Gefechte im Gazastreifen und im Libanon fordern weitere Todesopfer. Währenddessen hoffen die internationalen Vermittler, bei den Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Hamas die entscheidende Phase beginnen zu können. Ein Kompromiss ist bei wichtigen Fragen allerdings noch nicht in Sicht.
Die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg sollen diese Woche nach dem Willen der internationalen Vermittler in eine entscheidende Phase eintreten. Im Rahmen der Anstrengungen für einen Durchbruch bei den Verhandlungen ist US-Außenminister Antony Blinken in Israel eingetroffen. Am Montag will er mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sprechen. Parallel dazu wollen sich Unterhändler im Verlauf der Woche in kleineren Gruppen in Kairo mit noch strittigen Fragen befassen. Binnen einer Woche soll dann in Kairo ein neues übergreifendes Treffen der Spitzenvertreter stattfinden. Die USA, Katar und Ägypten vermitteln bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas.
Die US-Regierung verfolge das Ziel, den Gaza-Krieg sowie die damit verbundenen Konfrontationen an weiteren Fronten im Nahen Osten zu beenden, bevor das Rennen um die US-Präsidentschaft in die entscheidende Phase eintrete, schrieb die israelische Zeitung "Jediot Achronot". Die US-Wahl ist Anfang November.
Die Hamas im Gazastreifen hat die Vorschläge aus der letzten Verhandlungsrunde jedoch abgelehnt. "Nachdem wir von den Vermittlern hörten, was bei der letzten Gesprächsrunde in Doha erörtert wurde, sind wir ein weiteres Mal davon überzeugt, dass Netanjahu einer Einigung weiterhin Hindernisse in den Weg legt", heißt es in einer Erklärung der Terrororganisation. Es handelte sich um das erste Statement der Hamas seit der letzten Gesprächsrunde, die am Donnerstag und Freitag in der katarischen Hauptstadt Doha stattfand. Die Hamas nahm daran nicht teil, weswegen sie sich von den Vermittlern über die Ergebnisse informieren ließ.
Streitpunkt Philadelphi-Korridor
Israels Regierungsschef Netanjahu hatte zuvor erklärt, die Verhandlungen seien "komplex". Dabei gebe es Punkte, bei denen sich Israel flexibel zeigen könne, sagte er laut seinem Büro zum Auftakt einer Kabinettssitzung. Doch gehe dies nicht bei Fragen, die essenziell für die Sicherheit des Landes seien: "Wir wissen sehr gut, wie wir zwischen beiden zu unterscheiden haben." Um die Freilassung der verschleppten Geiseln zu erreichen, müsse man sowohl starken militärischen als auch diplomatischen Druck ausüben. Neben "Riesenanstrengungen", die man zur Rückführung der Geiseln unternehme, gebe es daher für die Sicherheit des Landes essenziell wichtige Grundsätze, auf denen Israel bestehe, sagte der Regierungschef.
Israels bisherige Forderung nach einer dauerhaften Kontrolle der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist einem Medienbericht zufolge eines der Hindernisse für eine Einigung. Ein von den USA vorgelegter Vorschlag zur Überbrückung der noch offenen Fragen habe diese Forderung zunächst ausgeklammert, berichtete der israelische Sender Channel 12. Die Hamas wirft Israel vor, die Verhandlungen mit der Weigerung zu blockieren, sich aus dem sogenannten Philadelphi-Korridor zurückzuziehen, der im Süden Gazas entlang der Grenze zu Ägypten verläuft.
Netanjahu dagegen verlangt, dass die Armee den Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrolliert, etwa um Waffenschmuggel zu verhindern. Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Rückkehr von in den südlichen Gazastreifen geflohenen Bewohnern in den Norden des abgeriegelten Küstengebiets. Netanjahu fordert, dass ein Abkommen die Rückkehr bewaffneter Hamas-Kämpfer in den Norden verhindert.
Grundlage der Verhandlungen ist ein Plan zur Beendigung des Krieges in drei Phasen, den US-Präsident Joe Biden im Mai vorgestellt hatte. Er sieht zunächst eine uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In der Zeit würde eine bestimmte Gruppe Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau Gazas beginnen.
Erneut Tote in Gaza und im Libanon
Der Konflikt in der Region hatte sich zuletzt erheblich zugespitzt. Der Iran und die von ihm unterstützte Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon drohen Israel seit den Tötungen von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran und Hisbollah-Militärchef Fuad Schukr in Beirut Ende Juli mit Vergeltung. Die Hamas und der Iran machen Israel für beide Angriffe verantwortlich.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1198 Menschen getötet und 251 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Israel geht seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden dabei mehr als 40.000 Menschen getötet.
Am Wochenende dauerten die Kämpfe sowohl im Gazastreifen als auch im israelisch-libanesischen Grenzgebiet an. In der Stadt Gaza machte die Hamas-Zivilschutzbehörde Israel für einen Angriff mit 15 Toten aus einer Familie verantwortlich. Die israelische Armee hatte dort nach eigenen Angaben Raketenwerfer islamistischer Gruppen ins Visier genommen.
Im Südlibanon wurden nach Behördenangaben zehn Menschen in der Grenzregion Nabatijeh bei einem nächtlichen israelischen Luftangriff getötet, darunter eine Frau und ihre beiden Kinder. Die israelische Armee erklärte, sie habe "in der Nacht ein Waffenlager der Hisbollah" in der Region getroffen. Drei Blauhelmsoldaten der UN-Friedenstruppe Unifil wurden nach UN-Angaben bei einer Explosion nahe des grenznahen Dorfs Yarine verletzt.