Trump hantiert mit Faschistenvokabular und nominiert ein Kabinett aus fragwürdigen Loyalisten. Ach, auch die erste Präsidentschaft Trumps haben wir überlebt? Das mag stimmen, aber vieles deutet auf chaotische, düstere vier weitere Jahre hin.
Der für viele schockierende Wahlsieg Donald Trumps wurde nach 2016 als Anomalie behandelt. Um seine permanente Medienpräsenz überhaupt ertragen zu können, half häufig Galgenhumor und herablassendes Belächeln; in der Hoffnung, nach vier Jahren wäre der Spuk wieder vorbei. War er nicht, ist er nicht. Allen internen Machtkämpfen und Warnungen zum Trotz darf Trump für vier Jahre im Weißen Haus planen. Er hat viel vor. Und dieses Mal möchte er sich nicht von renitentem Personal bremsen lassen.
Ach, werden manche sagen, das haben wir auch beim ersten Mal überlebt? Das mag stimmen, aber die ersten zwei Wochen nach dem Wahlsieg des Republikaners legen nahe: Es wird nicht wie nach seinem Wahlsieg 2016. Es wird viel schlimmer.
Das kündigte sich schon Ende 2022 an, als Trump in Mar-a-Lago seine erneute Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur bekanntgab. Die "eiternde Fäulnis" in Washington D.C. müsse "gesäubert" werden, verschärfte er vor Gästen seinen Ton. Während seines Rachewahlkampfs blieb er bei diesem Duktus. Seine politischen Gegner sind darin keine Konkurrenten, sondern "Feinde im Innern". Das Land werde gesteuert von "Verrückten, Faschisten, Marxisten, Kommunisten." Nun, nach der gewonnenen Wahl, sind die bisherigen Nominierungen für Berater- und Ministerposten mehr als fragwürdig: ein halbes Horrorkabinett.
Tulsi Gabbard, sie soll zukünftig die Geheimdienste koordinieren, verbreitete russische Propaganda. Robert Kennedy Junior ist für das Gesundheitsministerium vorgesehen; er hält unter anderem Impfungen für schädlich und wittert Verschwörungen. Fernsehmoderator Pete Hegseth soll das Pentagon leiten und stünde damit gemeinsam mit Trump an der Spitze der US-Streitkräfte; er trägt Tattoos mit rechter Symbolik, ihm werden Verbindungen zu Extremisten nachgesagt. Und da wäre Matt Gaetz, vorgeschlagen als Justizminister und oberster Staatsanwalt. Der Trump-Loyalist soll den kommenden Präsidenten überzeugt haben, weil er ihm ankündigte, im Ministerium "Köpfe abschlagen" zu wollen, um es auf Linie zu bringen. Die anderen Bewerber hätten den kommenden Präsidenten mit Jura gelangweilt, heißt es.
Machtkampf mit Senat
Zunächst steht ein historischer Machtkampf mit dem Senat bevor. Minister und andere hohe Posten müssen in der Kongresskammer bestätigt werden; trotz der kommenden republikanischen Mehrheit gibt es dort einige, die nicht von Trumps Nominierungen begeistert sind. Sie würden den Kandidaten unangenehme Fragen stellen. Trump fordert von den Senatoren, sie sollten in manchen Fällen auf die Anhörungen verzichten. Geben sie nach, hätte der Präsident so viel Macht wie nie bei einer Regierungsbildung.
Gaetz dürfte das gefallen: Im Repräsentantenhaus, wo er als Abgeordneter saß, liefen jahrelang Ermittlungen gegen ihn; wegen Vorwürfen über Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen, Gruppensex-Partys und Drogen. Gaetz zettelte deshalb eine Revolte gegen Mehrheitsführer Kevin McCarthy an - und gewann. Nun zieht ihn Trump weiter nach oben, um mit ihm das Justizressort unter Kontrolle zu bekommen, und damit unter anderem auch das FBI. Gaetz' bedingungslose Loyalität wäre dem Präsidenten sicher.
