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Erdgeschichte: Wie vor 5,5 Millionen Jahren das Mittelmeer verschwand



Es klingt unglaublich: Vor Millionen Jahren verschwand fast das gesamte Mittelmeer. Was genau geschah, haben Forscher nun untersucht – und dabei eine alte Theorie bestätigt.

Irgendwann war das Meer weg. Als hätte es jemand heimlich abgelassen wie aus einer gigantischen Badewanne verschwand vor etwa 5,97 bis 5,33 Millionen Jahren fast alles Wasser aus dem Mittelmeer. Zurück blieb ein riesiges Salzbecken, eine karge Tiefebene. Wo vormals noch Wellen wogten, glitzerten während der "Messinischen Salzkrise" nur vereinzelt noch ein paar flache Salzseen. Die Mündung des Nils und der Rhone lagen jetzt viele hundert Meter unter dem heutigen Meeresspiegel. Korsika und Sardinien waren keine Inseln mehr, sondern riesige Berge.

Eine Verschiebung der Kontinentalplatten hatte den Untergrund zwischen Gibraltar und Nordafrika angehoben und die Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer verschlossen. So viel ist bekannt. Wie aber konnten sich innerhalb kurzer Zeit im Mittelmeerraum eine Million Kubikkilometer Salz sammeln? Dieser Frage sind nun Forscher um Giovanni Aloisi vom Institut de Physique du Globe de Paris nachgegangen. 

Zwei Phasen der Verdunstung

Um sie zu beantworten, untersuchten die Wissenschaftler Chlorisotope im Salz. Die meisten chemischen Elemente besitzen mehrere Isotope, natürlich vorkommende, aber seltene Varianten eines Elements also. Ihre Verteilung oder Zusammensetzung in bestimmten Substanzen erlaubt Wissenschaftlern, die Entstehungszeit dieser Substanzen nachzuvollziehen.

Durch die Analyse fanden die Forscher heraus, dass es wahrscheinlich zwei Phasen extremer Verdunstung und Salzansammlungen gab. Während der ersten Phase, die etwa 35.000 Jahre dauerte, gab es die Straße von Gibraltar, die Verbindung zwischen Mittelmeer und Atlantik, zwar noch, doch sie wurde merklich kleiner. Immer weniger frisches Meerwasser konnte so nachfließen. In dieser Zeit kam es vor allem im östlichen Mittelmeer zu einer großen Salzablagerung am Meeresgrund. Nur wieso? 

Ammoniten 13.53

Früher ging man davon aus, dass Salz in flachen, zeitweise mit Wasser gefüllten Becken und bei sehr trockenen Bedingungen ausfällt. 

"Die Entdeckung des Mittelmeer-Salzgiganten durch wissenschaftliche Meeresbohrungen in den frühen 70er-Jahren stellte die Geologen vor ein großes Problem", schreibt Giovanni dem stern: "Wie ist es möglich, dass sich eine Million Kubikkilometer Salz in einem marinen Randbecken angesammelt haben, das in seinen zentralen Teilen durchschnittlich zwei bis drei Kilometer tief ist?"

Irgendwann war das Meer gesättigt

Die Meerenge von Gibraltar ist durch einen Wasserfluss in zwei Richtungen gekennzeichnet: Das weniger salzhaltige Oberflächenwasser des Atlantiks fließt in das Mittelmeer, während das tiefe, salzhaltigere Wasser des Mittelmeeres das Becken in Richtung Atlantik verlässt.

"Als die Meerenge von Gibraltar durch tektonische Bewegungen angehoben wurde, war zuerst der tiefe, salzhaltige Austrittsstrom aus dem Mittelmeer betroffen. Als dieser Austrittsstrom abnahm, wurde immer mehr Salz im Mittelmeer eingeschlossen, wodurch der Salzgehalt der Wassermasse anstieg", erklärt Giovanni.

Irgendwann erreichte das Wasser seine maximale Sättigung. Noch mehr Salz konnte sich im Wasser nicht lösen, also setzte es sich ab. 

In der zweiten Phase schloss sich den Untersuchungen zufolge der Zufluss aus dem Atlantik ganz. Der Meeresspiegel im westlichen Mittelmeerraum sank um 0.85 Kilometer, im östlichen sogar um 1,7 bis 2,1 Kilometer, und das für erdzeitgeschichtliche Verhältnisse recht schnell: 50 Prozent der gesamten Wasser-Absenkung nach Angaben der Forscher in weniger als 3500 Jahren, 80 Prozent in weniger als 6000 Jahren. Nach 10.000 Jahren hatte das Mittelmeerbecken schließlich vermutlich rund 70 Prozent seines Wasservolumens verloren. Nur das Salz war zurückgeblieben. Bis heute erzählen die riesigen weißen Mineralablagerungen auf dem Meeresboden von einem Mittelmeer, das einmal fast komplett verschwunden war.

Nur wenige endemische Arten im Mittelmeer überlebten

Die Ergebnisse der Untersuchungen, die nun in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, sollen ein besseres Verständnis von der Entstehung des Mittelmeeres möglich machen. Und sie passen zu einigen schon vorhandenen Erkenntnissen. So hätte das Verschwinden des Mittelmeeres Auswirkungen auf das Klima im Weltmaßstab haben müssen, wie etwa Veränderungen der Niederschlagsmuster – ein Szenario, das durch Niederschlagsdaten tatsächlich nahegelegt wird.

Außerdem hätte die ermittelte Absenkung des westlichen Mittelmeeres zur Bildung einer Landbrücke geführt, die Europa über Andalusien und die Balearen mit Afrika verbunden hätte. Diese Landbrücke hätte es der Wirbeltierfauna ermöglicht, die Balearen zu kolonisieren. Auch für so eine Wanderung gibt es paläontologische Belege.

Für die Lebewesen, die nur im Mittelmeer zu Hause waren, war der Rückgang des Wassers dagegen verheerend. Ein internationales Forschungsteam berichte kürzlich im Fachmagazin Science, dass es vor der Salinitätskrise etwa 770 solcher endemischen Arten gegeben habe. Überlebt hätten jedoch höchstens 86. Alle anderen seien ausgerottet worden, weil sie außerhalb des Mittelmeers nicht leben konnten. Durch die Krise verlor das Mittelmeer auch seine Korallenriffe. Nur rund elf Prozent der Arten, die einst nur im Mittelmeer vorkamen, überstanden diese Zeit. 

Die größte Flut, die es je gab

Wie aber ging es nach dem Verschwinden weiter? Dass das Mittelmeer heute wieder gefüllt ist, liegt den Wissenschaftlern zufolge an einer erneuten Plattenverschiebung. Vor etwa 5,33 Millionen Jahren öffnete sich demnach die Straße von Gibraltar wieder und es kam es zur womöglich größten Flut in der Geschichte unseres Planeten. Vom Atlantik her brachen sich gigantische Mengen Wasser ihre Bahn und füllten das Mittelmeerbecken innerhalb von zwei Jahren wieder auf. Bis sich Flora und Fauna erholt hatten, dauerte es jedoch noch 1,7 Millionen Jahre. 

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