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Die Lage im Überblick: Netanjahu reist in die USA - Hält die Waffenruhe in Gaza?



Israel und die USA wollen Schritte für die zweite Phase der Gaza-Waffenruhe koordinieren. Während Netanjahu nach Washington reist, fordern zu Hause Tausende die Freilassung der übrigen Geiseln.

Die Verhandlungen über die nächste Phase der Waffenruhe im Gazastreifen sollen nach Darstellung Israels morgen in Washington beginnen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werde sich dort mit dem US-Nahost-Gesandten Steve Witkoff treffen und über Israels Verhandlungspositionen sprechen, teilte das Büro des Regierungschefs mit. Am Tag darauf werde Netanjahu im Weißen Haus zu seinem "historischen Treffen" mit US-Präsident Donald Trump zusammenkommen und mit ihm unter anderem über die Zukunft des verwüsteten Gazastreifens reden, hieß es. 

Trumps Sondergesandter Witkoff werde sich außerdem im Verlauf der Woche mit Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie ranghohen Vertretern Ägyptens beraten und anschließend erneut mit Netanjahu sprechen, hieß es. Und zwar "über Schritte, die Verhandlungen voranzubringen, einschließlich von Daten für die Abreise von Delegationen zu den Gesprächen". 

Die USA, Katar und Ägypten fungieren als Vermittler zwischen Israel und der islamistischen Hamas, da diese nicht direkt miteinander reden. Mit ihrer Hilfe war die gegenwärtige sechswöchige Waffenruhe in Gaza zustande gekommen. 

Israel und die Hamas hatten sich bei den indirekten Gesprächen darauf geeinigt, dass sie am 16. Tag der Waffenruhe, also morgen, Verhandlungen über ein dauerhaftes Ende des Krieges und die Freilassung aller noch lebenden Geiseln aufnehmen werden. Rechtsextreme israelische Politiker haben damit gedroht, die Regierung zu verlassen, sollte Netanjahu diese zweite Phase des Waffenruhe-Abkommens durchziehen und den Kollaps seiner Koalition riskieren.

Tausende fordern in Israel Freilassung aller Geiseln

Vor Netanjahus heutiger Abreise nach Washington forderten Tausende von Demonstranten in Tel Aviv und Jerusalem die Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas. Angehörige der Verschleppten drängten auf die Umsetzung der zweiten Phase der Waffenruhe-Vereinbarung. Sie haben die Sorge, dass es dazu gar nicht erst kommt und der Krieg weitergehen wird.

Nach der Freilassung dreier weiterer Verschleppter werden noch 79 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, 35 von ihnen sind israelischen Angaben zufolge tot. Die nächsten Entführten sollen am kommenden Wochenende freikommen. Das Abkommen war am 19. Januar in Kraft getreten. Es sieht vor, dass in der ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Die Hamas teilte zuletzt mit, dass acht der 33 tot seien. Um wen genau es sich dabei handelt, ist unklar. 18 Geiseln sind inzwischen frei.

Man werde sich weiterhin entschlossen für eine Freilassung aller verbliebenen Geiseln einsetzen, sowie für "die Erreichung aller Kriegsziele", sagte Netanjahu. Eines der Kriegsziele Israels ist die vollständige Zerstörung der Hamas. Werde bei den nun anstehenden weiteren Verhandlungen keine Einigung erzielt, könnten die Kämpfe weitergehen, hatte der Regierungschef unlängst gedroht. 

Netanjahu will mit Trump auch über den Iran sprechen

Bei seinem "historischen Treffen" mit Trump stünden am Dienstag "die Geiseln, der Umgang mit allen Elementen der iranischen Achse und weitere zentrale Themen" auf der Tagesordnung, teilte Netanjahus Büro weiter mit. Zu Irans Verbündeten zählen neben der Hamas in Gaza die von Israel ebenfalls militärisch geschwächte Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Miliz im Jemen. 

Netanjahu dürfte der erste Regierungschef aus dem Ausland sein, den Trump als Präsident empfängt. Das stellte auch Netanjahus Büro heraus. Dies wird als eine starke Geste der Unterstützung für Israels rechten Ministerpräsidenten gesehen, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international stark in die Kritik geraten ist. Trump ist als ein enger Verbündeter Netanjahus bekannt. 

Trump hatte kürzlich vorgeschlagen, dass Ägypten und Jordanien die Palästinenser aus Gaza aufnehmen sollten. Das könne vorübergehend oder langfristig sein. Trump argumentiert, der Gazastreifen sei buchstäblich eine Abrissbrache. Außenminister mehrerer einflussreicher arabischer Staaten wiesen eine solche Umsiedlung von Palästinensern aus Gaza jedoch zurück. 

Arabische Länder lehnen Trump-Vorschlag zu Gaza ab

Eine Umsiedlung gefährde die Stabilität der Region und verlängere den Konflikt, erklärten die Außenminister Ägyptens, Jordaniens, Katars, Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate sowie Spitzenvertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Arabischen Liga. Die Rechte der Palästinenser dürften nicht verletzt werden, "ob durch Siedlungs-Aktivitäten, Ausweisung oder die Zerstörung von Häusern oder Annexion", hieß es weiter. 

In den vergangenen Tagen hatte sich Trump mehrfach optimistisch gezeigt, dass Ägypten und Jordanien seinem Vorschlag folgen würden. Am Samstag telefonierte er mit Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al-Sisi, wie das Weiße Haus mitteilte. Die Frage der Umsiedlung von Palästinensern wurde in der Mitteilung nicht erwähnt. Vielmehr hieß es, al-Sisi habe Zuversicht geäußert, dass Trumps Führung ein "goldenes Zeitalter des Friedens im Nahen Osten" einleiten könnte.

Vier weitere Tote im Westjordanland

Unterdessen eskaliert die Gewalt im Westjordanland weiter. Bei zwei weiteren israelischen Luftangriffen wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah vier Menschen getötet. Zuvor war bei einem Drohnenangriff in Dschenin ein 16-Jähriger getötet worden. Israels Armee teilte mit, in Kabatia sei ein "Auto mit Terroristen" und in Dschenin eine Gruppe Bewaffneter attackiert worden. Die Stadt Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. 

Israel hatte dort am 21. Januar den größten Militäreinsatz seit langem begonnen. Er erfolgt zu einer Zeit, da sich die ohnehin schon gespannte Lage im Westjordanland angesichts eines Erstarkens militanter Palästinenser und zunehmender Gewalt radikaler israelischer Siedler drastisch verschärft hat.

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