Tech-Milliardär Elon Musk und Vivek Ramaswamy, Trumps Berater für Regierungseffizienz, werden die Axt am Staat anlegen, wo sie nur können. Musk hat angekündigt, mit seiner Hilfe könne Trump ein Drittel des Haushalts einsparen. Millionen Menschen würden darunter leiden, dafür braucht niemand eine Glaskugel. Musk, Ramaswamy und andere Reiche werden dafür von Trump womöglich mit Milliarden Dollar an Steuersenkungen belohnt. Bezeichnend, wie Musk "hochintelligente Revolutionäre" sucht, die - unbezahlt und aus Vaterlandsliebe - mit mindestens 80 Wochenarbeitsstunden beim Rückbau des Staates helfen sollen.
Das wird sich enorm auf den Alltag auswirken, ebenso die Besetzung der offiziellen Posten. Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung etwa verteufelte Trump ständig. "Die größte Abschiebung in der Geschichte der USA" begründete er im Diktatorenstil: "Sie vergiften das Blut unseres Landes." Ein andermal bezeichnete er Migranten als "Tiere" oder "Ungeziefer". Zwar lässt sich darüber streiten, wie ernst Trump dies meint und welche Migranten genau. Aber die Sprache ist faschistisch. Die wird von manchen auch so gehört: Vor wenigen Tagen marschierten Vermummte mit Hakenkreuzfahnen durch die Straßen im Bundesstaat Ohio und skandierten Hassparolen gegen Schwarze und Juden.
Militär gegen Migranten
Trump mag und duldet keinen Widerspruch, schart Ja-Sager um sich, den demokratischen Prozess konkurrierender Ideen hält er für hinderlich. Der Republikaner hat mit seiner ersten Amtszeit schon die Grenzen dessen verschoben, was Präsidenten dürfen. Das Immunitätsurteil hat ihm die Tür in die Schreckenskammer geöffnet. Das permanente Sperrfeuer seiner Vorschläge dröhnt laut und übertönt den möglichen Widerstand. Je schneller die Schüsse, desto mehr müssen sich die Verteidiger in Deckung werfen. Es wird chaotisch werden, wenn die Schlachten vor den Gerichten geschlagen werden, während Menschen darunter leiden.
Um die Migranten loszuwerden, würde Trump nach seiner Vereidigung den Ausnahmezustand verhängen und das Militär einsetzen, bestätigte er. Man muss nicht schwarzmalen, um sich die Auswirkungen vorzustellen: Migranten ziehen in von Demokraten regierte Bundesstaaten und Städte, die bislang nicht mit der Einwanderungsbehörde zusammenarbeiten. Trump baut dort finanziellen oder anderweitigen Druck auf, die Bevölkerung wird unruhig - und die Verantwortlichen setzen bisherige Schutzmechanismen für Millionen Menschen aus.
Neben gesellschaftlichem Aufruhr könnte das zu Preissprüngen bei Lebensmitteln führen. Rund 40 Prozent der landesweiten Erntehelfer sind Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung. Doch Stephen Miller, Trumps zukünftiger Berater für Migrationsangelegenheiten im Weißen Haus, hatte vor der Wahl auf größtmöglicher Bühne getönt: "Amerika den Amerikanern. Und nur den Amerikanern!" Miller soll sich um die Südgrenze zu Mexiko kümmern und die massenhaften Abschiebungen mit organisieren.
Zugleich hat Trump bereits Klagen wegen unliebsamer Berichterstattung eingereicht, dazu kommen Einschüchterungsversuche und Druck auf Journalisten, Zeitungen, Fernsehsender und die großen sozialen Medien. All das ist nur ein Teil der Innenpolitik. International dürften diplomatische Volten hinzukommen, etwa mit Drohungen an andere Regierungen, mit radikalen Einfuhrzöllen oder den Militärhilfen an die Ukraine als Verhandlungsmasse.
Ja, überleben wird man auch die nächsten vier Jahre. Doch wer dachte, durch Trumps erste Amtszeit abgehärtet und vorbereitet zu sein, könnte sich getäuscht haben. Schließlich ist die Anomalie keine mehr, die Grenzen des Sagbaren sind längst verschoben. Jetzt knöpft sich Trump die des Machbaren vor.