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Fotografie: Warum Quallen so erfolgreich sind



Quallen begegnen uns oft im Urlaub am Meer. Sie sind extrem erfolgreiche Meerestiere. Das Fotografenpaar Heidi und Hans-Jürgen Koch hat die zarten Schönheiten porträtiert.

Offen gesagt: Es ist kompliziert mit den Quallen und uns. Am Strand sehen wir nur ihren toten Glibber. Im Meer bewundern wir die Eleganz – aber Tuchfühlung möchten wir auf keinen Fall. Auch die Fotografin Heidi und ihr Mann Hans-Jürgen Koch, beide bekannt für preisgekrönte Porträts von Lebensformen aller Art, waren skeptisch, als sie den Tipp für eine Quallen-Reportage bekamen. "Meine Schwester rief begeistert an", erzählt Heidi Koch. "Sie hatte im Fernsehen einen Beitrag gesehen über jemanden, der Quallen züchtet. Ich sagte: Anschauen können wir es uns ja mal."

Bei der Sichtung fiel den Kochs aber nicht nur die bizarre Schönheit der Tiere auf, sondern auch ihr Züchter: Alexander Dressel. "Mit ihm haben wir unter anderem mal im Sea Life Konstanz gearbeitet und Oktopusse fotografiert. Jetzt waren wir neugierig." Die Kochs verabredeten sich mit ihm zu einer einwöchigen Fotosession in seiner Quallenfarm.

Quallen: die größte Zucht Europas

Unter Aquarianern ist der Forschungstaucher und Fischwirt eine Instanz. Schon als Junge hegte er zu Hause Kaulquappen, Diskusfische und Harnischwelse. "Irgendwann hatte ich 60 Becken, aber meine Eltern ließen mich machen", erzählt er. Fischzucht lernte Dressel in einer Teichwirtschaft mit Forellen, Karpfen und Kois und wechselte dann zu einem großen Aquarium in Coburg mit Meerestieren. Im Sea Life Konstanz baute er eine Quallen-Sonderausstellung auf, im Stralsunder Ozeaneum etablierte er die Quallen-Zucht.

Inzwischen kann er neben seinem Wissen auch die Tiere liefern. Seit 2019 betreibt er in Künzell bei Fulda seine "Jellyfish Farm", die nach Anzahl der Tiere größte Quallenzucht Europas. Hier leben Ohrenquallen aus der Nordsee, Japanische Kompassquallen mit feinen Tentakeln, pummelige Gepunktete Wurzelmundquallen und tropische Mangrovenquallen, die ihr Leben lang unter Wasser im Sand liegen, Tentakel nach oben, und im Englischen "Upside Down Jellyfish" heißen. 100.000 Tiere wachsen geschätzt pro Jahr in der Jellyfish Farm heran, exakter kann man es bei all dem Medusen-Gewusel in den Becken nicht beziffern.STERN PAID Technik gegen Unterwasserlärm 13.05

Quallen sind schwierig zu halten

In Gefangenschaft sind Quallen schwierig zu halten – doch im Meer gehören sie zu den erfolgreichsten Wesen der Welt: Ihr Lebenszyklus erlaubt ihnen, schnell auf veränderte Bedingungen im Meer zu reagieren. Je nach Art kann eine einzige Qualle bis zu 5000 kleine Polypen produzieren, die sich am Meeresboden festsetzen. Ein solcher Polyp wiederum kann um die 50 Quallenbabys bilden. "Quallen sind die perfekten Opportunisten", erklärt Dressel. "Wenn kein Futter da ist, bleibt man halt für ein paar Jahre Polyp, sitzt geschützt am Boden und futtert auf Sparflamme. Sind die Zeiten besser, kann man sich schnell wieder vermehren."

Für goldene Zeiten, jedenfalls aus Quallensicht, sorgt zurzeit der Mensch. In überdüngten Meeren wie Ostsee oder Mittelmeer wächst reichlich Plankton, die Überfischung schaltet Fressfeinde und Konkurrenten der Quallen aus. Die Gelbe Haarqualle (unsere "Feuerqualle") könnte sogar vom Klimawandel profitieren, weil sie mit steigenden Temperaturen zurechtkommt. Wir werden den Aliens der Meere also weiterhin begegnen, hinter Glas im Aquarium oder im Urlaub am Meer. Wer keinen Kontakt möchte, muss wohl im kalten Winter schwimmen gehen. Dann sind die meisten Quallen tot. Und die Millionen Polypen am Meeresgrund bemerkt kein Mensch.

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