3 days ago

Feiertage: "Vielleicht tun es auch fünf Wochen Urlaub statt sechs"



Die Wegnahme eines Feiertags gehört zu den Maßnahmen, die dem Staat Milliarden zusätzliche Einnahmen bringen sollen, wie Ökonomen schätzen. Ist der Wegfall eines Feiertags es das wert, wenn dabei die Löhne proportional steigen? IW-Experte Schröder im Interview.

Zur Finanzierung der geplanten Milliardenschulden in Deutschland wird besonders ein Vorschlag kontrovers diskutiert: die Streichung eines Feiertags. Wieso sollen die Arbeitnehmer für das Schuldenpaket geradestehen?
Bei dem Vorschlag geht es nicht darum, den Arbeitnehmern etwas wegzunehmen. Er soll vielmehr ein Zeichen setzen: Wir müssen aktuell eine Reihe an Herausforderungen bewältigen. Der Standort Deutschland ist nicht attraktiv. Wir müssen wieder mehr ausländische Investoren ins Land locken. Dafür brauchen wir aber eben auch genügend Arbeitskräfte. In vielen Facharbeiterbereichen fehlen uns die Fachkräfte. Damit wir das Geld auf die Straße bekommen und wir uns aus der wirtschaftlichen Stagnation befreien, ist die Abschaffung eines Feiertags ein Signal, dass wir längere Arbeitszeiten brauchen. Und außerdem: Die Streichung eines Feiertags könnte durchaus auch mit einem höheren Lohn verbunden werden.

Eine potenzielle Lohnsteigerung geht in der Diskussion bislang aber etwas unter.
Viele Arbeitnehmer bekommen bei dem Vorschlag erstmal einen Schreck. Am Ende ist es eine Frage der Ausgestaltung. In Dänemark sind die Löhne im Zuge der Abschaffung eines Feiertags um 0,45 Prozent gestiegen – also praktisch proportional zu den geleisteten Arbeitstagen.

Das IW hat berechnet, ein zusätzlicher Arbeitstag könnte der deutschen Wirtschaft bis zu 8,6 Milliarden Euro bringen. Anlässlich einer Verschuldung in Höhe von 500 Milliarden Euro eher ein Tropfen auf dem heißen Stein, oder?
Bei den 8,6 Milliarden Euro handelt es sich um zusätzliche Wirtschaftsleistung. Also nicht unbedingt die zusätzlichen Steuereinnahmen. Das wäre natürlich noch weniger. Der Vorschlag soll einen Anreiz schaffen, wieder mehr über längere Arbeitszeiten zu reden als über zusätzliche freie Tage. Für sich genommen hat das Einsparpotenzial eher eine symbolische Wirkung. Allerdings kommt über eine lange Strecke von etwa zehn bis zwölf Jahren so auch schon einiges zusammen. Um die Schulden zurückzuzahlen, reicht es insgesamt aber natürlich nicht.

Ihre Berechnung zeigt auch, die Effekte wären nicht in allen Branchen gleich.
Die niedrigsten Effekte sehen wir in der Energiewirtschaft. Bei der Abschaffung eines Feiertags verbraucht nur die Industrie mehr Strom, in den Haushalten würde sich nichts ändern. Im Gastgewerbe und im Freizeitbereich könnte es eventuell sogar negative Effekte geben. Sobald Menschen nicht mehr ausgehen an einem freien Tag, macht sich das bemerkbar. Dort, wo Fachkräfte knapp sind, hingegen, kann es natürlich durchaus starke Effekte geben. In der Bauwirtschaft kann man einen ausgefallenen Arbeitstag nicht so ohne weiteres nachholen.

Wieso macht es einen Unterschied, ob ein potenzieller Feiertag im Sommer oder im Winter gestrichen wird?
Um bei der Bauwirtschaft zu bleiben: Aus Witterungsgründen kann im Winter nicht gearbeitet werden. Bei Schnee und Eis stehen die Kräne eh still. Unternehmen greifen deswegen oft auf saisonale Kurzarbeit zurück. Je nach Branche gibt es im Sommer oder Winter konjunkturell andere Effekte. Manche haben in der Vorweihnachtszeit viel zu tun. Andere Branchen machen ihre größten Umsätze in Frühjahr und Sommer.

