Erkältungszeit: Immunabwehr reagiert auf Video: Wie uns das vor Ansteckung schützt

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Unsere Immunabwehr verliert keine Zeit: Sie wartet nicht auf den Kontakt mit den Krankheitserregern, sondern legt schon los, wenn wir andere Erkrankte nur sehen.

Im Laufe der Evolutionsgeschichte gehörten übertragbare Krankheiten, insbesondere Virusinfektionen der Atemwege wie SARS-CoV-2 oder die Grippe, zu den wesentlichen und oft tödlichen Gesundheitsrisiken von Menschen. Die ständige Bedrohung durch Krankheitserreger führte zur Entwicklung verschiedener Mechanismen des Immunsystems – beispielsweise setzt es Antikörper zur Erregerabwehr frei.

Daneben verfügt der Mensch aber auch über ein Repertoire an verhaltensbezogenen Anpassungen, das sogenannte Verhaltensimmunsystem. Es hilft, Gerüche oder sichtbare Anzeichen in der Umgebung als Hinweise auf Krankheitserreger zu erkennen und löst Vermeidungsverhalten durch Abneigung oder Ekel aus.

Immunabwehr reagiert auf erkältete Mitmenschen

Wissenschaftlerinnen des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg haben nun in einer Studie herausgefunden, wie beide Immunsysteme zusammenwirken. Zweiundsechzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer sahen sich kurze Videos an, die entweder Menschen mit oder ohne Anzeichen für eine ansteckende Krankheit zeigten. Währenddessen wurde ihre Gehirnaktivität mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie bestimmt.

Darüber hinaus untersuchten die Forscherinnen auch erste Abwehrreaktionen des Immunsystems. Dafür maßen sie im Speichel die Freisetzung des wichtigsten Antikörpers zur Bekämpfung von Krankheitserregern in den Atemwegen, das sogenannte sekretorische Immunglobulin A (sIgA). Normalerweise wird dieser Antikörper freigesetzt, wenn Erreger auf die Schleimhäute treffen. 

Grippe auskurieren 17:57

Doch schon die Wahrnehmung von niesenden und kranken Personen im Vergleich zu nicht ansteckenden Personen aktivierte im Gehirn der Probanden und Probandinnen die vordere Insula. Diese Hirnregion stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen Gehirn und Immunsystem dar. 

Außerdem setzten die Testpersonen analog zur Stärke der Insula-Aktivität auch mehr von dem Antikörper sIgA frei. Dies deute auf eine zentrale Rolle dieser Gehirnregion bei der Steuerung der Immunantwort hin, welche die Mundschleimhäute auf den zu erwartenden Erregerkontakt vorbereitet, sagt Dr. Esther Diekhof, Leiterin der Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie am Fachbereich Biologie der Universität Hamburg und Autorin der Studie: "Zum Beispiel dann, wenn jemand in unmittelbarer Umgebung niest."


Das Gehirn zeigt Angst vor Ansteckung

Im Gegensatz dazu zeigte die Amygdala – eine Gehirnregion, die an emotionalen Reaktionen wie Furcht und Angst beteiligt ist – bei allen Videos, in denen Menschen zu sehen waren, eine erhöhte Aktivierung. Dies deute auf eine unspezifische Wachsamkeit gegenüber der Anwesenheit von Menschen hin, sagt Judith Keller, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie und Mit-Autorin der Studie.

"Während die Insula die zentrale Immunaktivierung koordiniert, könnte die Amygdala eher als Alarmsystem für soziale Situationen mit erhöhtem Übertragungsrisiko fungieren", lautet Diekhofs Resümee. Auf diese Weise sei das Immunsystem schon für Gegenmaßnahmen aktiviert und der Organismus auf die erwartete Erregerbelastung vorbereitet.