4 months ago

Flugzeug in Leipzig gestartet: Deutschland schiebt Straftäter nach Afghanistan ab



28 afghanische Straftäter sitzen in einem Flugzeug von Leipzig in Richtung Kabul. Die erste Abschiebung seit der Machtübernahme der Taliban ist Ergebnis monatelanger Vorbereitung. Verhandelt wurde nicht mit den Islamisten direkt.

Am Morgen ist ein Flugzeug mit 28 afghanischen Straftätern an Bord von Leipzig in Richtung Kabul gestartet, wie das sächsische Innenministerium bestätigte. Die erste Abschiebung nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban wurde zwei Monate lang vorbereitet, wie der "Spiegel" berichtet.

Nach Informationen des Magazins verhandelte die Bundesregierung nicht direkt mit den militant-islamistischen Taliban, "stattdessen bat man im Emirat Katar um diskrete Schützenhilfe". Katar hat entsprechende Kontakte zu den Machthabern in Kabul, Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu ihnen. Kurz vor der Machtübernahme der Taliban hatte Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt. Ein Sprecher der Bundesregierung teilte nun mit, "angesichts der bekanntermaßen schwierigen Rahmenbedingungen hat Deutschland regionale Schlüsselpartner um Unterstützung gebeten, um die Rückführung zu ermöglichen".

1000 Euro auf die Hand

Die jetzt abgeschobenen Straftäter erhielten nach Informationen des "Spiegel" 1000 Euro Handgeld. Durchgeführt wird der Charterflug von Qatar Airways, an Bord sei auch ein Arzt, allerdings keine deutschen Polizisten. "Die Ausreisepflichtigen wurden in der Nacht teils aus der Strafhaft nach Leipzig gebracht", berichtet das Magazin. Beteiligt waren demnach Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

"Es handelte sich hierbei um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen", teilte der Sprecher der Bundesregierung mit. "Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten große Anstrengungen unternommen, um die Wiederaufnahme von Rückführungen in solchen Fällen zu erreichen und hat die hierfür zuständigen Länder zu diesem Zweck unterstützt." Die erste Abschiebung nach Afghanistan seit August 2021 wurde dem "Spiegel" zufolge federführend vom Bundesinnenministerium organisiert.

Noch nicht im großen Stil möglich

Die Maschine soll am Mittag landen. Für Abschiebungen im großen Stil nach Kabul müssen Sicherheitskreisen zufolge aber wohl andere Wege gefunden werden, wie das Magazin weiter berichtet. Die Bundesregierung verhandle diskret mit Usbekistan und anderen Nachbarländern Afghanistans. Der Regierungssprecher erklärte, "die Bundesregierung hält daran fest, solche Rückführungen durchzuführen. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands überwiegt klar das Schutzinteresse von Straftätern und Gefährdern."

Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen. Gefährder sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Terroranschlag zutrauen. Verurteilte Straftäter sollen nach früheren Angaben vor einer möglichen Abschiebung einen Großteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.

Grüne grundsätzlich skeptisch

Insbesondere die Grünen und ihre Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen. Baerbock hatte aber am Dienstag im RBB-Inforadio auch gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar.

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Die Taliban sind seit August 2021 in Afghanistan wieder an der Macht und stehen international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in der Kritik. Bemängelt wird unter anderem ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung, Verschwinden oder Folter drohen.

Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt. Die meisten reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich, die mit den Taliban trotz ideologischer Nähe verfeindet ist.

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