Gescheiterter Wahlgang sorgt für Unruhe in der Wirtschaft

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Stand: 06.05.2025 12:51 Uhr

Nach dem gescheiterten Wahlgang bei der Kanzlerwahl ist die Wirtschaft besorgt. Es zeige sich, dass der Koalitionsvertrag teils auf tiefe Ablehnung stoße, so DIW-Chef Fratzscher. Der DAX reagiert mit Kursverlusten.

Der gescheiterte Wahlgang sorgt auch in der Wirtschaft für große Unruhe. "Die Wahlniederlage für Friedrich Merz bei der Wahl zum Bundeskanzler ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und zeigt, wie tief gespalten der Bundestag ist", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

"Die Wahlniederlage von Merz unterstreicht, wie weit Union und SPD politisch voneinander entfernt sind und dass der Koalitionsvertrag bei zahlreichen Abgeordneten auf tiefe Ablehnung stößt", so Fratzscher.

"Schlechtes Signal für Wirtschaftsstandort"

Die Wahlschlappe sei auch ein schlechtes Zeichen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Dass Merz nun im ersten Wahlgang gescheitert ist, sendet ein verheerendes Signal in die Gesellschaft und in die Wirtschaft: Die Reihen sind nicht geschlossen", sagte der Düsseldorfer Wirtschafts-Professor Jens Südekum der Nachrichtenagentur Reuters. Zwar habe es Warnungen gegeben, "dass es knapp werden könnte. Aber eigentlich waren alle davon ausgegangen, dass die Wahl schon glatt gehen wird," so Südekum.

Auch in Zukunft müsse mit Querschüssen gerechnet werden, wenn es um heikle Themen gehe. "Dabei brauchen der Wirtschaftsstandort und das gesamte Land vor allem eines - eine stabile Regierung, die planbare Politik betreibt", sagte Südekum.

Zweifel an Reformen

Ähnlich äußerte sich auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe: "Das Signal ist, dass Deutschland nicht mal mehr eine Regierung wählen kann. Die Wirtschaft dümpelt ohnehin vor sich hin, Strukturreformen sind überfällig."

Nach den Worten von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ruft die Abstimmungs-Panne in Erinnerung, dass sich eine künftige schwarz-rote Bundesregierung nur auf eine knappe Mehrheit stützen könne. "Das ist ein schwieriges Umfeld für wirtschaftspolitische Reformen", sagte Krämer. "Wir erwarten weiter keinen echten Neustart in der Wirtschaftspolitik, der nach der langjährigen Erosion der Standortqualität notwendig wäre."

Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Berenberg, sprach von einer bösen Überraschung für Merz und betonte: "Das wird Zweifel an seiner Fähigkeit säen, seine Agenda in vollem Umfang durchzusetzen, was seiner Autorität im In- und Ausland zumindest anfänglich schaden würde."

"Vorgeschmack auf die Regierungsarbeit"

"Die fehlenden Stimmen zur Wahl von Friedrich Merz kann man sicherlich als Vorgeschmack auf die nicht ganz einfache Regierungsarbeit sehen, mit der Union und SPD zu tun haben werden", sagte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. Er sagte aber auch: "Überdramatisieren sollte man die Lage aber auch nicht." Schließlich habe man sich im Koalitionsvertrag auf viele sinnvolle Maßnahmen geeinigt, "die Parteien haben diesen Plänen zugestimmt und von daher ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser Maßnahmen in den kommenden Monaten und Jahren auch umgesetzt wird."

Der Rückschlag für Merz hat auch einen Rücksetzer am Aktienmarkt ausgelöst. Der DAX rutschte schon kurz nach dem Auftakt ins Minus und verstärkte diese Bewegung nach der Merz-Pleite im ersten Wahlgang. Zuletzt büßte der Leitindex 1,7 Prozent auf 22.944 Punkte ein.

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