
Da ist Druck auf dem Kessel. Noch keine Woche ist vergangen seit dem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Machthaber Wladimir Putin, in dem beide Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine vereinbarten. Nun kamen hochkarätige Delegationen aus beiden Ländern in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad zusammen, um Bedingungen dafür auszuloten.
US-Außenminister Marco Rubio, der nationale Sicherheitsberater Mike Waltz und der Nahost-Sondergesandte Steve Witkoff trafen im saudi-arabischen Riad auf Kreml-Außenminister Sergej Lawrow und Präsidentenberater Juri Uschakow. Konkrete Ergebnisse: keine.
Warum meldet Riad keine konkreten Ergebnisse?
Beide Delegationen bemühten sich mit Blick auf dieses erste Treffen seit Beginn der russischen Vollinvasion vor knapp drei Jahren, betont untertourig zu fahren. Nach russischen Angaben ging es vor allem darum, die Beziehungen zwischen beiden Staaten wiederherzustellen und ein persönliches Treffen zwischen den Präsidenten vorzubereiten. Mit letzterem, so heißt es aus Riad, hat man nun konkret begonnen.
Weder Vertreter der Ukraine noch europäischer Partnerländer waren eingeladen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende hatte der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, versichert, die Ukrainer würden bei Friedensgesprächen natürlich mit am Tisch sitzen. "Da werden zwei Protagonisten und ein Vermittler sitzen", sagte Kellogg am Samstagabend auf einem Panel.
Nun scheint Kellogg nicht unbedingt zum innersten Zirkel an Trumps Schreibtisch zu gehören, doch wird seine Ankündigung auch von anderen Seiten bestätigt. Allerdings: Auch wenn es nun in Riad noch nicht darum ging, ob die Ukraine ihre Hoffnung auf eine Nato-Mitgliedschaft und russisch besetztes Staatsgebiet aufgeben muss, könnten die Folgen dieses Gesprächs doch weitreichend sein.
Welchen Einfluss könnten die Gespräche auf Europa haben?
Seit der vergangenen Woche hat sich das geopolitische Blatt für Europa in drastischer Weise gewendet: Washington versteht sich selbst nicht mehr als Verbündeten des Kontinents und die Trump-Regierung sieht sich auch nicht mehr der internationalen Friedensordnung verpflichtet.
Mit einem Invasoren, der Staatsgrenzen mit Panzern überrollen und Massaker in besetzten Gebieten anordnen lässt, kann man ruhig mal anderthalb Stunden fernmündlich plaudern - Trump hat's vorgemacht und hinterher angekündigt, mit Putin, "sehr eng zusammenzuarbeiten und auch die Nationen des jeweils anderen zu besuchen". Man habe über den großen Nutzen gesprochen, "den wir eines Tages aus der Zusammenarbeit ziehen werden".
Demgegenüber ziehen die USA aus dem bisherigen Teamwork mit Europa offensichtlich keinen Nutzen mehr. Nur so ist der schroffe Ausschluss der Europäer von den Verhandlungen zur Zukunft der Ukraine zu verstehen. "Der Februar 2025 zeigt uns, dass sich die Amerikaner nicht mehr für die europäische Sicherheit verantwortlich fühlen - und dass ihre Interessen sich grundlegend von unseren unterscheiden", bilanziert Jana Puglierin, Deutschland-Chefin des privaten Forschungsinstituts European Council on Foreign Relations.
Riad nun war der Start in die verbesserten Beziehungen zwischen den USA und Russland. Zugleich ein Zeichen in die Welt: Putin ist nicht mehr Paria, sondern auf internationaler Bühne wieder respektabler Akteur. Vor allem aber war es - nach dem überraschenden Telefonat - die erste wirkliche Manifestierung dessen, was beide für ein gutes Kräfteverhältnis halten: Die zwei Großmächte klären untereinander, wie der Rest ihrer Einflusszone sich strukturieren soll. Europa wird nicht genutzt, um dem westlichen Auftritt zusätzlich Gewicht zu verleihen. Europa kann wie alle anderen warten, was hinterher verkündet wird.
Zwar äußerten sich die Vertreter beider Seiten nach den viereinhalb Stunden spürbar zurückhaltender als Trump es nach dem Telefonat mit Putin getan hatte. Doch Rubio und Lawrow sind vom Typ her auch deutlich weniger impulsiv. Eine Schwärmerei auf Trump-Niveau hatte von diesen beiden Delegationen wohl niemand erwartet.
