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„Going Dark“: EU stellt Strategie zur Inneren Sicherheit vor



Ein Fahrplan soll noch in diesem Jahr festschreiben, unter welchen Bedingungen Polizeien auf Daten zugreifen dürfen – womöglich auch auf verschlüsselte. Auch bei der Vorratsdatenspeicherung soll sich dieses Jahr noch einiges bewegen.

Gemeinsam mit Magnus Brunner stellte die EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen die neue europäische Sicherheitsstrategie vor. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Martin Bertrand

Mit einer neuen Strategie zur inneren Sicherheit will die EU auf alte und neue Bedrohungen reagieren. Dabei spiele die „Online-Dimension von Sicherheit“ eine immer stärkere Rolle, sagte EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen bei der heutigen Vorstellung von „ProtectEU“.

Die EU sei zunehmend von Terrorismus und Organisierter Kriminalität bedroht, hinzu kämen hybride Bedrohungen, Desinformation und Sabotageaktionen, die teils von Nationalstaaten gesteuert würden. Fast immer spielten dabei digitale Daten eine Rolle, betonte Virkkunen: Gleich mehrfach verwies die finnische Politikerin darauf, dass in 85 Prozent aller Ermittlungen Bedarf an Zugang zu Daten bestehe.

Womöglich ist genau das die größte Herausforderung, vor der die EU-Kommission steht. „Wir brauchen Zugang zu Daten, ohne die Privatsphäre und IT-Sicherheit zu schwächen“, sagte Virkkunen. Wie das genau aussehen soll, steht weiterhin in den Sternen: Derzeit arbeite die Kommission an einem Fahrplan, so die Digitalkommissarin. Mit dem soll noch im laufenden Jahr die Quadratur des Kreises gelingen.

Gefährliche Hintertüren

Zugang zu Daten, insbesondere zu verschlüsselten, wünschen sich Polizeibehörden schon seit Jahrzehnten. Dagegen steht die Expertise von IT-Fachleuten, die ebenso lange vor diesem Ansatz warnen: Hintertüren zu verschlüsselten Diensten gefährden die Sicherheit des gesamten IT-Ökosystems, so die praktisch einhellige Einschätzung von IT-Expert:innen.

Im Vorjahr hatte eine eigene Arbeitsgruppe im Auftrag der EU ergründet, wie sich die technischen Hürden umschiffen ließen. Viele Details blieb die Runde, die vorrangig aus Vertreter:innen von Polizeien und Geheimdiensten bestand, zwar schuldig. Aber ihre Empfehlungen waren sehr klar: So müsse etwa ein Zugang zu verschlüsselten Inhalten geschaffen werden, zudem brauche es einen EU-weiten Ansatz für eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung.

An beidem werde derzeit gearbeitet, sagte Virkkunen. Neben dem Fahrplan zur Entschlüsselung soll in diesem Jahr auch noch eine Folgenabschätzung zur Vorratsdatenspeicherung fertiggestellt werden. Insgesamt soll das angestrebte Modell aus „Rechtsstaatlichkeit, IT-Sicherheit und Privatsphäre“ bestehen, so Virkkunen, außerdem soll die gesamte Gesellschaft einbezogen werden.

Zumindest rhetorisch klang Magnus Brunner, EU-Kommissar für Inneres und Migration, bei der Vorstellung von ProtectEU etwas schwächer. Die angekündigte Folgeabschätzung der Vorratsdatenspeicherung sei mit der Absicht gestartet worden, potenziell zu EU-weiten Regeln zu führen. Das Ergebnis stehe jetzt noch nicht fest, es werde „faktenbasiert“ ausfallen, sagte Brunner. Bei Null beginne man jedoch nicht: „Wir ziehen alle Beweise heran“, sagte Brunner, auch die Empfehlungen der Arbeitgruppe zu „Going Dark“.

Neue europäische Sicherheits-Governance

Übergeordnet soll jedoch ein völlig neuer Ansatz, eine „neue europäische Governance für die innere Sicherheit“ entstehen, fordert die EU-Kommission. Zurückgehen soll das auf die Wünsche der EU-Mitgliedstaaten, die solche an die Kommission herangetragen hätten. „Unsere Strategie ist die Antwort darauf“, sagte Brunner.

Generell soll die Zusammenarbeit zwischen nationalen europäischen Polizeibehörden verbessert und gestärkt werden. Gelten soll das auch für Behörden wie Eurojust, Frontex, Enisa und Europol – letztere soll gar zu einer „wirklich funktionsfähigen Polizeibehörde“ umgestaltet werden.

Zugleich soll die EU als globale Spielerin wachsen. Brunner verwies auf das jüngst geschlossene Abkommen zwischen Europol und Brasilien, das laut Brunner schon erste Erfolge gezeitigt haben soll. Neben solchen Partnerschaften mit lateinamerikanischen Ländern soll auch der Mittelmeerraum enger an die EU gebunden werden.

Als sogenannte „Mitteilung“ hat ProtectEU vorerst keine bindende Kraft. Üblicherweise ist das Instrument jedoch eine Vorstufe zu legislativen Maßnahmen, also konkreten Gesetzen. Zumindest ein Teil der heute vorgestellten Maßnahmen dürfte sich im Laufe des Jahres in einschlägigen Entwürfen der Kommission wiederfinden.


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