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Europäischer Datenschutzbeauftragter: Protest gegen Kandidaten aus der EU-Kommission



Bei der Ernennung des Europäischen Datenschutzbeauftragten gibt es ein Patt. Der Rat stimmte für den kritischen Amtsinhaber, das Parlament für einen Kandidaten, der bislang bei der Kommission arbeitet. Datenschützer:innen wittern Interessenskonflikte.

Mann mit Brille an einem RednerpultGilt als unbequemer Datenschützer: Wojciech Wiewiórowski. – Alle Rechte vorbehalten EDPS

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) wird durch das EU-Parlament und den Rat der Mitgliedsländer bestimmt. Zuletzt kam es erstmals zur Situation, dass die beiden sich nicht einig waren: Der Innenausschuss des Parlaments stimmte für Bruno Gencarelli, der Rat für den Amtsinhaber Wojciech Wiewiórowski. Die beiden Institutionen müssen sich nun einigen, wen sie als europäischen Datenschutzbeauftragten einsetzen wollen, denn das Gesetz schreibt vor, dass die Ernennung im gegenseitigen Einvernehmen geschehen muss.

Gegen Gencarelli formiert sich nun Widerstand. Zahlreiche Universitätsprofessor:innen und Datenschützer:innen aus unterschiedlichen Ländern kritisieren in einem offenen Brief, dass Gencarelli „zwölf Jahre lang in leitenden Positionen im Bereich des Datenschutzes“ bei der EU-Kommission gearbeitet habe. Also bei der Institution, die er in Zukunft beaufsichtigen müsste. Sie sehen darin einen „klaren Interessenkonflikt“, der die Mission und die Legitimität des Europäischen Datenschutzbeauftragten untergraben würde.

„Verstoß gegen Unabhängigkeit“

Im offenen Brief heißt es, die Ernennung Gencarellis wäre ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich geschützte vollständige Unabhängigkeit des Europäischen Datenschutzbeauftragten und gegen den Grundsatz der guten Verwaltungspraxis:

Dies würde auch das europäische System der gegenseitigen Kontrolle zugunsten der Kommission untergraben. Am Tag des Datenschutzes möchten wir daran erinnern, dass der Datenschutz im digitalen Zeitalter Ausdruck unserer Grundwerte und ein wesentlicher Schutz für unsere Rechte und Freiheiten ist. Eine unabhängige Aufsicht und Durchsetzung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass unsere Rechte und die damit verbundenen Pflichten in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt werden.

Der bisherige Datenschutzbeauftragte Wiewiórowski gilt als kritisch, mehrfach hatte er der Kommission die Zähne gezeigt. So wies er etwa im vergangenen Jahr die EU-Kommission an, dass sie mit Microsofts Office-Suite keine Daten mehr in die USA übertragen dürfte. Doch das ist nicht alles, berichtet Heise.de:

Wiewiórowski verteidigte das Prinzip der Datenminimierung selbst im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz (KI) und monierte schwerwiegende Mängel bei der geplanten Chatkontrolle. Erst im Dezember rüffelte er die Kommission, weil sie zielgerichtete Werbung unter Nutzung besonders sensibler persönlicher Daten für das umstrittene Überwachungsinstrument machte. 2020 rügte der gebürtige Pole, dass Europol-Ermittler mit dem Sammeln und Analysieren nicht mehr überschaubarer Datenmengen ihre Befugnisse überschritten und rechtswidrig gehandelt hätten. 2022 klagte er gegen die Lizenz der EU-Polizeibehörde zur Massenüberwachung und scheute auch sonst nicht vor Rechtsstreitigkeiten zurück.

Der EU-Innenausschuss hat nun angekündigt, an einer Einigung zu arbeiten. Der Europäische Datenschutzbeauftragte wird für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt.

 


Dokument: Offener Brief


On Data Protection Day, Digihumanism, together with other experts in the field of data protection, artificial intelligence, EU law, fundamental rights, democracy and the rule of law, are calling EU institutions to safeguard the independence of the European Data Protection Supervisor (EDPS), in the framework of the appointment of a new Supervisor.

To:
Mr Adam BODNAR
Presidency of the Council of the European Union – Polish Ministry of Justice

Ms Roberta METSOLA President
European Parliament

Ms Ursula von der Leyen
President – European Commission

cc:

Ms Thérèse BLANCHET, Secretary-General – Council of the European Union; Mr Alessandro CHIOCCHETTI, Secretary-General – European Parliament; Ms Ilze JUHANSONE, Secretary-General – European Commission;

Mr Javier ZARZALEJOS, Chair – LIBE Committee – European Parliament

Subject: Appointment of the European Data Protection Supervisor

Dear Presidents and Minister,

We, the undersigned, would like to bring to your attention the existence of a serious risk that the European Data Protection Supervisor (EDPS) may no longer be in a position to fulfil properly their mission to supervise the compliance of EU institutions with the EU personal data protection legal regime.

The appointment as European Data Protection Supervisor of a candidate who has spent “12 years working in managerial roles in the area of data protection”[1] at the European Commission, an institution EDPS is supposed to monitor, would raise a clear case of conflict of interest and undermine EDPS’ mission and legitimacy.

This would be a violation of the constitutionally protected complete independence of EDPS[2] and of the principle of good administration. This would also undermine the European system of checks and balances, in favour of the Commission.

On Data Protection Day, we would like to recall that data protection is an expression in the digital age of our fundamental values and an essential safeguard for our rights and freedoms. Independent supervision and enforcement is indispensable to ensure that our rights, and corresponding obligations, are a practical reality.

We thus urge you to appoint as European Data Protection Supervisor a candidate whose independence is beyond doubt.

Thank you for your attention and swift action,

Please find in annex:

  • State of EDPS appointment procedure
  • Legal requirement_EDPS independence
  • Examples of files illustrating conflict of interests EDPS / European Commission

Yours sincerely:


Automatische Übersetzung des offenen Briefes vom 28.1.25 mit deepl.com durch netzpolitik.org

Betreff: Ernennung des Europäischen Datenschutzbeauftragten

Sehr geehrte Präsidenten und Minister,

wir, die Unterzeichnenden, möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass die ernste Gefahr besteht, dass der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) nicht mehr in der Lage sein könnte, seinen Auftrag, die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten durch die EU-Institutionen zu überwachen, ordnungsgemäß zu erfüllen.

Die Ernennung eines Kandidaten zum Europäischen Datenschutzbeauftragten, der „zwölf Jahre lang in leitenden Positionen im Bereich des Datenschutzes“ bei der Europäischen Kommission gearbeitet hat, einer Institution, die der EDSB eigentlich überwachen soll, würde einen klaren Interessenkonflikt darstellen und die Mission und Legitimität des EDSB untergraben.

Dies wäre ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich geschützte vollständige Unabhängigkeit des EDSB und gegen den Grundsatz der guten Verwaltungspraxis. Dies würde auch das europäische System der gegenseitigen Kontrolle zugunsten der Kommission untergraben.
Am Tag des Datenschutzes möchten wir daran erinnern, dass der Datenschutz im digitalen Zeitalter Ausdruck unserer Grundwerte und ein wesentlicher Schutz für unsere Rechte und Freiheiten ist. Eine unabhängige Aufsicht und Durchsetzung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass unsere Rechte und die damit verbundenen Pflichten in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt werden.

Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, einen Kandidaten zum Europäischen Datenschutzbeauftragten zu ernennen, dessen Unabhängigkeit über jeden Zweifel erhaben ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr schnelles Handeln,

die Unterzeichnenden


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