2 months ago

Entgleisung von Özoğuz: Ihr Posting zweifelt Israels Existenzrecht an – der Kanzler muss eingreifen



Bundestags-Vize Aydan Özoğuz bringt Zionismus grundsätzlich mit Gewalt in Verbindung, stellt so die Existenz eines jüdischen Staates infrage. Die SPD reagiert mit Schulterzucken.

Das war eine Entgleisung. Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) hat auf Instagram mindestens implizit das Existenzrecht Israels infrage gestellt. Das ist für sich genommen schon ein deutscher Tabubruch. 

Besonders heikel wird das Posting aber, weil die Sozialdemokratin nicht irgendjemand ist, sondern Bundestagsvizepräsidentin. Sie vertritt das gesamte Parlament, ist eine der höchsten Repräsentantinnen des Staates. Das kann nun zum Problem werden, für ihre Partei, aber auch für den sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz.

Das Posting von Aydan Özoğuz geht zu weit

Der Reihe nach: Vergangene Woche verbreitete Özoğuz einen Post der sogenannten "Jewish Voive for Peace" über ihren öffentlichen Instagram-Kanal. Auf einem Foto war ein Flammeninferno zu sehen, darüber steht: "This is Zionism" ("Das ist Zionismus"), in dem dazugehörigen Text wurden Israel Apartheid und Kolonialismus vorgeworfen. Özoğuz hat inzwischen erklärt, sie habe das alles nicht so gemeint. Was sie ansonsten gemeint habe, sagte sie bisher nicht. 

Der von Özoğuz verbreite Post eignet sich lehrbuchartig, um den entscheidenden Kipppunkt in der deutschen Debatte über den Nahostkonflikt zu verdeutlichen: Es muss unterschieden werden zwischen Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung und einem Infragestellen der Existenz eines jüdischen Staates an sich. 

Antisemitischer Post: Özuguz bittet um Entschuldigung, 23.10

Natürlich ist Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza und im Libanon in Deutschland möglich: Ja, es ist fraglich, ob die israelische Armee bei ihrem Feldzug gegen Hamas und Hisbollah das Völkerrecht achtet. Ja, es wird viel zu viel und deutlich zu lange schon Blut vergossen. Ja, die israelischen Geiseln müssen endlich freikommen. Ja, man darf darüber diskutieren, ob Deutschland diesen Feldzug weiter mit Waffen unterstützen sollte. Ja, es gibt Akteure, die solche Aussagen in die Nähe von Antisemitismus rücken wollen. Eine Mehrheit ist das in Deutschland aber nicht; selbst die Bundesregierung kritisiert das Vorgehen von Benjamin Netanjahu inzwischen scharf.

Um all das geht es bei dem Posting, das Özoğuz am Wochenende auf Instagram geteilt hat, aber überhaupt nicht. Die von ihr verbreitete Nachricht stellt die Existenz des Staates Israel grundsätzlich infrage. Die Bundestagesvizepräsidentin zählt offenbar zu denen, die "den Zionismus" (so war es in ihrem Post zu lesen) – also das Streben nach einem unabhängigen jüdischen Staat – als Alleinschuldigen für die Gewalt in Nahost ausmachen und Israel als kolonialistisches Projekt sehen. 

Weiß Özoğuz nicht, dass die jüdischen Siedler als Flüchtlinge nach Palästina kamen und nicht als Kolonialherren? Weiß sie nicht, dass in Israel auch die Mizrachim Zuflucht fanden, Juden also, die zuvor aus anderen arabischen Ländern vertrieben wurden? Das von Özoğuz verbreitete Posting stellt außerdem nicht nur das jetzige Israel infrage, sondern auch jedes andere mögliche jüdische Land auf der Welt; auch jene, die sich womöglich anders verhalten, als es die jetzige rechtskonservative Regierung tut und als es israelische Politiker in der Vergangenheit taten. Hoffentlich hat die Bundestagsvizepräsidentin diesen entscheidenden Unterschied inzwischen verstanden. 

Und was sagt eigentlich die Kanzlerpartei?

Durch ihren Instagram-Post muss man annehmen, dass sie eine wichtige Lehre des Holocausts anzweifelt. Diese lautet: Juden brauchen eine sichere Heimat in der Welt. Die Sozialdemokratin hat damit nicht nur Gefühle verletzt, wie sie in ihrer dürren Erklärung angibt. Özoğuz geht mit dem Verbreiten des Postings den entscheidenden Schritt weiter: Die Bundestagsvizepräsidentin setzt das Streben nach einem jüdischen Staat grundsätzlich mit brutaler Gewalt gleich. Dabei fiel Özoğuz in der Vergangenheit als Politikerin auf, die mehr Dialog in Debatten um Nahost forderte. Ihr Posting gleicht dagegen einem Beziehungsende per Kurznachricht: mit einer Mehrheit der Juden auf der Welt. 

Besonders verwunderlich ist, wie ihre Partei auf die Entgleisung reagiert. Der sonst so nachdenkliche Fraktionschef Rolf Mützenich reagierte, danach gefragt, mit einer Erklärung á la "Schwamm drüber!". Ein Rücktritt stehe nicht zur Debatte. Ansonsten ist bei der Kanzlerpartei vor allem Schulterzucken wahrnehmbar.

Mützenich verteidigt Bundestags-Vize Özoğuz gegen Rücktrittsforderungen9.15

Das ist befremdlich. Man kann doch nicht einerseits in seinen Sonntagsreden nahezu jeglichen Protest von Palästinensern verdammen, sich gleichzeitig mantraartig an die Seite der Jüdinnen und Juden in der Welt stellen, aber dann darüber hinweggehen, wenn in den eigenen Reihen die Existenz Israels infrage gestellt wird. Und wie geht es zusammen, dass die Parole "From the river to the sea" laut der sozialdemokratischen Innenministerin eine Straftat sein soll, aber die Bundestagsvizepräsdentin aus derselben Partei nun mit knapper Erklärung davonkommen soll? 

Eine Bundestagsvizepräsidentin hat eine Vorbildfunktion. Wo ist Eure Wut, liebe Sozialdemokraten? Wo ist die Kritik von Özoğuz’ politischem Ziehvater Olaf Scholz? Hat er sie wenigstens mal angerufen? Wenn eine hohe Repräsentantin dieses Staates und seiner Partei die Existenz des jüdischen Staates infrage stellt, kann das ein sozialdemokratischer Bundeskanzler doch nicht beflissen wegschweigen. Etwas Entscheidendes wäre dann gekippt in diesem Land.  

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