsatzspektrum der HF-Karma-Drohne des Münchner Softwarespezialisten Helsing ist nicht einzigartig, es deckt die gleichen Bereiche ab wie die russische Lancet. Im Vergleich zu den kleinen, mit Videobrille gesteuerten FPV-Drohnen und Quadrocoptern hat die HF-Karma eine deutlich größere Reichweite.
Bei den kleinen Systemen ist bei etwa zehn Kilometern die Grenze erreicht. HF-Karma soll 40 Kilometer zurücklegen. Teils werden weit größere Reichweiten von 150 Kilometern genannt. So kommen frontnahe Kommandostände und logistische Einrichtungen ins Visier und auch die Artillerie.
Bei der Navigation vertraut die Drohne nicht allein den Satelliten und den Fähigkeiten des Operateurs, sie orientiert sich an Geländedaten. Der Vorteil: Das Stören des Satellitensignals bringt die Drohne nicht vom Kurs ab und der Bediener muss nicht auf Sicht fliegen. Der Nachteil: Diese Geländedaten müssen gesammelt und aufbereitet werden. Weil der Marschflugkörper Taurus ebenfalls mit Geodaten und Geländemarken arbeitet, schrieb die “Bild” vom "Mini-Taurus".
KI ist günstig geworden
Das ist vielleicht etwas überzogen. Grundsätzlich sind derartige Lösungen wegen der Zunahme an Rechenkraft heute sehr viel einfacher und billiger umzusetzen als zur Entstehungszeit des Taurus vor etwa 20 Jahren. Mit Rechenleistung hat auch eine weitere Besonderheit der Drohne zu tun. Sie ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet. Das wird die Navigation erleichtern, soll aber vor allem dazu dienen, das Ziel auch dann zu treffen, wenn der Gegner die Funkverbindung stört.
Letztlich ist das keine unmögliche Aufgabe. Die Drohne muss in der Lage sein, ihr Ziel selbst zu erkennen – also etwa einen T-72 Panzer zu identifizieren. Möglich wird das, weil Boards mit KI-Chips inzwischen sehr billig geworden sind. Helsings Altra Recce-Strike-Software soll es ermöglichen, dass mehrere Drohnen gleichzeitig operieren und dabei Schwarmtaktiken nutzen. Die Leistungsangaben der Firma werden zwar bezweifelt, in der Ukraine sollen sich aber bereits Prototypen in der Erprobung befinden.Scalpel Drohne 18.04
Verteidigungsminister Pistorius sagte bei einem Besuch von Helsing, dass jetzt mit der Auslieferung der Waffe begonnen werde. Angekündigt wurde die Lieferung bereits im Juni. "Das sind Drohnen, die sind in der Lage 30, 40 Kilometer ins Hinterland zu reichen", so Pistorius. Jede Drohne trägt etwa 4,5 Kilogramm Sprengstoff.
Drohne ist kaum zu stören
Die Russen können häufig den elektronischen Raum kontrollieren, dann verlieren funkgesteuerte Drohnen stark an Wirksamkeit. Dem kann man mit der Steuerung über ein Glasfaserkabel entgegenwirken oder durch eine Lösung wie bei der HF-Karma.
Mit der HF-Karma bekommen die Ukrainer ein Äquivalent zu den russischen Lancet Drohnen. Die Wirksamkeit von Lancet oder HF-Karma wird von Aufklärungsdrohnen bestimmt, denn eine Angriffsdrohne wird nicht auf gut Glück gestartet in der Hoffnung, ein Ziel zu erspähen. Reichweite und Flugzeit sind begrenzt und die Drohnen können nicht stundenlang über einem Gebiet kreisen. Diese Aufgabe übernehmen spezielle Aufklärungsdrohnen, die die Zieldaten übermitteln.
Ausgesprochene Billig-Drohne
4000 Stück sind eine große Zahl, das bedeutet, die Ukraine erhält vermutlich einige Hundert Drohnen im Monat. Der Hersteller Helsing gibt an, dass die Waffe deutlich billiger sein soll als vergleichbare Systeme wie die Switchblade aus den USA oder die Lancet aus Russland. Laut westlichen Schätzungen soll eine Lancet Drohne zwischen 20.000 und 30.000 Euro kosten. Bauschaum Drohne 17.55
Hersteller Helsing ist ein Newcomer. Die Eigenbeschreibung der Firma lautet: "Helsing wurde als inhabergeführtes Technologie-Unternehmen gegründet, um den ausschließlichen Geschäftszweck der Entwicklung und Einführung von KI-Fähigkeiten im Sicherheitssektor zu verfolgen. Es ist Helsings Anspruch, als europäischer Technologievorreiter demokratische Gesellschaften zu befähigen, souveräne Entscheidungen zu treffen und eigene ethische Standards durchsetzen zu können." Das deutet darauf hin, dass Helsing im Wesentlichen die Software beisteuert. Das Besondere dabei: Leistungsfähige Software muss einmal entwickelt werden und kann dann ohne weitere Kosten beliebig kopiert werden. Sie wird mit einer ausgesprochen billigen Plattform kombiniert.
Laut Informationen des "Spiegel" ist die Grundlage der HF-Karma eine Drohne des US-Hersteller Terminal Autonomy – die AQ 100 Bayonet. Gebaut aus Sperrholz sieht sie aus wie ein unförmiges Modellflugzeug. Die Drohnen sollen in der Ukraine montiert werden. Neu ist das nicht, die Russen bauen ebenfalls Drohnen aus Sperrholz (Scalpel) oder gar aus Bauschaum. Solche Ansätze denken das Konzept der Kamikaze-Drohne zu Ende. Diese Modelle leben nur einen einzigen Flug von weniger als einer Stunde Dauer, sie müssen nicht die Anforderungen erfüllen, die an andere langlebige Flugkörper gestellt werden. Normalerweise sind Güter der westlichen Rüstungsindustrie sehr teuer, dieses hier ist eine Billig-Waffe, die daher in großen Stückzahlen hergestellt werden kann.
Quelle: "Bild", "Spiegel", Terminal Autonomy