Hunde und Katzen werden immer älter - dank guter medizinischer Vorsorge und Betreuung. Sehr viele ältere Tiere erkranken laut Experten an Demenz. Lässt sich gegensteuern?
Manchmal bleibt der kleine Kerl einfach stehen und weiß nicht mehr, wo er ist. Mops Olli ist mit 15 Jahren hochbetagt, hilfsbedürftig, oft orientierungslos, sieht und hört nur noch wenig, die Hinterbeine schmerzen. "Olli hat schon seit ein paar Jahren Demenz", sagt Besitzerin Ute Hausmann. Sie hat sich ganz auf seine Bedürfnisse eingestellt, hegt, pflegt, umsorgt und fördert das Tier, das seit elf Jahren bei ihr und ihrem Mann im Rheinisch-Bergischen Kreis nahe Köln lebt. Denn: "Olli ist heiß geliebt."
Demenz bei älteren Hunden und Katzen ist weit verbreitet
Bei Hunden und Katzen kommt Demenz im höheren Alter häufig vor, schildert Mediziner Holger Volk von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Bei Hunden im Alter von 12 bis 13 Jahren weise etwa eines von drei Tieren die klinischen Symptome auf. Im Alter von 15 bis 16 Jahren seien schon zwei von drei Hunden vom "caninen kognitiven Dysfunktionssyndrom" betroffen. Und unter den sehr alten Katzen um die 16 Jahre haben rund 50 Prozent Demenz, in dem Fall "felines" Syndrom genannt. Also insgesamt eine "Riesenzahl", betont der Experte.
Ganz wichtig sei frühe Intervention. "Wenn Tierbesitzer Auffälligkeiten bemerken, ist es oft schon fast zu spät", berichtet der Leiter der Klinik für Kleintiere. Schwierig: Die Anzeichen fallen unterschiedlich aus, Demenz entwickelt sich fortschreitend, ist meist begleitet von anderen Erkrankungen und nicht leicht zu trennen von "normalen" degenerativen Alterserscheinungen.
Wie kommt es zur Demenz und wie zeigt sie sich?
Die Nervenzellen können nicht mehr richtig arbeiten - hervorgerufen durch Veränderungen des Gehirn-Stoffwechsels oder auch Entzündungen und Ablagerungen von Eiweißen. Das Tier wird langsamer, manche verlernen eingeübte Kommandos, es kommt zu Verwirrung, schlechtem Schlaf - und auch zu Verhaltensveränderungen. "Eigenbrötlerisches Verhalten und Rückzug", nennt Volk als Beispiele. Häufig treten Gelenkschmerzen oder Zahnerkrankungen auf.
Prävention kann helfen. Dazu gehöre eine passende zuckerarme Ernährung - mit bestimmten Fettsäuren, die als Energiequellen für die älteren Tiere gut nutzbar sind und Entzündungsreaktionen vorbeugen. Werde Demenz diagnostiziert, gehöre entsprechend spezielles Futter auf jeden Fall zur Strategie. Zentrale Bedeutung haben auch Bewegung und mentale Stimulation. "An Medikamenten gibt es nicht viel" - einen Wachmacher bei andauernd schlechtem Schlaf oder ein Mittel zur Durchblutungsförderung. Es sei wichtig, das Tier aufmerksam mit Blick auf Veränderungen zu beobachten.
Bei Katzen kann genaues Beobachten schwieriger sein
Katzen gehen gerne ihre eigenen Wege - und fallen daher eher mal aus dem Blick. Anzeichen für Demenz könnten sein, dass die Katze ängstlich wirke, weniger Aktivität und Interaktion zeige, erläutert der Tiermediziner. Sehr häufig: Katzen miauen auffällig laut, schreien nachts geradezu - das Tier versuche sich damit zu lokalisieren.
Es komme auch vor, dass die Katze das Katzenklo nicht mehr finde - ebenso wie der sonst stubenreine Hund nicht mehr anzeige, wenn er mal müsse, und sich stattdessen in der Wohnung entleere, heißt es bei der Tierschutz-Stiftung Vier Pfoten. Demenz bedeute nicht nur für die erkrankten Tiere, sondern auch für deren Familien Veränderungen. Mit Geduld und der richtigen Fürsorge lasse sich das Fortschreiten der unheilbaren Erkrankung verlangsamen.
Bewegung und Regelmäßigkeit für Senior-Mops Olli
Sie achte auf Bewegung und Regelmäßigkeit, sagt Ute Hausmann. Jeden Morgen massiert sie ihrem Mops die schmerzenden Hinterbeine. Dann geht es zwei- bis dreimal am Tag raus - stets dieselben vertrauten Kurzstrecken und sehr langsam. "Das hilft ihm zurechtzukommen." Schon eine Bürgersteigkante bedeute eine Herausforderung. Nach der kleinen Runde hebt die 74-Jährige das Neun-Kilo-Päckchen daheim aufs Sofa. "Olli war einmal sehr stürmisch und lebendig. Jetzt ist er langsam, unsicher und will immer sein, wo ich bin, läuft mir ständig nach."
Interaktion mit anderen Vierbeinern fällt aber aus: "Von anderen Hunden will er gar nichts mehr wissen. Früher war er immer gut drauf, war sehr interessiert an den Weibchen, aber inzwischen mag er gar keinen Kontakt mehr." Nachts wache ihr Mops oft auf und wirke völlig verloren. "Olli ist ein vorsichtiger, feiner Charakter, nicht aggressiv und zum Glück noch sauber." Er schaffe es, sich bemerkbar zu machen - und dann ab durch die Wohnzimmertür in den Garten. Veränderungen entgehen der früheren Erzieherin nicht, sie kennt ihren Mops genau. In Menschenjahre umgerechnet ist Olli fast 100 Jahre alt.
Aufmerksamkeit für ältere Tiere und Demenz-Problematik wächst
Da viele Haustiere inzwischen sehr alt werden, wächst auch die Aufmerksamkeit für das Thema, wie Holger Volk beobachtet. Aktuell sei es aber oft noch so, dass Mediziner vor Ort lediglich Begleiterkrankungen etwa am Herzen, an der Niere oder an den Gelenken diagnostizieren und behandeln. "Das Gehirn ist bisher nicht so im Fokus, aber das kommt immer mehr."
Tierbesitzern helfe es oft, wenn sie Klarheit bekämen und die Diagnose Demenz gesichert gestellt werde, weiß der Experte. Ähnlich wie beim Menschen gelte auch für Hunde und Katzen: Alter sei ein Risikofaktor, aber keine Ursache für Demenz. "Man muss viel stärker präventiv arbeiten. Für ein glückliches Leben gehört ein gesundes Gehirn dazu."