Wo könnte Europas Sicherheit konkret bedroht sein?
Das Verhalten der USA legt für die Verhandlungsrunden, die "zu gegebener Zeit" (Uschakow) stattfinden sollen, folgende Befürchtung nahe: Die Gespräche, die auf Riad folgen sollen, könnte man von der Ukraine ausgehend auf die künftige Sicherheitsarchitektur in Europa ausweiten. Denn die ist für Putin eine noch offene und relevante Rechnung, und da will er ganz sicher keine Europäer mit am Tisch haben.
Zur Erinnerung: Wenige Wochen vor der Vollinvasion unterbreitete der Kreml der Nato Ende 2021 konkrete Forderungen. Unter anderem sollte sie Bündnistruppen auf die Positionen von 1997 zurückziehen, also bevor ehemalige Sowjetrepubliken wie Polen, Tschechien und Ungarn (1999) sowie acht Jahre später unter anderem die drei Baltenstaaten (2004) beitraten.
Konkret hätte das bedeutet, dass man diesen Ländern, die sich durch ihre Nähe zur russischen Grenze besonders gefährdet sehen und aus diesem Grund dem Bündnis beitraten, einen Abschreckungssschutz durch Nato-Truppen verweigert. Zudem verlangte Putin die Zusage, dass die Ukraine und Georgien niemals Nato-Mitglieder werden dürften.
Sich vom Kreml diktieren lassen, wo im Nato-Gebiet man Truppen aufstellt und wo nicht? Für den Sicherheitsexperten Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr waren Russlands Forderungen ein Vorstoß, um "die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur zurückzubauen". Mit einem Wort: "größenwahnsinnig". Die Nato wies Putins Forderungen im Dezember 2021 rigoros zurück. Doch wie sieht das im Februar 2025 aus?
Im Zuge der nun beginnenden Verhandlungen ohne einen weiteren Nato-Vertreter am Tisch könnte das Trump-Lager die bisherige kompromisslose Position aufweichen. Als stärkstes Nato-Mitglied könnten die USA Zugeständnisse auf Kosten der europäischen Bündnispartner anbieten. Das würde die Stimmung zwischen Moskau und Washington auf einen Schlag enorm verbessern.
"Europa läuft Gefahr, machtlos am Rand zu stehen, während die Grundlagen der europäischen Sicherheit zusammenbrechen", analysiert Jana Puglierin. Eine massive Schwächung der europäischen Sicherheit durch Zugeständnisse der Nato an Russland - das ist die eine Gefahr, die vom russisch-amerikanischen Gipfel ausgeht.
Die andere Gefahr liegt in den Verhandlungsergebnissen für die Ukraine. Wenn als Ergebnis ein Friedensdeal steht, "in dem Russland zu nichts genötigt wird und behalten darf, was es schon hat: Was sollte Putin dann davon abhalten, in Zukunft weitere Schritte zu unternehmen? Nicht nur in Richtung Restukraine, sondern auch in Richtung Nato-Bündnisgebiet?", fragt die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff bei ntv.de. "Das steht hier auf dem Zettel."
Kann Trump so etwas wollen?
Derart weitreichende Folgen sind vermutlich nicht von Trump intendiert, so viel Verstand darf man ihm zutrauen. Doch hat sich der Immobilien-Mogul auch in seiner ersten Amtszeit als nicht gerade treffsicher erwiesen, wenn es um die Auswahl seiner Deal-Partner und die Gestaltung der Zusammenarbeit ging.
Die Charmeoffensive in Richtung des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un sollte Frieden zwischen Pjöngjang und dem sükoreanischen Nachbarn bringen. Stattdessen hat Nordkorea "sein Atomprogramm weiter ausgebaut. Heute steht es fest an Russlands Seite", so Deitelhoff. Ein neu verhandeltes Abkommen mit Mexiko und Kanada vergrößerte letztlich das US-Handelsdefizit. Auch im Handelskonflikt mit China hat Trump seinerzeit nichts erreicht. "Letzten Endes haben nur die USA draufgezahlt."
So könnten vom baldigen Trump-Putin-Gipfel gleich in mehrfacher Hinsicht fatale Folgen für Europa ausgehen - beabsichtigte und solche, die einfach durch ungeschicktes Verhandeln eines US-Präsidenten entstehen, der sich für schlauer und geschickter hält als er tatsächlich ist.