Der Republikaner lobpreist brutale Herrscher, nennt Linke "Ungeziefer" und lässt aus Sicht seiner Kritiker Pläne schmieden, die Demokratie zu zertrümmern. Politologen sehen Parallelen zu Mussolinis Faschismus. Woher kommen die Befürchtungen, Donald Trump könnte die USA in eine Diktatur ummodeln?
Neulich rief Donald Trump Anhänger, die sowohl ihn als auch Jesus Christus anhimmeln, dazu auf, am 5. November von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen: "Christen, geht raus und wählt, nur diesmal", sagte er: "In vier Jahren müsst ihr nicht noch einmal wählen. Wir werden es gut in Ordnung gebracht haben." Die Aussagen kann man als typisches Gerede des Republikaners abtun. Oder auch nicht. In Amerika sorgen sie jedenfalls für Aufsehen. Und das hat seinen Grund. Die Angst geht um, dass der Republikaner die USA, ein Kernland der Demokratie, in eine Autokratie oder gar Diktatur umwandelt, sollte er erneut erster Mann im Staate werden. Seine politischen Gegner - vor allem die weit links - gehen fest davon aus, dass der Präsidentschaftskandidat und seine Vordenker längst entsprechend planen.
Und dazu zählt auch, den 1951 ratifizierten 22. Zusatzartikel der US-Verfassung zu kippen, wonach ein und derselbe Präsident nach zwei Amtszeiten von maximal acht Jahren abtreten muss. Trump befeuert die Befürchtungen selbst. Er bescheinigte sich Chancen, "vier Jahre und darüber hinaus" zu regieren. Neu ist das nicht. Als Nummer eins im Weißen Haus sagte er laut CNN schon im März 2018 über den chinesischen Machthaber Xi Jinping, der die Begrenzung einer Regierungszeit von höchstens zwei Amtszeiten abgeschafft hatte: "Er ist jetzt Präsident auf Lebenszeit. Ich denke, das ist großartig. Vielleicht sollten wir das eines Tages auch versuchen."
Überhaupt lobpreist der Herausforderer der Demokratin Kamala Harris immer wieder Autokraten und Diktatoren. Putin gestand er kurz nach dem russischen Einfall in die Ukraine zu, "klug" zu sein. Über den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der in seinem Land eine Scheindemokratie installierte, sagte Trump: "Niemand ist besser, schlauer oder ein besserer Anführer." Und selbst Nordkoreas Diktator Kim Jong Un, der mit eiserner Hand regiert, nannte er "sehr nett". Von Trump ist eine heimlich aufgenommene Aussage über den skrupellosen Herrscher bekannt, die Bewunderung vermuten lässt: "Er spricht und seine Leute sitzen stramm. Ich möchte, dass meine Leute das auch tun."
Parallelen zu Mussolini
Sprachlich ist Trump ab und an nah an jenen Staatslenkern, die ihre politischen Gegner verhöhnen, verbale und körperliche Gewalt sowie Justizwillkür als legitimes Mittel zur Sicherung ihrer Macht betrachten. Weite Teile des linksgerichteten Lagers brandmarkte er als "Abschaum" und "Ungeziefer". Über Flüchtlinge sagte er in völkischer Manier: "Sie vergiften das Blut unseres Landes." Nach Einschätzung von Ruth Ben-Ghiat, eine auf Faschismus spezialisierte Historikerin an der New York University, ist die Rhetorik Mittel zum Zweck, künftig "alle repressiven Maßnahmen als Selbstverteidigung zu rechtfertigen, egal, ob es sich nun um die Verteidigung des Staates handelt, wie bei Mussolini, oder um die Verteidigung der Rasse, wie bei Hitler".
Trump auf den Spuren schlimmster Diktatoren? "Diejenigen, die versuchen, diese lächerliche Behauptung aufzustellen, sind eindeutig Schneeflocken, die nach irgendetwas greifen, weil sie unter dem Syndrom leiden, dass ihre gesamte Existenz von Trump zerstört wird, wenn er ins Weiße Haus zurückkehrt", sagte Steven Cheung, Sprecher des Präsidentschaftskandidaten, der "Washington Post" zufolge. Nach Angaben der Zeitung schob er später nach, er beziehe sich auf das "traurige, elende" Dasein jener Leute und nicht auf deren menschliche Existenz als solche.
