Louisa Specht-Riemenschneider, Datenschutzbeauftragte des Bundes, hat im Digitalausschuss des Bundestages ihr Programm für die nächsten Jahre präsentiert – und Fragen zum Überwachungspaket der Bundesregierung beantwortet. Die Sitzung lässt erahnen, welche Schwerpunkte ihre Behörde setzen wird.
Gesundheit, KI und Sicherheit, das sind die Themen, die Louisa Specht-Riemenschneider in ihrer Arbeit als Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in den Vordergrund stellen möchte. Am 3. September trat sie ihr Amt an, gestern hat sie sich und ihre Positionen im Digitalausschuss des Bundestages vorgestellt.
Specht-Riemenschneider sagt, der Datenschutz würde aktuell eher als Belastung denn als Schutzinstrument wahrgenommen. Er habe ein „Akzeptanzproblem“. Der Grund: „Die Datenschutz-Grundverordnung ist noch sehr jung und enthält viele Rechtsbegriffe, die man auslegen muss.“ Es gäbe zunehmend höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, aber noch keine umfassende. „Ich kann die unbestimmten Rechtsbegriffe nicht aus der DSGVO herauszaubern“, sagt sie.
Zudem sei die nötige Abwägung aller Einzelfallumstände untauglich für massenhafte Datenverarbeitungsvorgänge wie KI-Trainings. „Der Gesetzgeber muss klar definieren, für welche Zwecke Datenverarbeitungen zulässig sein sollen“, fordert Specht-Riemenschneider.
„Bereiche, in die wir niemals gehen sollten“
Specht-Riemenschneider sagt, sie stehe für die Vereinbarkeit von Datenschutz und Digitalisierung. Dabei sieht sie aber rote Linien: Das informationelle Selbstbestimmungsrecht müsse auf jeden Fall eingehalten werden. Jede Verarbeitung personenbezogener Daten sei ein Grundrechtseingriff. Ob der zu rechtfertigen ist, hänge davon ab, wie tief der Eingriff sei.
Dabei bezieht sich Specht-Riemenschneider auch auf das von der Ampel-Regierung geplante Überwachungspaket. Das erlaube weitreichende Grundrechtseingriffe schon anlässlich von Wohnungseinbrüchen, greife auch die Privatsphäre von Zeugen an. „Das sind Bereiche in die wir nicht gehen können und niemals gehen sollten“, sagt sie. „Niemand will den Polizeien und Sicherheitsbehörden dringend benötigte Befugnisse nehmen. Aber was über die Verfassungsgrenze hinausgeht, geht einfach nicht.“
Zu einer möglichen Vorratsdatenspeicherung sagt Specht-Riemenschneider, dass das EuGH-Urteil aus dem April diese grundsätzlich erlaube, wenn sie verschiedene Kategorien persönlicher Daten ausreichend trenne und auf den absolut erforderlichen Zeitraum beschränkt sei. Bei der Ausgestaltung dieses Spielraums bestünde allerdings die Gefahr, „dass man in die Verfassungsfeindlichkeit läuft.“ Die Speicherung persönlicher Daten kann laut Specht-Riemenschneider zudem „ein Dauergefühl der Überwachung in der Bevölkerung schaffen“. Sie bittet, diese Tatsache in den politischen Dialog einzubeziehen.
Chatkontrolle: „höchst fragwürdig“
Zudem äußert sie den Wunsch, dass ihre Behörde früher in Entscheidungsprozesse eingebunden wird. „Dann machen Sie Gesetze, an denen wir am Ende nicht so viel rummeckern müssen.“ Datenschutz sei kein Innovationsverhinderer, „wenn wir ihn von Anfang an ordentlich mitdenken.“
Ein Transparenzgesetz hielte Specht-Riemenschneider für „ein tolles Signal“. Die Informationsfreiheit gehöre allerdings nicht zu ihren Schwerpunkten, sagt die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Bei der Chatkontrolle hält Specht-Riemenschneider es für „höchst fragwürdig“, ob diese zur Zielerreichung – den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt im Netz – überhaupt geeignet sei. Sie könne deshalb nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden.
Die Übermittlung von Standortdaten von Telefonen anhand der Werbe-ID hat Specht-Riemenschneider, so sagt sie, „in den letzten drei Monaten Tag und Nacht beschäftigt.“ Sie fordert ein Gesetz, das Databroker adressiert, die solche Daten sammeln. Die seinen bislang nämlich datenschutzrechtlich noch nicht angreifbar.
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