US-Wahlen sind in den vergangenen Jahrzehnten immer öfter Gegenstand von Gerichten. Da auch in diesem Jahr ein knappes Ergebnis zu erwarten ist, fluten vor allem Republikaner vorab bereits Gerichte mit Anträgen, um vermeintlichem Betrug vorzubauen - und um eigene Erzählungen zu streuen.
Vor vier Jahren versuchte Donald Trump seine Niederlage bei der US-Präsidentschaftswahl vor Gericht anzufechten. Ohne Erfolg. Dieses Jahr überhäufen die Republikaner, aber auch Demokraten, bereits vor dem Wahltag die Justiz mit Klagen. Darin beanstanden sie unter anderem den Ablauf der Stimmauszählung, die Wahlmaschinen, die Registrierung und Identifizierung der Wähler sowie die Briefwahl.
Trumps Partei konzentriert sich vor allem darauf, Nicht-US-Bürger von der Wahl auszuschließen. Dabei kommt es Wahlbeobachtern zufolge äußerst selten vor, dass Ausländer in den USA ihre Stimme abgeben. Doch die Republikaner behaupten, die Demokraten würden massenhaft Migranten illegal ins Land holen, die dann für ihre Kandidatin Kamala Harris stimmen sollten.
Die meisten dieser Klagen reichte das Republican National Committee (RNC) ein, das Organisationsgremium der Partei, das unter anderem von Trumps Schwiegertochter Lara Trump geleitet wird. Die mehr als hundert Anfechtungen betreffen hauptsächlich die sieben Swing States, in denen sich aufgrund der voraussichtlich extrem knappen Mehrheitsverhältnisse die Wahl entscheiden dürfte.
Die Demokraten formulierten ihrerseits Dutzende Klagen und rekrutierten Top-Anwälte, um vor und nach der Wahl Rechtsstreitigkeiten auszutragen.
Verschwörungserzählung von gestohlener Wahl
Trump verbreitet bis heute die haltlose Lüge, die Wahl 2020 sei ihm von den Demokraten "gestohlen" worden. Er stachelte seine Anhänger wegen des angeblichen Wahlbetrugs an, bis am 6. Januar 2021 ein Mob fanatischer Trump-Fans das Kapitol in Washington stürmte. Der 78-Jährige ist auf Landes- und Bundesebene wegen Verschwörung zur Beeinflussung der Wahl 2020 angeklagt. Doch falls es überhaupt je zum Prozess gegen ihn kommt, wird die diesjährige Präsidentschaftswahl längst gelaufen sein.
Harris könne die Wahl gegen ihn nur durch Betrug gewinnen, behauptet der republikanische Ex-Präsident. "Ich beobachte zusammen mit vielen Anwälten und Rechtswissenschaftlern die Unverletzlichkeit der Präsidentschaftswahl 2024 sehr genau, weil ich besser als die meisten anderen weiß, welche zügellosen Betrügereien und Machenschaften die Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2020 begangen haben", schrieb Trump kürzlich in seinem Onlinedienst Truth Social.
Der Geschichtsprofessor Donald Nieman von der Universität Binghamton hält die Klagen der Republikaner für eine "strategische, gut durchdachte juristische Kampagne, um die Ergebnisse der Wahl vor Gericht anzufechten", sollte Trump verlieren. Das Vorgehen sei diesmal viel besser organisiert als 2020, als Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani planlos agiert habe.
Republikaner besser vorbereitet
Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von New York, musste sich in Georgia und Arizona wegen seiner Versuche, die Wahlergebnisse zu untergraben, vor Gericht verantworten und muss fast 150 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) für die Verleumdung von zwei Wahlhelferinnen zahlen. "2020 hatte Trump eine bunte Truppe von Anwälten, von denen viele wenig juristischen Scharfsinn hatten, dafür aber wilde Verschwörungstheorien zuhauf", sagt Nieman.
Einige der bemerkenswertesten Rechtsstreitigkeiten im Vorfeld der diesjährigen Wahl spielten sich im Swing State Georgia ab, den Präsident Joe Biden vor vier Jahren mit einer hauchdünnen Mehrheit von nicht einmal 12.000 Stimmen gewann. Republikanische Mitglieder des dortigen Wahlausschusses versuchten seither, neue Regeln durchzusetzen, unter anderem die Stimmauszählung per Hand. Doch Richter stoppten die Änderungen.
Die Zahl der Stimmen, die potenziell von den einzelnen Klagen betroffen sind, sei "sehr gering", sagt Derek Muller, der an der University of Notre Dame Wahlrecht lehrt. "Wir sprechen hier von 1000 oder 2000 Stimmzetteln. Aber wenn die Wahl sehr knapp ist, kommt es auf alles an." Der Jurist erinnert an das Wahlergebnis 2000 in Florida, wo der Republikaner George W. Bush nur 537 Stimmen mehr hatte als der demokratische Kandidat Al Gore.
Der Oberste Gerichtshof entschied damals bei der strittigen Neuauszählung der Stimmen in Florida zugunsten von Bush. Nach der Wahl in diesem Jahr könnte die höchste Instanz erneut angerufen werden. Am Mittwoch schalteten sich die obersten Richter bereits ein und erlaubten dem republikanisch regierten Bundesstaat Virginia, etwa 1600 Menschen, die angeblich keine US-Bürger sind, aus den Wählerlisten zu streichen.
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