Angekreidet wird Trump zudem sein offenkundiges Bemühen, Politik als eine Art dynastisches Familienunternehmen aufzuziehen, wie es die Welt von Autokraten und Diktatoren kennt. Seine Schwiegertochter Lara Trump und die Verlobte seines Sohnes Donald Trump Jr., Kimberly Guilfoyle, haben wichtige Posten in der republikanischen Partei inne. Erstere entließ Dutzende Mitarbeiter, die den Kurs des 77-Jährigen nicht guthießen. Donald Trump Jr., der den Konzern des Clans führt, unterstützt seinen Vater politisch, wo er nur kann. Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner waren die einflussreichsten Mitglieder der Familie im Regierungsapparat während der vier Jahre Trumps im Weißen Haus.
Den Staat umkrempeln
Aus Sicht der Mahner ist das alles kein Zufall. Ihrer Einschätzung nach steht dahinter ein Strategieplan, das Land autoritär auszurichten. Professorin Ben-Ghiat sieht Parallelen zu Mussolinis Agieren in Italien ab 1925. Sie hebt Trumps Hang hervor, sich einerseits als unersetzbaren Fürsprecher eines (angeblich) unterdrückten und von Washington ignorierten Teils der Amerikaner zu betrachten und sich aus diesem Grund als Gejagter regulärer und dunkler Mächte darzustellen. "Ein Freund von mir hat einmal gesagt, ich sei die am meisten verfolgte Person in der Geschichte unseres Landes", erklärte Trump vor zwei Jahren mit Blick auf die vielen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen ihn.
Nach dem gescheiterten Mordanschlag Mitte Juli betonte der Republikaner die Einschätzung umso mehr. Ben-Ghiat leitet daraus ihre These ab: Nach dem vierten Attentat auf ihn Anfang 1925 "rief Mussolini die Diktatur aus" mit dem Ziel, eigener Strafverfolgung zu entgehen "und dafür seine Macht auszubauen und Feinde zu bestrafen". Hitlers späterer Verbündeter habe eine Reihe von "Gesetzen zur Verteidigung des Staates" erlassen, "die Italien von einer Demokratie in eine Diktatur verwandelten", schrieb die Professorin in einem Gastbeitrag für den "Spiegel".
Ben-Ghiat zählte auf, was Mussolini tat, um Italien zu beherrschen: Zu eigenen Gunsten beschnitt er die Kompetenzen von Justiz und des Parlaments, hob die Pressefreiheit auf, verbot die gesamte Opposition und Gewerkschaften, feuerte nicht-regimetreue Staatsangestellte wegen "Unvereinbarkeit" ihrer Haltung mit seiner Politik und ersetzte sie durch treue Anhänger. "Die Gesetze machten deutlich, dass jeder Angriff auf Mussolini als Angriff auf den Staat und die nationale Einheit gewertet wurde. Das ist ein Thema, das sich durch die gesamte autoritäre Geschichte zieht."
"Ich bin euer Krieger"
Obwohl sich die amerikanische Demokratie bislang als robust erwiesen hat, Trump - anders, als es bei Mussolini war - in kein Mordkomplott an einem politischen Konkurrenten verwickelt ist und er die föderalen USA - im Unterschied zum faschistischen Italien - kaum in einen Polizeistaat umbauen wird (können), macht die Historikerin "gewisse Ähnlichkeiten" mit der Diktatur im südlichen Europa aus. Wie andere Trump-Gegner verweist sie auf seine laut geäußerten Rachegelüste sowie das Urteil des Supreme Courts, des obersten Gerichts der USA, dem Präsidenten fast vollständige Immunität zuzusprechen. Er kann in Ausübung seines Amtes Ungesetzliches tun, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu müssen.
