Vor einem Jahr überfällt die Terrororganisation Hamas Israel, seither produziert die Region Bilder aus der Hölle. Damit Frieden überhaupt denkbar ist, braucht es ganz andere Bilder und Führung.
Am 7. Oktober 2023 fluten Bilder die Welt, die in ihrer Grausamkeit nicht zu verstehen sind. Eines zeigt eine halb entblößte junge Frau, bäuchlings, mit verdrehten Beinen auf einem weißen Pick-up liegend. Um sie herum johlende Männer mit schweren Waffen. Videos von Männern und Frauen, die auf andere Fahrzeuge gezerrt werden, schreiend, weinend, blutend. Noch später Bilder von zerstörten Häusern, verbrannten, geköpften Leichen.
Genau vor einem Jahr überfällt die Terrororganisation Hamas Israel. Auf dem Nova-Festival und in den Kibbuzim im Süden des Landes werden Menschen ermordet, Geiseln in den Gaza-Streifen entführt. Es kommt zu Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen, Zerstörungen, alles dokumentiert von den Tätern.
Seither tobt ein Krieg zwischen Israel und Hamas und produziert immer mehr Bilder. Von zerstörten Straßen und Krankenhäusern. Von Terrortunneln, die die Hamas unter ganz Gaza gebaut haben. Von verzweifelten Menschen, die mehrfach flüchten müssen, von hungrigen oder toten Kindern.
Die Bilder haben Wirkung: Weltweit lösen sie nicht nur Entsetzen aus, sondern auch Wut. Die sich vor allem gegen den militärischen Einsatz Israels in Gaza richtet. Auf den Straßen und den Universitäten entstehen neue Bilder: Studenten und Muslime, die "Free Palestine" in die Welt schreien. Die Demonstrationen sind nicht friedlich, sie befeuern eine Welle an antisemitischen Vorfällen. Jüdische Studenten werden in Europa und den USA gewaltsam am Betreten der Universitäten gehindert, jüdische Einrichtungen beschmiert, hebräisch sprechende Menschen auf der Straße angegriffen, ebenso diejenigen, die sich laut gegen Antisemitismus aussprechen.
Aus Israel kommen Bilder aus dem Westjordanland, wo die Ereignisse zu neuen Gewaltausbrüchen der Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung führen. Gleichzeitig sieht man Hunderttausende Israelis, die Woche für Woche für die Freilassung der Geiseln, Waffenstillstand und gegen die eigene Regierung demonstrieren. Denn den ersten Bildern von freigelassenen Geiseln sind kaum andere gefolgt. Man sieht, wie die israelische Polizei die Demonstranten immer wieder brutal zurückdrängt.
So sehen Gewaltspiralen aus
Während der unbeteiligte Teil der Welt irgendwann das Interesse an den immer gleich erscheinenden Bildern verliert, suchen sich die verschiedenen Seiten des Konflikts die Bilder heraus, die ihre Argumente untermauern und dem eigenen Bild des Konflikts entsprechen.
Der Iran mischt sich in den Krieg ein und kurz vor dem Jahrestag bricht der Krieg mit dem Libanon offen aus und liefert die nächsten Bilder. Explodierende Pager sorgen weltweit kurz für neues Interesse, solche Geschichten kennt man doch aus Agentenfilmen. Das hält so lange an, bis die ersten Bilder der Opfer kommen, mit verbundenen Köpfen, weil die Augen entfernt werden mussten. Gefolgt von Live-Material über Bombenangriffe auf den Libanon und Raketenangriffe auf Israel.
Bild über Bild. Menschen, die vor Angst auf der Straße schlafen. Menschen, die vor Angst in Bunkern ausharren. Manche Bilder, von Toten nach Bombenangriffen, Toten nach Terroranschlägen, gehen dabei unter. Andere Bilder, wie die von tanzenden Menschen, die Terror feiern, lassen die Hoffnung auf ein anderes Leben schwinden.
Bilder dienen den Extremisten
Diese grausame Bilderflut dient totalitären Extremisten dazu, ihre Taten zu legitimieren. Sie verändert aber auch alle, die diesen Eindrücken jetzt ein ganzes Jahr ausgesetzt waren.
Noch ein weiteres Jahr solcher Bilder aus der Hölle sind nicht auszuhalten. Die Region braucht Jahre ohne solche Bilder, Jahre der Waffenruhe, um überhaupt Hoffnung auf eine andere Realität schöpfen zu können. Um wieder Empathie für den anderen entwickeln zu können.
Für einen dauerhaften Frieden sind dann noch einmal ganz andere Bilder nötig. Damit diejenigen, die sich gegen Hass und Terror stellen, daran glauben können, dass sie etwas bewirken und sich gegen Fanatiker durchsetzen können.
Es braucht Bilder von Regierungen und Führungen, die Frieden suchen. Ohne Terroragenda, ohne die Verfolgung und Tötung von Minderheiten. Die nicht die eigene Macht, sondern das Gemeinwohl ausbauen wollen. Bilder eines Wiederaufbaus, einer sicheren Zukunft und eines Wohlstands, wie sie schon so oft gemalt, aber nie umgesetzt wurden. Mit jedem weiteren Bild aus der Hölle rückt dieses Szenario gerade weiter weg.