Die Linkspartei steht seit dem Austritt von Sahra Wagenknecht unter großem Druck. Zusammen mit der 55-Jährigen sind viele Gefolgsleute zum BSW gewechselt, ein Neuanfang muss her. Den muss die Linke ohne ihre Vorsitzenden Wissler und Schirdewan gestalten.
Die Linke-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug angekündigt. Beim Parteitag im Oktober werden sie nicht erneut für den Vorsitz kandidieren, wie beide mitteilen. Die Entscheidung hätten sie in einer Sitzung dem übrigen Parteivorstand verkündet. Wissler steht seit Februar 2021 an der Spitze der Linken, zunächst gemeinsam mit Susanne Hennig-Wellsow. Schirdewan übernahm den Ko-Vorsitz im Juni 2022.
"Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht und lange abgewogen, was in dieser Situation sinnvoll ist", erklärte Wissler. "Ich nehme wahr, dass es in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Neuanfang gibt." Nun bleibe der Linken bis um Parteitag Mitte Oktober genug Zeit "für ein transparentes Verfahren und eine innerparteiliche Meinungsbildung zu Kandidaturen".
Auch Schirdewan erklärte, er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie sei "nach gründlichem Nachdenken in den zurückliegenden Wochen in mir gereift". Er sei der Meinung, "dass unsere Partei in der jetzigen Situation neue Perspektiven und Leidenschaft braucht, um die notwendige Erneuerung voranzutreiben", fügte Schirdewan hinzu.
Wissler: BSW-Abspaltung hätte früher kommen müssen
Die notwendige Erneuerung wurde auch durch die Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) deutlich. Die frühere Linksfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht hatte im Herbst 2023 das BSW gegründet und gemeinsam mit Gefolgsleuten die Linke verlassen. Dies hatte auch das Ende der Linksfraktion im Bundestag zur Folge, weil die Zahl der verbliebenen Abgeordneten nicht mehr für den Fraktionsstatus ausreichte. Seither gibt es im Bundestag zwei Gruppen: die Linke und BSW.
Wissler wünschte sich rückblickend, dass die Abspaltung des BSW früher erfolgt wäre. "Mit dem Wissen von heute bin ich der Meinung, dass man die Trennung viel früher hätte forcieren müssen", so Wissler im Online-Magazin der Partei. "Ich würde gerne sagen, dass man das nicht ahnen konnte, aber das stimmt leider nicht."
Vor der später eingetretenen Entwicklung hätten Einzelne "schon vor vielen Jahren" gewarnt, führte Wissler aus. "Ich habe die inhaltliche Kritik an Wagenknecht und Co. zwar vollständig geteilt, habe die Gefahr für die Partei damals aber unterschätzt", räumte sie ein.