Im März 2023 erklärte der Republikaner: "2016 habe ich erklärt, dass ich eure Stimme bin. Heute füge ich hinzu: Ich bin euer Krieger. Ich bin eure Gerechtigkeit. Und für diejenigen, denen Unrecht geschehen ist und die betrogen wurden, bin ich eure Vergeltung." Und bei anderer Gelegenheit: "Entweder zerstört der tiefe Staat Amerika oder wir zerstören den tiefen Staat." Wozu in seinen Augen auch die Beseitigung von "Schattenmächten" und die Entlassung "aller korrupten Akteure" in Ministerien und Behörden gehört, damit "gesichtslose Bürokraten nie wieder in der Lage sein werden, Konservative, Christen oder die politischen Feinde der Linken ins Visier zu nehmen und zu verfolgen".
Vor allem macht der Harris-Herausforderer keinen Hehl aus seinen Racheschwüren in Bezug auf die angeblich "gestohlene Wahl". Diese Woche drohte Trump "Anwälten, Politikern, Spendern, illegalen Wählern und korrupten Wahloffiziellen" sowie allen anderen, "die betrogen" hätten, "lange Haftstrafen" an. Seinem Willen nach sollten sie "mit einer Härte verurteilt werden", wie sie das Land bisher nicht kenne. Auch Medien bekommen den Groll des alten weißen Mannes zu spüren, der den Spieß umdreht und seinen Kritikern vorwirft, was sie ihm unterstellen: "Sie sind eine echte Bedrohung für die Demokratie."
Trump wird verdächtigt, er wolle die Kontrolle über wichtige Sicherheits- und Ermittlungsbehörden wie das FBI stärker oder faktisch vollständig an sich ziehen und in Ministerien - besonders dem für Justiz - ihm gegenüber kritisch eingestellte Angestellte durch Leute ersetzen, die seine Agenda befürworten. Donald Ayer, ehemaliger stellvertretender Generalstaatsanwalt in der US-Regierung, findet die Ankündigungen "empörend" und "entsetzlich". Steven Levitsky, Professor für Politologie an der Harvard-Uni, sagte dem britischen "Guardian", mit der Macht des Staates gegen Kritiker und Gegner vorgehen zu wollen, "ist eine der offensten autoritären Kampagnen, die ich je erlebt habe".
Liegt der Plan schon in der Schublade?
Mit Argwohn wird vor allem das "Project 2025" betrachtet, hinter dem insbesondere die scharf rechts ausgerichtete Heritage Foundation steht, die einen mehr als 900 Seiten starken Leitfaden vorlegte, wie sich die USA unter einem republikanischen Präsidenten verändern soll. Offiziell hat Trump damit nichts zu tun, wie er selbst betont. Einzelne Punkte weist er zurück. Aber es ist klar, dass er ausführen soll, was sich die Strategen ausgedacht haben. Sie wollen insbesondere verhindern, dass Trump wie 2017 auf Angestellte trifft, die sich weigern, ihm zu dienen.
Zentraler Baustein des "Project 2025" ist es, bis zu 50.000 Bundesbedienstete rauszukicken, die aus republikanischer Sicht als illoyal gelten, auch weil sie den Demokraten zuneigen, und sie durch Leute zu ersetzen, die den sogenannten "tiefen Staat" auffliegen lassen sollen. "Der Präsident wird am ersten Tag eine Abrissbirne für den Verwaltungsstaat sein", sagte Russell Vought, der in der Trump-Regierung arbeitete und bei der Bewegung mitwirkt.
Das deckt sich mit dem, was der 77-Jährige antwortete, als er im Dezember bei Fox News gefragt worden ist, ob er den Diktator geben wolle: "Versprechen Sie heute Abend Amerika, dass Sie Ihre Macht nicht missbrauchen und Vergeltung üben werden?" Der Studiogast sagte: "Außer am ersten Tag." Er werde die mexikanisch-amerikanische Grenze dichtmachen und die Ölförderung ausweiten. Der Moderator hakte nach: Machtmissbrauch oder nicht? "Nein, nein", sagte Trump: "Nur an Tag eins. Wir machen die Grenze zu und bohren, bohren, bohren. Danach bin ich kein Diktator mehr." Das Publikum jubelte und klatschte.