Der Vorschlag ist brisant: Als Reaktion auf die Kriegsführung in Gaza will der EU-Außenbeauftragte Borrell den regelmäßigen Dialog mit Israel einfrieren. Das Auswärtige Amt widerspricht, zeigt sich jedoch aufgeschlossen für gezielte Sanktionen.
Das Auswärtige Amt hat sich gegen den Vorstoß des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell ausgesprochen, den regelmäßigen Dialog mit Israel auszusetzen. So hieß aus dem Auswärtigen Amt in Berlin, man setze sich dafür ein, Gesprächskanäle offenzuhalten. Ein Abbruch des Dialogs helfe weder den notleidenden Menschen in Gaza, noch den Geiseln, die weiter von der Hamas festgehalten würden, noch all jenen in Israel, die auf Gesprächsbereitschaft setzten.
Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich jedoch offen für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder. Wenn einzelne israelische Minister die Frage der Existenz der Palästinenser infrage stellten, müsse dies auch auf europäischer Ebene sanktioniert werden, sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Borrell hatte zuvor einen Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir vorgelegt. Mögliche EU-Sanktionen gegen israelische Minister, denen Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen werden, werden schon länger diskutiert.
Borrell hatte sich als Reaktion auf die israelische Kriegsführung im Gazastreifen auch dafür ausgesprochen, den regelmäßigen politischen Dialog mit Israel auszusetzen. Wie ein Sprecher des Spaniers in Brüssel sagte, soll über einen entsprechenden Vorschlag beim Außenministertreffen am kommenden Montag diskutiert werden. Grund für ein Aussetzen des Dialogs könnte demnach die Schlussfolgerung sein, dass Israel im Zuge seines Vorgehens gegen die Hamas und andere Terrororganisationen gegen Menschenrechte und internationales humanitäres Völkerrecht verstößt.
Regelmäßiger Austausch vorgesehen
Der Sprecher betonte, dass es bei dem Vorstoß nicht um einen Abbruch aller Kontakte, sondern um ein Einfrieren des politischen Dialogs geht, der Teil eines sogenannten Assoziationsabkommens aus dem Jahr 2000 ist. Dieser sieht unter anderem einen regelmäßigen Austausch zur Stärkung der Beziehungen und zur Weiterentwicklung der Partnerschaft vor. Festgehalten ist dort auch, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie beruhen. Dieser Passus könnte nun genutzt werden, um Teile des Assoziationsabkommens auszusetzen.
Dass der Vorschlag Borrells für ein Aussetzen des Dialogs die benötigte einstimmige Zustimmung findet, gilt unterdessen als unwahrscheinlich. Neben Deutschland äußerten weitere Staaten ihre Ablehnung, darunter die Niederlande, Dänemark, Italien, Ungarn und Tschechien, wie ein EU-Diplomat sagte. EU-Beamte betonten unterdessen, den institutionellen politischen Dialog auszusetzen, bedeute nicht, das Assoziationsabkommen oder den Assoziationsrat auszusetzen. Stattdessen könne es sogar sein, dass dieses Thema im Assoziationsrat mit Israel besprochen werde, hieß es.
Der Vorstoß Borrells ist nach Angaben von Diplomaten auch damit zu erklären, dass die EU Israel bereits vor längerem um ein Treffen des Assoziationsrats gebeten hatte, um dort über die Situation im Gazastreifen und die Vorwürfe gegen Israel sprechen zu können. Über die Organisation einer Zusammenkunft kann allerdings schon seit mehreren Monaten keine Einigung mit der israelischen Regierung erzielt werden. EU-Beamte sagten, Borrell wisse, dass sein Vorschlag vermutlich nicht angenommen werde. Er setze aber darauf, dass schon die Diskussion darüber ein deutliches politisches Signal an Israel darstelle.
Israel greift mehr als 100 Ziele an
Derweil geht das Blutvergießen im Krieg Israels mit den Islamisten der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah-Miliz im Libanon weiter. Israels Luftwaffe griff Militärangaben zufolge binnen 24 Stunden mehr als 100 Ziele im Gazastreifen und im Libanon an. Darunter seien Waffenlager und Kommandozentralen gewesen, teilte die Armee mit.
In der humanitären Zone im Süden Gazas zerstörten die israelischen Streitkräfte eigenen Angaben zufolge eine Raketenabschussrampe der Hamas. Sie sei auf Israel ausgerichtet gewesen und habe eine direkte Bedrohung für die Zivilgesellschaft dargestellt, hieß es. Die Streitkräfte warfen der Hamas vor, die humanitäre Zone und zivile Gebäude für ihre terroristischen Aktivitäten zu missbrauchen.
Bei Kämpfen im Südlibanon wurden nach Angaben der israelischen Armee sechs Soldaten getötet. Sie seien bei einem Schusswechsel mit vier Hisbollah-Terroristen in einem Gebäude ums Leben gekommen, berichteten mehrere israelische Medien unter Berufung auf eine erste Untersuchung der Streitkräfte.
Der aktuelle Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah begann vor mehr als einem Jahr mit den Raketenangriffen der libanesischen Miliz zur Unterstützung der im Gazastreifen unter Beschuss stehenden Hamas. Auslöser dafür war das Massaker der Hamas und anderer Terroristen am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt wurden. Auf palästinensischer Seite wurden im Krieg Zehntausende Menschen getötet, die meisten davon Zivilisten. Die genauen Zahlenangaben lassen sich faktisch nicht unabhängig überprüfen.