Wie einfach wäre es, einen Feiertag zu streichen?
Eine Streichung ist kompliziert, schließlich sind die Feiertagsregelungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Der Vorschlag ist auch nicht gerade populär. Politiker wollen dieses 'heiße Eisen' deswegen nicht unbedingt anfassen. Es gibt ja auch schon lautstarke Kritik – wie etwa vom Arbeitnehmer-Flügel der CDU.

Die Idee ist alles andere als neu. Um die Pflegeversicherung zu finanzieren, wurde 1995 der Buß- und Bettag gestrichen. Was hat das der Volkswirtschaft damals gebracht?
Das waren damals rund sechs Milliarden D-Mark. Die 8,6 Milliarden, die wir jetzt als oberen Wert errechnet haben, sind im Grunde eine Fortschreibung der Zahlen vom damaligen Sachverständigenrat-Gutachten - angepasst an unsere heutigen Verhältnisse.

Nachteile hätte die Abschaffung eines Feiertags vor allem für Arbeitnehmer. Schließlich dienen sie der Erholung. Sollten Arbeitnehmer nicht besser geschont werden?
Bei einer aktuellen Untersuchung unseres Instituts zur Arbeitsbelastung und zur Arbeitszufriedenheit hat sich herausgestellt: Bei Vollzeitbeschäftigten ist die Belastung nicht höher als bei denjenigen, die in Teilzeit arbeiten. Erst ab einer Arbeitszeit von 48 Stunden kommt es zu einer starken Belastung. Ein Feiertag ist nicht dringend notwendig zur Erholung. Zumal Arbeitnehmer in Deutschland im Schnitt auch sechs Wochen Urlaub haben. Damit liegen wir international an der Spitze und die Jahresarbeitszeit ist auch bei Vollzeitbeschäftigten insgesamt auf einem niedrigen Niveau.

Die Arbeitswelt ändert sich: Forderung nach mehr Urlaubstagen und kürzeren Arbeitszeiten häufen sich. Wäre es nicht an der Zeit für einen innovativeren Ansatz?
Der Vorschlag einen Feiertag abzuschaffen ist nur ein Stein, der eine Debatte ins Rollen bringen soll. Natürlich können Arbeitnehmer in ihren Unternehmen noch individuelle Regelungen ausmachen. Klar ist aber auch: Eine längere Wochenarbeitszeit hätte einen höheren Effekt. Theoretisch wäre es auch eine Überlegung wert, zu prüfen, ob jeder Arbeitnehmer sechs Wochen Urlaub braucht – vielleicht tun es auch fünf Wochen, natürlich bei entsprechend höheren Löhnen.

Unabhängig von Arbeitnehmer. Wen sehen Sie noch in der Pflicht?
Natürlich müssen auch die Unternehmen im Sinne des Staates handeln, indem sie investieren, die Produktivität erhöhen und eben Arbeitsplätze schaffen.

Als Dänemark im vergangenen Jahr einen Feiertag zugunsten der Rüstungsausgaben gestrichen hat, entwickelte sich der Verzicht zu einem Politikum. Gewerkschaften und Kirchen protestierten. Wie hoch schätzen Sie die Akzeptanz innerhalb der deutschen Bevölkerung ein?
Ich schätze die Bereitschaft als nicht besonders stark ein, sie ist aber gewachsen in den letzten Jahren. Die Ausgaben für Rüstung und Sicherheit sind gestiegen. Anders als früher können wir uns nicht mehr einfach zurücklehnen. Das kommt auch in der Bevölkerung an. Europa muss aktiver werden. Gleichzeitig sehen wir: Der Wachstumsoptimismus hat stark nachgelassen. Ein Zeichen à la ‚Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt‘ ist als Zeichen der Aufbruchsstimmung sinnvoll.

Mit Christoph Schröder sprach Juliane Kipper

Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de

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